The Ceramic House in Amsterdam
Neuinterpretation einer historischen Ziegelfassade durch 3D-Druck
Im Süden der Amsterdamer Innenstadt liegt die Einkaufsstraße PC Hoofstraat, die 1872 nach dem Historiker Pieter Corneliszoon Hooft benannt wurde – heute bestückt mit prägnanten Gebäuden verschiedener Luxusmarken. Die charakteristische Dreiteilung der historischen Häuserfassaden übersetzte das Architekturbüro Studio RAP in ihrem Entwurf für das Ceramic House mittels eigener 3D-Drucktechnik gänzlich neu. Damit wird die bestehende historische Architektur der Shoppingstraße um eine neue Designsprache ergänzt.
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Behutsames Einfügen in das Stadtbild
Um den Gesamtcharakter des Ortes zu wahren, bildeten die Projektbeteiligten des Architekturbüros Studio RAP die Silhouette der ursprünglichen Ziegelfassade der Boutique nach – mit der Neuerung, dass bei der Herstellung digitale Methoden zum Einsatz kamen. Über mehrere Jahre hinweg arbeiteten die Beteiligten in den Produktionsstätten des Studios an der Entwicklung von fortschrittlichen Robotersystemen, die bei den digitalen Herstellungsprozessen entscheidend beteiligt sind. Das Resultat: Eine großformatige 3D-Drucktechnologie, die es ermöglicht, maßgefertigte Elemente aus Ton herzustellen. Maßstab, Größe, Art und Farbe der neuen Ornamente und Materialien für das Ceramic House wurden sorgfältig auf die benachbarten Gebäude abgestimmt. Dadurch fügt sich die zeitgenössische Architektursprache nahtlos in die Reihe traditioneller Bauten. Bei näherer Betrachtung fällt die starke Plastizität der Fassade ins Auge.
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Algorithmisches Design und traditionelle Handwerkskunst
Inspirieren ließen sich die Architekt*innen bei der Neugestaltung der Fassade von Stoffen und Stofftexturen, von Maschenmustern und natürlichen Falten. Die organische, wellenartige Anmutung der Fassade ändert sich je nach Blickwinkel der Betrachtenden. Das resultiert aus der hochdifferenzierten Details den algorithmisch entworfenen Keramikelemente. Die Texturen der Fliesen wurden mit individuellen digitalen Design-Skripten umgesetzt. Diese Algorithmen erzeugen Pfade, entlang derer die Roboter das Material Schicht für Schicht auftragen. Dabei wird das Verhalten der Materialien berücksichtigt – wie sich Ton formt und verformt. Das Erscheinungsbild der Bauteile wird also sowohl durch das Materialverhalten des Tons als auch durch die 3D-Druckpfade beeinflusst. In dem robotischen Herstellungsverfahren lassen sich Prozesse parallelisieren, sodass sich die Produktionszeit verkürzt.
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Die besondere Ausdrucksweise, die mit den digitalen Methoden erzeugt wird, spiegelt sich auch in dem Fassadenaufbau wider: Der über vier Meter hohe Sockelbereich ist durch drei Säulen gegliedert, die ihren Abschluss in einem Architrav finden. Das Schaufenster mit Eingangsbereich ist eingeschoben, wodurch eine tiefe Laibung der großformatigen Glaselemente entsteht. Auf Straßenniveau ist die Fassade mit 40x20cm großen Tonbausteinen verkleidet, die auf einem Metallrahmen befestigt sind. Die handwerkliche Glasur in Perlweiß übernahm ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen. Das Relief dieser Keramikelemente beginnt am Boden flach und nimmt nach oben hin an Ausdruck und Stärke zu – gleich einem fließend fallenden Vorhang.
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Über dem Architrav besteht die Fassade der oberen Stockwerke ebenfalls aus 3D-gedruckten Tonelementen. Im Gegensatz zum Sockelbereich sind diese in verschiedenen Rottönen glasiert und wecken dadurch Assoziazionen an historische Ziegelfassaden. Geometrie und Textur der rötlichen Tonziegel verändern sich und werden – bis sie im Giebel ihren Abschluss finden – allmählich schlichter. Eingesetzt sind die 3D-gedruckten Tonziegel in lasergeschnittene Edelstahlkassetten; die Fassadensegmente sind zudem mit der bestehenden Außenwand verschraubt. Die Abstände zwischen den Ziegeln sind denen der ursprünglichen, bündigen Mörtelfugen nachempfunden. In Anlehnung an das Originalmauerwerk sind die Ziegel außerdem im Kreuzverband verlegt – was zum Eindruck einer klassischen Mauerwerksfassade beiträgt. Die Fassadengestaltung zeigt, wie die traditionelle Sprache von Mauerwerksverbänden mit modernen Materialien und Herstellungsprozessen übersetzt werden kann. -st
Bautafel
Architektur: Studio RAP, Rotterdam
Projektbeteiligte: Wessels Zeist (Bauunternehmer); Gietermans & Van Dijk, Amsterdam (Co-Architekten); Studio RAP, Rotterdam (3D-Druck der Keramik); Royal Tichelaar, Makkum (Glasur der Keramik)
Bauherr*in: Warenar Real Estate
Fertigstellung: 2023
Standort: Pieter Cornelisz Hooftstraat, Amsterdam, Niederlande
Bildnachweis: Riccardo De Vecchi; Studio RAP, Rotterdam
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