Coppenrath Innovation Centre in Osnabrück
Helle Holzboxen unter einem Stahlbetonskelett
Zur Reparatur und Wartung von Dampflokomotiven dienten im 19. und 20. Jahrhundert sogenannte Ringlokschuppen, die vielfach an (Güter-) Bahnhöfen errichtet wurden. Ihre Funktion ist in den letzten Jahrzehnten obsolet geworden, als Industriedenkmal sind sie oft erhaltenswert. Ein überzeugendes Beispiel für eine Umgestaltung und Neunutzung ist das CIC – Coppenrath Innovation Centre in Osnabrück. Der 1913 erbaute Ringlokschuppen bot Platz für bis zu 34 Dampfloks. Nach seiner Stillegung im Jahr 1990 verfiel er zusehends. Dass er heute saniert ist, eine ungewöhnlich spannende Architektur verkörpert und vielversprechenden Unternehmen im Stadtzentrum Raum bietet, ist einer gemeinsamen Initiative der Stadt Münster mit der Aloys-&-Brigitte-Coppenrath-Stiftung zu verdanken.
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Industriedenkmal als Forschungsstandort
Mit dem Ziel, die Industrieruine zu sanieren und einen Forschungsstandort im Herzen der Stadt zu entwickeln, gründeten sie 2020 die Ringlokschuppen Osnabrück Gesellschaft. Das Coppenrath Innovation Centre in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof schmiegt sich in den mäandernden Flussverlauf der Hase. Es soll Unternehmergeist, Wissenschaft und Start-ups zusammenbringen. Das Industriedenkmal bildet die Hülle für zeitgemäße und flexible Einbauten in Holzbauweise. Kresings Architektur aus Düsseldorf zeichneten verantwortlich für den Entwurf, die Instandsetzung, Restaurierung und neue Nutzung der Hallen nach dem Haus-im-Haus-Prinzip.
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Stahlbeton-Skelettbau mit Pultdächern
Im Grundriss hat der Altbau die Form von zwei Kreissegmenten, verknüpft durch einen erhöhten Mittelbau, welcher der Verwaltung diente. Die bauliche Anlage wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit zwei Drehscheiben errichtet. Es handelt sich um einen der ersten Stahlbeton-Skelettbauten überhaupt. Den oberen Abschluss der Ringlokschuppen bilden flach geneigte Pultdächer, die zur Mitte leicht ansteigen – ihr Versatz ist mit einem Oberlichtband gefüllt. Die ehemalige Verwaltung sticht mit einem Mansarddach heraus. Unter dem Namen Innovatorium dient sie heute als Veranstaltungszentrum für bis zu 400 Personen.
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Eingestellte Boxen als Massivholzkonstruktion
In die acht Meter hohen Hallen sind ein- und zweigeschossige, quaderförmige und teils auskragende Baukörper aus Massivholz mit großen Glasfronten hineingestellt. Deren Planung und Fertigung erfolgte mithilfe von BIM (Building Information Modeling) – keine Box gleicht der anderen. Die hölzernen Module sind durch Treppen und Ebenen verbunden. Zu dem beeindruckenden und sorgfältig sanierten Tragwerk aus Beton bildet das helle Holz einen warmen Kontrast. Durch die flexible Aufstellung nach dem Raum im Raum-Prinzip ließen sich Teile der für das Baudenkmal charakteristischen weiten Sichtachsen bewahren. Zudem entstehen auf diese Weise gemeinschaftliche Bereiche für lockeren Austausch und zur freien Inspiration.
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CIC als Zugpferd für ein Areal zum Wohnen und Arbeiten
Das CIC ist Zugpferd für ein insgesamt 22 Hektar großes, in Planung befindliches Areal auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofes. Neben Arbeitsplätzen soll hier Wohnraum für 3.500 Menschen entstehen. Hauptmieter des Industriedenkmals Ringlokschuppen ist das Deutsche Forschungzentrum für künstliche Intelligenz (DFKI), welches an KI-gestützter Agrar-Robotik für Erntemaschinen forscht, aber auch die Universität und weitere Unternehmen nutzen die Räumlichkeiten.
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Umgang mit dem Bestand
Durch den Erhalt des Bestands wird graue Energie eingespart. Die Verwendung nachwachsender Rohstoffe für die Einbauten hält den mit den Baumaßnahmen verbundenen CO₂-Ausstoß möglichst gering. Bei den Hallen setzten die Planenden auf einen guten Wärmeschutz durch einen angemessenen Dämmstandard der opaken Bauteile. Historische Fenster und Verglasungen wurden aufgedoppelt durch neue, davon abgerückte Zweifach- oder Dreifach-Verglasungen. Insgesamt wurde auf eine luftdichte Bauweise geachtet, um unbeabsichtigte Lüftungsverluste zu vermeiden.
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Reinigung, Sanierung, Feuchteschutz
Im Zuge der Sanierung wurden die Betonwände, -stützen und -decken zunächst per Sandstrahlverfahren gereinigt und Schadstellen mit einem speziellen Instandsetzungsmörtel ausgebessert. Das historische Mauerwerk erhielt Injektionen durch Bohrlöcher, um kapillar aufsteigender Feuchte den Weg zu versperren und es vor bauschädlichen Salzen zu schützen. Bohrlöcher im Abstand von zwölf Zentimetern mit einem Durchmesser von zwölf Millimetern wurden horizontal in die Lagerfuge gesetzt. Die lösemittelfreie Injektion bildet rasch ihre Schutzwirkung aus. Anschließend wurden die Bohrlöcher verschlossen. Die Wände erhielten eine mineralische Dichtungsschlämme als Innenabdichtung. Vor Feuchtigkeit und Umwelteinflüssen von außen schützt eine rissüberbrückende Sockelabdichtung.
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Kühlung, Lüftung, Heizung
Durch eine sogenannte Nachtluftspülung mit Querlüftung durch die Fassade und Oberlichter gelingt eine passive Kühlung im Sommer. Auch die Speichereffekte der Decke und der massiven Stützen tragen dazu bei, eine Überhitzung zu verhindern. Es gibt einen außen liegenden, beweglichen Sonnenschutz, die Tore sind teilweise baulich verschattet. Die Fußbodenheizung lässt sich bei Bedarf ebenfalls zur Kühlung der Räume einsetzen. Zuluft kommt primär durch die alten Wartungsgänge im Boden und wird als Quellluft in die Schuppenbereiche verteilt. Manuelle Fensterlüftung ist nach Bedarf möglich. Dezentrale Lüftungsgeräte mit effizienter Wärmerückgewinnung sind pro Schuppenbereich nahe der Nasszellen vorgesehen. Das offene Raumvolumen und die Einbindung in die Luftverteilung minimieren das Lüftungskanalnetz. Das energetische Konzept folgt der Idee einer minimierten, der Architektur und Nutzung entsprechenden Haustechnik, zu der auch ein Wärmepumpensystem gehört.
Es handelt sich um ein „Nationales Projekt des Städtebaus”, realisiert auch mit Fördergeldern des Bundes. -us
Bautafel
Architektur: Kresings Architekten, Münster
Projektbeteiligte: Ing. Büro Fleddermann, Osnabrück (Tragwerksplanung); O&P Projektingenieure, Ibbenbüren (Technische Gebäudeausrüstung); Hansen+Partner Ingenieure, Wuppertal (Bauphysik); Transsolar Energietechnik, Stuttgart (Energetik); BKK Brechler.Kiküm.Klein, Warendorf (Brandschutz); MDL Müller Darms Landschaften, Osnabrück (Freianlagen); Kresings (Innenarchitektur); Remmers, Löningen (Bautenschutz und Betonsanierung)
Bauherr/in: Ringlokschuppen Osnabrück Gesellschaft
Nutzer/in: DFKI – Deutsches Forschungsinstitut für künstliche Intelligenz, Universität Osnabrück, Hochschule Osnabrück und andere
Fertigstellung: 2024
Standort: CIC - Coppenrath Innovation Centre, Hamburger Straße 24, 49084 Osnabrück
Bildnachweis: Kresings Architekten, Nils Koenning, Angela von Brill, HG Esch Photography