Lokschuppen Wittstock in Brandenburg
Von Lok zu Lernort
Ein Ort industrieller Arbeit wird zum Raum für Austausch und Gestaltung: Der historische Lokschuppen im brandenburgischen Wittstock/Dosse wurde nach Jahren des Stillstands umfassend saniert und umgenutzt. Das Backsteingebäude diente einst der Wartung von Dampflokomotiven. Heute fungiert es als Schulungs- und Kommunikationszentrum für die Swiss Krono Deutschland – geplant und umgesetzt durch das Architekturbüro Mittelbach im engen Dialog mit dem Bestand.
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Industrieerbe mit Perspektive
Der Lokschuppen am Bahnhof Wittstock wurde 1885 als Teil eines größeren Bahnbetriebswerks errichtet und in zwei weiteren Bauphasen um 1910 und in den 1930er-Jahren erweitert. Der ringförmige Backsteinbau liegt südlich des Hauptbahnhofs, flankiert von einer Wagenwerkstatt im Westen und einer ehemaligen Schlosserei im Osten, die heute als Jugendzentrum dient.
Nach der Stilllegung des Bahnbetriebswerks im Jahr 1994 geriet das Areal zunächst in Vergessenheit. Erst mit dem Erwerb durch die Stadt Wittstock im Jahr 2016 und der erfolgreichen Sanierung angrenzender Gebäude zur Landesgartenschau 2019 entstand ein tragfähiges Nutzungskonzept. Den zentralen Impuls zur Umnutzung des Lokschuppens gab schließlich die Swiss Krono Deutschland – ein Holzverarbeitungsbetrieb aus der Region –, das den Standort als Ausstellungs- und Schulungszentrum in unmittelbarer Bahnhofsnähe etablieren wollte.
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Erhalt und Weiterbau
Im Fokus der Planung stand der möglichst umfassende Erhalt der historischen Substanz. Eingriffe aus DDR-Zeiten wurden zurückgebaut, stark geschädigte Bauteile saniert, die Tragstruktur instandgesetzt und technische Einbauten aufgearbeitet. Wo notwendig – etwa beim Dachtragwerk – kamen zurückhaltend ergänzte Konstruktionen zum Einsatz. Die äußere Kubatur wurde in den Zustand der 1930er-Jahre zurückgeführt, Mauerwerk ausgebessert und Fensteröffnungen rekonstruiert.
Bereits die frühen Leistungsphasen 1 und 2 wurden gemeinsam durch das Architekturbüro Mittelbach und das Büro H.E.I.Z. Haus Architekten aus Dresden entwickelt. In der Ausführungsphase übernahm das Ingenieurbüro Rübe aus Rathenow die Objektbetreuung (LP8) und unterstützte die Umsetzung vor Ort.
Die große Halle des Lokschuppens, bestehend aus den Lokständen 2 bis 6, wird heute als nicht dauerhaft beheizter Ausstellungsraum genutzt. So konnte ein zu starker Eingriff in die Bausubstanz vermieden werden – etwa durch zusätzliche Dämmung der Gebäudehülle. Zwei gläserne Kuben – eingestellt, nicht mit der Substanz verbunden – ermöglichen temporäre Veranstaltungen und Workshops bei frei temperierbarem Raumklima. Die ursprüngliche Struktur bleibt dabei deutlich spürbar: Der Abstand zwischen Altbestand und neuen Einbauten schafft Transparenz, respektiert die hallenartige Wirkung. Maßgeblich war der Leitgedanke der Reversibilität.
Ein markanter Vorbau markiert den südlich positionierten Haupteingang, gegenüber des historischen Gleiszugangs. Die Konstruktion fungiert als Windfang und Werbefläche. Die übrigen Lokstände 0, 1 und 7 erhielten ebenfalls neue Funktionen: Großraumbüro, Kantine und weitere Veranstaltungsräume – jeweils dauerhaft beheizt und mit innenliegender Dämmung ausgeführt.
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Innenausbau mit Glas und Stahl
Ein wesentliches Merkmal der Umnutzung ist die bewusste Gegenüberstellung von Alt und Neu im Innenraum. Die beiden gläsernen Kuben – ein- und zweigeschossig – wurden in Stahlskelettbauweise errichtet. Die eingesetzten Profilsysteme ermöglichen filigrane Übergänge und maximalen Lichteinfall, ohne die bestehende Struktur zu überformen.
So besteht der zweigeschossige Kubus Ost mit rund 65 Quadratmetern Grundfläche aus einem Tragwerk mit VISS-Linea-Pfosten und VISS-Fassade-Riegeln. Der eingeschossige Kubus West verfügt über eine begehbare Dachfläche. Beide Kuben erreichen mit 2-fach-Isolierverglasung U-Werte von 1,0 bis 1,8 W/m²K.
Auch die Innentrennwände in Lokstand 7 – als freistehende, bis zu 8,3 Meter lange Stahl-Glas-Konstruktionen – folgen dieser Systematik. Die Treppen und Absturzsicherungen innerhalb der neuen Einbauten wurden als leichte Konstruktionen aus Streckmetall ausgeführt und sorgen räumliche Kontinuität.
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Historische Verglasung neu interpretiert
Die charakteristischen Industrieglasfassungen des Lokschuppens wurden denkmalgerecht erneuert. Teilvermauerte Fensteröffnungen wurden freigelegt und mit filigranen, thermisch getrennten Stahlsprossenfenstern in neutraler, grauer Farbgebung versehen. Dabei kamen die Profile Janisol Arte 2.0 von Schüco Stahlsysteme Jansen zum Einsatz – speziell geeignet für denkmalgeschützte Bestandsfassaden.
Auch die großflächigen Einfahrtstore erhielten eine gläserne Überarbeitung: Die restaurierten oder erneuerten Tore wurden in Offenstellung fixiert, der thermische Abschluss erfolgt durch vorgestellte Glasflächen. Die historische Tiefenwirkung der Torlaibungen bleibt so erhalten.
Bautafel
Architektur: Architekturbüro Mittelbach, Stralsund
Projektbeteiligte: Rohwer Ingenieure VBI, Rathenow (Tragwerksplanung); Osigus & Meimerstorf, Altefähr (Landschaftsarchitektur); Ingenieurbüro Rübe, Rathenow (Bauleitung);
Metallbau Hohendorf, Wolgast (Metallbau Fassade); Bran&co Metallbau, Bad Freienwalde (Metallbau Innenausbau); Schüco Stahlsysteme Jansen (Fassaden-/Fenstersysteme, Produkte: Janisol, Janisol Arte 2.0, VISS-Linea, VISS Fassade, Jansen-Economy 60)
Bauherr*in: Stadt Wittstock/Dosse
Nutzung: Swiss Krono Deutschland (DesignStation)
Standort: Eisenbahnstraße 2, 16909 Wittstock/Dosse
Fertigstellung: 2023
Bildnachweis: Fotostudio Mantey / Architekturbüro Mittelbach, Stralsund