Erweiterung Betriebskantine in Leipzig

Kugel aus Beton, Glas und Licht thront auf Backstein

In Leipzig ist nach einem Entwurf von Oscar Niemeyer ein ungewöhnlicher Anbau in Form einer Kugel mit zwölf Metern Durchmesser entstanden: die Erweiterung einer Betriebskantine. Auch im Dunkeln ist sie ein heller Hingucker, was vor allem der Lichtplanung von Licht Kunst Licht zu verdanken ist.

Gallerie

Vom Brief zum Bauwerk

Die Geschichte klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Ludwig Koehne schrieb kurzerhand einen Brief an den brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer, um ihn für einen Entwurf anzufragen: die Erweiterung einer Betriebskantine. „Selbstverständlich genießen Sie sämtliche Freiheiten“, notierte er und tat seine Bewunderung für das Werk des brasilianischen Architekten kund, der schließlich zusagte. Koehne ist Geschäftsführer von Kirow, einem Maschinenbauunternehmen, das Eisenbahnkrane und Transportsysteme für Werften und die Metallurgie herstellt. Das Unternehmen befindet sich in der Spinnereistraße 13 im Leipziger Stadtteil Plagwitz, ganz in der Nähe des Kunstquartiers Baumwollspinnerei. Die Architektur auf dem Betriebsgelände ist geprägt von roten Backsteinbauten aus den 1920er-Jahren.

Statisches Wunderwerk: Beton und Glas

Auf der Ecke eines dieser Gebäude thront der Anbau mit einer Bruttogeschossfläche von 218 Quadratmetern, den Oscar Niemeyer (1907-2012) – Wegbereiter der modernen Architektur in Brasilien – kurz vor seinem Tod vor neun Jahren entworfen hat. Er wurde von Jair Valeira vom Architekturbüro Ana Niemeyer Arquitetura e Consultoria fertiggestellt und vor Ort vom Harald Kern Architekturatelier umgesetzt. Der Oscar Niemeyer Sphere genannte Anbau sitzt auf der Gebäudeecke des Alten Kesselhauses. Die schwarz-weiße Kugel mit einem Durchmesser von zwölf Metern scheint trotz ihrer beeindruckenden Größe zu schweben, weshalb die Statik in den Mittelpunkt rückt. Sie ruht auf einem ziegelfarbenen Betonschaft, der bündig an den Gebäudekopf gesetzt wurde. Die strahlend weiße Betonhülle wird durchbrochen von zwei organisch geformten Ausschnitten: In einem geodätischen Stahlmaßwerk befinden sich 147 dreieckige Scheiben aus Flüssigkristallgläsern (liquid crystal Glas), die sich der Sonneneinstrahlung entsprechend zur Verschattung schwarz färben lassen. Nichts stört die Perfektion der Glasfläche, da es keine sichtbaren Einschnitte in Form von Fenstern oder Türen gibt.

Lichtplanung: Leuchtkugel an Backsteinfassade

Licht Kunst Licht hat die Lichtplanung für das Projekt übernommen. Die gestalterische Idee: die Rundungen des Gebäudes nachzuzeichnen und dem Beton Leichtigkeit zu verleihen, sodass die Kugel in der Dämmerung und im Dunkeln wie schwebend erscheint.

Das Gebäude wird über den Betonschaft erschlossen, dessen Oberfläche von einer Lichtvoute beleuchtet wird. Hier befinden sich die Liftlobby und der zentrale Aufzug, der in die oberen Etagen mit Bar, Lounge und Restaurant führt. Der geschwungene weiße Tresen in der Bar ist vor einer roten Wand platziert und wird von direktstrahlenden Einbauleuchten – LED-Downlights mit Warm-Dimm-Technik – akzentuiert, während die an der Wand montierten Tablare mit einer möbelintegrierten Beleuchtung versehen sind. Von der Bar aus erschließt eine freischwebende Treppe die oberen Etagen mit Restaurant und Lounge. Von hier bieten sich schöne Ausblicke durch die Glaskuppel, wobei Flüssigkristallgläser als Blend- und thermischer Schutz dienen, die je nach Sonneneinstrahlung automatisch verdunkeln. Eine Indirektbeleuchtung dient als Architekturlicht: Sie besteht aus kleinen justierbaren Strahlern, die sich in der eingestellten Wand zum Servicebereich verbergen und die innere Betonhülle beleuchten. Im schwarzen Bodenlüftungskanal entlang des Perimeters der Kugel sitzen weitere kleine Strahler, ebenso wie an den Knotenpunkten der Stahlkonstruktion.

Schwebend im Dunkeln

Die Lichtplanung ist so ausgeklügelt, dass sie auch Auswirkungen auf andere Elemente des Interiordesigns hatte: Der Boden, die Tische und Stühle sind in einem dunklen Ton gehalten, um Rückreflexionen durch die Glasscheiben zu vermeiden. Im Restaurant sorgen batteriebetriebene Tischleuchten für zoniertes, intimes Licht, wohingegen dimmbare Deckenstrahler eine atmosphärische (Licht-)Stimmung erzeugen. Die Lichtvouten und die Indirektbeleuchtung im Innenraum zeichnen die außergewöhnlichen Volumina im Inneren der Kugel nach, auf den Dächern sind montiert. Während die Außenbeleuchtung in einer kühlen Lichtfarbe von 4.000 Kelvin gehalten ist, leuchten die Innenräume mit einer Farbtemperatur von 2.700 bis 3.000 Kelvin in einem warmweißen Licht. -csh

Bautafel

Architektur: Harald Kern Architekturatelier, Leipzig, und Ana Niemeyer Arquitetura e Consultoria LTDA/ Jair Valera, Rio de Janeiro, nach dem Entwurf (2011) von Oscar Niemeyer, Rio de Janeiro
Projektbeteiligte: Licht Kunst Licht, Bonn/ Berlin (Lichtplanung) Ingenieurbüro Förster + Sennewald Ingenieurgesellschaft, München (Tragwerksplanung); XAL, Graz (Miniaturstrahler für Direkt- und Indirektbeleuchtung); LED Linear, Duisburg (Lichtvouten, möbelintegrierte Beleuchtung); Lucifer Lighting und Alteme, San Antonio (Downlights); Bega, Menden (Wandeinbauleuchte Treppe); Opticalight, Zürich (Strahler Fassadenbeleuchtung); Merck licrivision, Darmstadt (Flüssigkristallgläser)
Bauherrschaft: Kirow Leipzig
Fertigstellung: 2020
Standort:
Spinnereistraße 13, 04179 Leipzig
Bildnachweis: Margret Hoppe/ Sebastian Stumpf

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