Schwimmbäder
200 Jahre Architekturgeschichte des öffentlichen Bades
Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2019
392 Seiten, 22 Farb- u. 234 sw-Abb., 20 x 26 cm, Hardcover
Preis: 79 EUR
ISBN 978-3-496-01617-5
Freiheit, Gleichheit, Badehose. So könnte der Untertitel des von
Matthias Oloew im Reimer Verlag erschienen Sachbuchs
Schwimmbäder. 200 Jahre Architekturgeschichte des öffentlichen
Bades alternativ lauten. Während öffentliche Bäder bis zur
Industrialisierung aus diversen Gründen – die der Autor im Buch
erläutert – verpönt waren, zwangen die hygienischen Umstände in den
Großstädten den Staat bzw. die Kommunen ab der Mitte des 19.
Jahrhunderts zur Daseinsvorsorge. Um die Gesundheit der
Bevölkerung, insbesondere die der Arbeiter, zu erhalten, wurden
öffentliche Wasch- und Badehäuser errichtet – zunächst noch ohne
Schwimmmöglichkeit. Dass dies nicht nur ein altruistischer Akt für
die ärmeren Schichten war, sondern auch dadurch motiviert wurde,
die Armenkassen zu entlasten (so wie heute wohl Yoga und Müsli in
Start-Ups und Großkonzernen), zeigt Oloew anhand zahlreicher
Quellen, darunter Protokolle von Gremiensitzungen und
kommunalpolitischen Abstimmungen.
Die neu entdeckte Bauaufgabe warf allerdings im weiteren Verlauf eine Vielzahl von Fragen auf: Für wen bauen wir? Wer ist das Volk? Wieviel Gleichberechtigung ist möglich beziehungsweise nötig? Soll das Schwimmbad erzieherisch oder motivierend wirken? So wurde nicht nur debattiert, ob es gemeinsame oder getrennte Eingänge und Badebereiche für die Klassen und Geschlechter geben sollte, sondern auch ob ein Bad repräsentativen Charakter erhalten oder gar an welcher Stelle im Stadtbild es überhaupt in Erscheinung treten sollte. Schwarzweiße Abbildungen illustrieren die unterschiedlichen, ja teils gegensätzlichen architektonischen und damit auch gesellschaftlichen Konzepte.
Das zweite Kapitel des umfangreichen Werkes, mit dem der Autor an der TU Berlin promoviert wurde, behandelt den Bäderbau in der Zwischenkriegs- und NS-Zeit. Im dritten und letzten Kapitel widmet sich Oloew den Schwimmbädern von 1945 bis heute inklusive eines Ausblicks in die nähere Zukunft. Die vorgestellten Schwimmpaläste und Badelandschaften, die in den siebziger bis neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts deutschlandweit von der Hochphase der Freizeitbäder künden, sowie das ebenfalls thematisierte heutige Bädersterben führen deutlich vor Augen, wie wenig selbstverständlich das städtische Schwimmbad eigentlich ist.
22 farbige Bilder in der Mitte des Buches demonstrieren die Verschiedenartigkeit von Schwimmbädern hierzulande und zeigen zugleich, welch architektonische Diversität mit dem genannten Bädersterben zu verschwinden droht. Doch lässt die Lektüre Hoffnung schöpfen; die Bauaufgabe Schwimmbad hat sich in ihrer Geschichte immer wieder neu erfunden – warum sollte sie dies nicht noch einmal tun?
Als Coffeetablebook ist das vorliegende Werk sicher ungeeignet,
wer allerdings eine fundierte, aber leicht verständlich
aufbereitete Darstellung der überraschend wechselhaften
Architektur- und Kulturgeschichte des Schwimmbades sucht, sollte
sich von den knapp 400 Seiten nicht abschrecken lassen.
-sas