Bürogebäude The Cradle in Düsseldorf
Gesamtlebensyklusbetrachtung und BIM erstmals vereint
Am Düsseldorfer Medienhafen entsteht aktuell das Bürogebäude The Cradle von HPP Architekten; 2022 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Der Name des Neubaus ist dabei nicht zufällig gewählt: Inspiriert vom „Cradle-to-Cradle“-Prinzip, das eine durchgängige Kreislaufwirtschaft bezeichnet, verankert das Projekt Ganzheitlichkeit und Partizipation, die den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes in den Mittelpunkt der Planung und späteren Nutzung rücken. Bereits vor der Bauphase wurde das Gebäude zweifach prämiert.
Gallerie
Der Neubau ist in Elementbauweise als Holz-Beton-Konstruktion geplant und überzeugt durch sein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept und seine markante, rautenförmige Fassadenstruktur aus Glas und Holz. Für den Projektentwickler Interboden aus Ratingen entstehen hier insgesamt 6.600 Quadratmeter Büroflächen in bester Lage am Rhein sowie 600 Quadratmeter hochwertige Gastronomie im Erdgeschoss.
Durchgehend integrale Planung
Die Architekten arbeiten in relevanten Fragen wie Energiekonzept, Tragwerks- und TGA-Planung übergreifend mit Spezialisten und planen das Gebäude durchgehend integral. Die Fassade bildet eines der auffälligsten und wichtigsten Architekturelemente im gesamten Entwurf und lässt dabei das übergreifende Planungsprinzip erkennen: Sie vereint Tragwerks- und Verschattungsfunktionen sowie das natürliche Lüftungskonzept in nur einem multifunktionalen Bauteil. Daher waren in die Fassadenplanung gleichzeitig Tragwerksplaner, Architekten und TGA-Planer involviert.
Kreislaufwirtschaft für Bauprodukte
Bei konventionellen Planungen wird meist von einer langen Standzeit eines Neubaus ausgegangen und der Fall eines Umbaus oder Abrisses komplett vernachlässigt. Dadurch stellt sich im Nachhinein die Entsorgung oder das Recycling der verbauten Rohstoffe als schwierig oder gar unmöglich dar. Daher war es bereits während der Entwurfsphase für den Neubau erklärtes Ziel, das Gebäude als Rohstofflager für die Zukunft anzulegen. Es wurde auf der Basis des Cradle-to-Cradle-Prinzips ein Nachhaltigkeitskonzept entwickelt, das problemloses Recycling und die Weiternutzung der verbauten Materialien und Produkte nach der Gebäudestandzeit ermöglicht.
Cradle-to-Cradle (C2C) beschreibt ein Prinzip, das die potenziell unendliche Zirkulation von Materialien und Rohstoffen in Kreisläufen vorsieht. Alle verwendeten Materialien sollten nach Gebrauch wiederverwendet oder ohne schädliche Rückstände kompostiert werden können. Dabei ist das Ziel nicht nur die Reduktion negativer Einflüsse, sondern das Hinterlassen eines positiven Beitrags.
Um einen unkomplizierten Rückbau zu ermöglichen, werden daher die einzelnen Bauelemente reversibel und leimfrei miteinander verbunden. Außerdem werden bestimmte Bauprodukte bei den Herstellern „geleast“, sodass diese nach einem Gebäudeabriss garantiert zurückgegeben werden können.
Umfassendes Nachhaltigkeitskonzept
Im Sinne einer integralen, nachhaltigen Planung wurde für die regenerative Energieerzeugung eine Photovoltaik- sowie eine Geothermieanlage integriert. Als Holzbau speichert das Gebäude außerdem Kohlenstoffdioxid und verbessert die Luft- und Wasserqualität. Durch die Verwendung von Recyclingbeton werden natürliche Ressourcen gespart und die Herstellungsenergiebilanz des Materials verringert.
Mittels einer Lebenszyklusanalyse wurde das Gebäude auf seine Umweltauswirkungen hin untersucht. Die Summe der getroffenen Maßnahmen führen zu einem CO2-Fußabdruck (GWP) von lediglich 41,17 kg CO2/m²NGF über einen Nutzungszeitraum von 50 Jahren.
Cradle-to-Cradle und BIM sinnvoll verbunden
Für eine umfassende integrale, gewerkeübergreifende Planung ohne digital-analoge Brüche ist vor allem der stetige Austausch der Planungsmodelle zwischen den beteiligten Partnern wichtig. Der Kreislaufgedanke, der C2C zugrunde liegt, wird in dem Projekt erstmals mit der BIM-Methode verknüpft. Dafür werden alle verwendeten Materialien in ein Materialkataster eingetragen. Der sogenannte „Material Passport“ gibt während der gesamten Gebäudestandzeit präzise Informationen darüber, welche Materialien mit welcher Qualität zum Einsatz gekommen sind, was der Restwert des gesamten Gebäudes ist und in welcher Form zukünftig Baumaterialien recycelt oder Bauteile wiederverwendet werden können.
BIM-Modell als Grundlage für Material Passport
Die Grundlage für den Material Passport bildet das in Revit erstellte BIM-Modell. Es ist die Basis für die Massenberechnung des Bauphysikers und kann ebenso als verbindlicher Ausgangspunkt für alle detaillierten Materialmengen und Bauteilinformationen genutzt werden. Für den interdisziplinären Austausch von Daten und Modellen im Planungsverlauf setzen die eingebundenen Planer die IFC-Schnittstelle ihrer individuellen Software ein und nutzen ihre gewohnte Arbeitsumgebung.
Alle Materialien und Bauteile sind mit individuellen Bauteilnummern versehen, die im Material Passport verknüpft werden. Sie lassen sich hinsichtlich ihrer Gesundheitsklassen, ökologischen Auswirkungen, Rückbauoptionen, Recyclingfähigkeit und Separierbarkeit auswerten. Bauprodukthersteller können damit früh wertvolle Informationen zu einem weiteren Materialeinsatz erhalten oder bestimmte Bauteile nach der avisierten Nutzungszeit zurücknehmen und erneut einsetzen, demontieren oder sortenrein recyceln. -tw
Bautafel
Architektur: HPP Architekten, Düsseldorf
Projektbeteiligte: Drees & Sommer, Köln (BIM, Bauphysik); EPEA Internationale Umweltforschung, Stuttgart (C2C-Beratung, BIM, Material Passport); Knippers Helbig, Stuttgart (Tragwerksplanung); Transsolar Energietechnik, Stuttgart (Energieberatung)
Planungssoftware (BIG Open BIM-Projekt): Revit 2018, Navis Work, Conpact, Excel, Power-BI, Solibri
Bauherr: Interboden, Ratingen
Fertigstellung: geplant 2022
Standort: Speditionstraße, 40221 Düsseldorf
Bildnachweis: HPP Architekten, Düsseldorf / Interboden/bloomimages
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