Hospital Nova in Jyväskylä
Finnische Krankenhausarchitektur mit BIM neu gedacht
In die Jahre gekommene Gesundheitseinrichtungen mit veralteter Infrastruktur prägten lange Zeit den finnischen Krankenhaussektor. Das Hospital Nova in Mittelfinnland, entworfen von JKMM Architects, markiert als erstes neues Krankenhaus seit den 1970er-Jahren eine Zeitenwende: Der Neubau zeigt die Transformation der Krankenhausarchitektur von einem reinen Funktionsbau hin zu patientenorientierten Einrichtungen mit Bezug zur Natur.
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Der Planung und dem Bau des allgemeinen Krankenhauses ging ein
2010 gestartetes Forschungsprojekt voraus. Zwei Jahre später
erfolgte der Startschuss für die tatsächliche Planung; die Arbeiten
vor Ort begannen 2016. Fünf weitere Jahre später konnte das
Krankenhaus Anfang 2021 bezogen werden. In Anbetracht der Größe –
der Neubau umfasst eine Fläche von rund 116.000 Quadratmetern –
eine organisatorische Leistung, die das Architekturteam mit
digitalen Planungstools bewältigte.
Neue Gebäudetypologie
Als eigene Gebäudetypologie haben sich die Anforderungen an Krankenhäuser im Laufe der Zeit gewandelt: Während in den 1950er und 60er-Jahren Großstrukturen als vertikale Scheiben oder Türme dominierten, rückten seit den 80er-Jahren immer mehr die Patient*innen selbst und der Einfluss der Umgebung in den Fokus der Gesundheitsversorgung. Der menschliche Maßstab wurde stärker berücksichtigt, Ausblicke in und die Nähe zur Natur gewannen an Bedeutung. Dem Trend der patientenorientierten Ausrichtung mit Bezug zur Natur folgend, setzte das Entwurfsteam beim Neubau des Krankenhauses in Jyväskylä auf eine kompakte Abfolge der Funktionen sowie auf eine die Heilung fördernde Gestaltung.
Der riesige Gebäudekomplex gliedert sich in zwei Teile: Die
unteren drei Geschosse sind in einem Sockelbau zusammengefasst, die
vier Geschosse darüber sind in sechs kammartigen Riegeln
organisiert. In etwa mittig durch das gesamte Gebäude verläuft ein
öffentlich zugänglicher, breiter Gang von Ost nach West, der sich
nach Norden zu fünf Atrien mit verschiedenen Nutzungen
aufweitet.
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Alle 360 Sprechzimmer der Ambulanzabteilungen vom Erdgeschoss bis ins zweite Obergeschoss sind zu den Atrien ausgerichtet – ähnlich dem Aufbau eines Einkaufszentrums. Die standardisierten Räume werden von verschiedenen medizinischen Fachrichtungen gemeinsam genutzt. Die Patient*innen bleiben im selben Sprechzimmer, wo sie von behandelnden Ärzt*innen aufgesucht werden. Hinter den Räumen befindet sich das Wissenszentrum, ein großer gemeinsamer Arbeitsbereich, der die Kommunikation und den Austausch zwischen dem medizinischen Personal fördern soll. In der Funktionseinheit „Hot Hospital“ befinden sich alle rund um die Uhr verfügbaren Einrichtungen wie die Notaufnahme, Diagnostik, Intensivstation und die Chirurgie. Ein eigens entwickelter „Critical Patient Pathway“ ermöglicht den schnellen Transport von Patient*innen im Notfall.
Die als „Hotel“ bezeichnete Krankenstation reicht vom vierten bis sechsten Obergeschoss. Die 368 Einzelzimmer verteilen sich auf die rippenförmigen Gebäuderiegel in Nord- und Südrichtung. Erschlossen werden sie über einen Mittelgang mit angegliederten Versorgungsräumen. Alle Einzelzimmer verfügen über ein Bad und bieten Platz für Übernachtungsgäste. Das erhöht die Aufenthaltsqualität für die Patient*innen und minimiert gleichzeitig das Infektionsrisiko.
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Innenraumgestaltung mit natürlichen Materialien
Der Haupteingang führt in den dreistöckigen, hell und freundlich
gestalteten Gang, der sich zu den Atrien hin öffnet. In ihnen
befinden sich ein Restaurant und ein Café mit Shop, ein Auditorium,
Ruhezonen und eine Kinderspielfläche. Besucher*innen können sich
dank der linearen Wegeführung, einem klaren Leitsystem und der
gezielten Beleuchtung leicht orientieren. Schlangenartige weiße
Deckenleuchten im zentralen Gang setzen außerdem einen
spielerischen Akzent. Die gedämpfte, künstliche Beleuchtung schont
die Augen und schafft eine angenehme Atmosphäre. In den
Wartebereichen sorgt natürliches Licht und der Ausblick in die
Umgebung für Abwechslung. Warme Farben und Materialien wie Holz als
Wandverkleidung in den öffentlichen Zonen und im Kinderspielbereich
sowie Stoffpolster und -möbel vermitteln ein Gefühl der
Geborgenheit und wirken dem sonst typischen sterilen
Krankenhausflair entgegen. Unterstützt wird das von den Arbeiten,
die lokale Künstler*innen eigens für das Krankenhaus
schufen.
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Ganzheitliches Planungskonzept mit BIM
Die zahlreichen unterschiedlichen Funktionen und Anforderungen an eine medizinische Einrichtung dieser Größenordnung erforderten von Beginn an eine hohe Organisations- und Kommunikationsbereitschaft aller Projektbeteiligten. Im Rahmen des Entwurfsprozesses wurden mehr als 350 Vertreter*innen des Gesundheitspersonals konsultiert. Die Arbeit von über 30 Architekt*innen und 100 Ingenieur*innen musste koordiniert werden. Das BIM-Planungsprogramm Archicad und der Open-BIM Ansatz wurden zum wichtigsten Werkzeug der ganzheitlichen Planung, so der Architekt Teemu Kurkela. Über das offene IFC-Datenformat konnten die unterschiedlichen Modelle aller beteiligten Fachdisziplinen abgeglichen werden. Um sensible und technische Bereiche besser planen zu können, wurden teilweise ganze Modelle in das Architekturmodell integriert.
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Nicht zuletzt ermöglichte das eigene interdisziplinäre Team von JKMM Architects selbst diesen ganzheitlichen Planungsansatz: Neben dem Gebäudeentwurf plante das Team auch die Inneneinrichtung und einen Teil der Ausstattung. Vorgefertigte Bauelemente wie Wände, Balken, Stützen und auch die standardisierten Sanitärzellen trugen zu einem effizienten Planungsablauf bei.-st
Bautafel
Architektur: JKMM Architects, Helsinki
Projektbeteiligte: EGM Architects, Dordrecht (Design-Partner); Ramboll CM, Kopenhagen (Projektmanagement); Ramboll Finland, Espoo (Konstruktion, Elektrotechnik, Geotechnik, Audiovisuelle Planung); Granlund, Helsinki (TGA-Planung); Gravicon, Helsinki (IT- und BIM-Beratung); Loci Maisema Arkkitehdit, Helsinki (Landschaftsarchitektur); Paloässät, Jyväskylä (Brandschutz); WSP Finland, Jyväskylä (Verkehrsplanung); Akukon, Helsinki (Akustik und Schallschutz); Werklig, Helsinki (Beschilderung); Aimonomia, Helsinki (Grafikdesign); Ecosir Group, Espoo (Vakuumabfallentsorgungssystem); Insinööritoimisto W. Zenner, Helsinki (Rohrpostsystem); FinnHEMS, Vantaa (Helikopterlandeplatz); Suurkeittiö-Insinööritoimisto Rita Pulli (Küchenplanung); Graphisoft (Software: BIM-Planungssoftware Archicad)
Bauherr*in: KSSHP, Central Finland Hospital
Fertigstellung: 2020
Standort: PHoitajantie 3, Jyväskylä, Finnland
Bildnachweis: Hannu Rytky, Paulina Salonen, Studio Juha Sarkkinen, KUVIO M Sommerschield, Tuomas Uusheimo (Fotos); JKMM Architects, Helsinki (Pläne)
Fachwissen zum Thema
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