Heilgarten in Chamchamal

Lehmbauten, Tiere und Pflanzen für ein Traumazentrum

Die Stadt Chamchamal liegt in der autonomen Region Kurdistan im Nordirak. Viele Bewohner haben Leid durch Repression, Gewalt und Krieg erfahren und sind traumatisiert. In Kombination mit dem Zentrum für tiergestützte Traumatherapie entsteht dort auf einem über 35.000 Quadratmeter großen Gelände in mehreren Bauabschnitten ein Heilgarten. Initiiert wurde das Projekt von der Menschenrechtsorganisation Jiyan Foundation for Human Rights, die Planung oblag Ziegert Roswag Seiler Architekten Ingenieure aus Berlin. Ein Masterplan und Konzepte für die Weiterentwicklung des heiltherapeutischen Gartens wurden in interdisziplinären Studienarbeiten der TU Berlin und der Bauhaus Universität Weimar entworfen.

Gallerie

Traditionelle Bauweise stiftet Identität

Gärten dienten bereits in den antiken Hochkulturen als geschützte Orte der Erholung und Entspannung. So soll auch der Heilgarten Chamchamal einen sicheren Schutzraum zur Regeneration bieten. Er steht sowohl den Patienten als auch der Nachbarschaft offen. Hier können die Menschen lernen, mit ihren schmerzhaften Erinnerungen umzugehen und neuen Lebensmut schöpfen – das kurdische Wort jîyan bedeutet Leben. Die traditionelle regionale Architektur und heimische Tier- und Pflanzenarten schaffen einen vertrauten Rahmen, um die seelische Genesung zu unterstützen.

Gartentherapien und Gruppenarbeit sollen den Traumatisierten helfen, ihr Leid zu verarbeiten. Kurse in traditioneller Handwerkskunst wie Nähen, Stricken, Töpfern und Teppichknüpfen dienen therapeutischen Zwecken, tragen aber auch dazu bei, regionale Kulturtechniken zu erhalten. Ein Streichelzoo ermöglicht tiergestützte Behandlungsmethoden. Unter den Tieren sind Ziegen und Kaninchen, aber auch Geflügel wie Hühner, Tauben und Pfauen.

Realisierung in mehreren Bauabschnitten

Der erste Bauabschnitt ist bereits fertiggestellt. Er umfasst neun Bauten für Ställe und Gehege, Therapie- und Begegnungsräume. Im zweiten Bauabschnitt werden derzeit sieben weitere Gebäude errichtet: Räume für die Einzel- und Gruppentherapie, Werkstätten sowie eine Bäckerei als Verkaufsstelle, Nachbarschaftstreff und Arbeitsort für Patientinnen. Alle Häuser sind von kleinen Gärten umgeben, die ebenfalls therapeutisch genutzt werden. Insgesamt sind fünf Bauabschnitte geplant.

Da die Pflanzen viel Wasser benötigen, wird außerdem ein Klärwerk errichtet. Es reinigt das Abwasser aus einem auf dem Grundstück verlaufenden Kanal, der Grauwasser aus den umliegenden Wohnhäusern abtransportiert. Das reicht für die Bewässerung des Gartens aus. Über eine Biogasanlage wird aus Pflanzenabfall und Tierdung Energie gewonnen.

Varianten einer Grundform

Die eingeschossigen Lehmbauten entwickeln sich alle aus der gleichen rechteckigen Grundform und variieren durch verschiedene Fenster- und Türöffnungen. Mit Schilfmatten bedeckte, hölzerne Vordächer spenden im Sommer Schatten, wenn die Temperaturen bis über 45° Celsius steigen. Die einzelnen Quader sind um Höfe gruppiert und durch teils überdachte Wege miteinander verbunden. So entsteht eine Abfolge von verschatteten und offenen Außenräumen. Auch die Neubauten des zweiten Bauabschnitts sind um einen Hof gruppiert, der für Feste und Veranstaltungen genutzt werden soll.

Lokale Baustoffe, lokale Handwerker

Alle Gebäude sind aus nachhaltigen, lokalen Materialien errichtet und stellen eine Weiterentwicklung der traditionellen kurdischen Bauweise zu einer zeitgenössischen Lehmarchitektur dar, die sowohl erdbebensicher als auch klimagerecht ist. Massive Wände aus luftgetrockneten Lehmsteinen und Dächer, die mit einer Schicht aus Strohlehm bekleidet sind, sorgen dafür, dass die Häuser auf natürliche Weise im Winter Wärme speichern und im Sommer angenehm kühl bleiben.

Für die erdberührten Bauteile kommen Ziegel zum Einsatz. Mit der Umsetzung wurden lokale Handwerker beauftragt und in den angewandten Techniken geschult. Damit dient der Heilgarten auch als Vorbild für eine umweltschonende Entwicklung des Bauwesens in der Region. -dg

Bautafel

Architektur: ZRS Architekten Ingenieure, Berlin; Pierre Lambrecht; Leon Radeljić
Projektleitung:
Marine Miroux (Projektleitung); Christof Ziegert und Sara Paganoni (Tragwerksplanung und Fachberatung Lehmbau); Gesa Diering (Landschaftsplanung)
Projektbeteiligte:
Prof. Ralf Pasel, Technische Universität Berlin; Prof. Rudolf, Bauhaus-Universität Weimar; Kameran Mustapha Mohammed (Ingenieursplanung)
Bauherrschaft: Jiyan Foundation for Human Rights, Kirkuk
Fertigstellung 1. Bauabschnitt: 2017
Standort:
Chamchamal, Kurdistan-Irak
Bildnachweis: ZRS Architekten Ingenieure, Berlin

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