Aussichtsturm Negenoord in Dilsen-Stokkem
Tragende Außenwände aus Stampflehm
In ihrem Verlauf schlängelt sich die Maas durch Frankreich, Belgien und die Niederlande bevor sie im Rhein und mit ihm schließlich in die Nordsee mündet. Auf Höhe der belgischen Kleinstadt Dilsen-Stokkem liegt einer ihrer schönsten Abschnitte. Wo früher Kies zur Betonherstellung abgebaut worden ist, wächst heute Gras, weiden zottelige Rinder und stämmige Pferde, brüten seltene Vogelarten und darf die Maas über ihre Ufer treten. Besucher können in dem renaturierten Fluss- und Naturpark Maastal wandern, durchatmen und den Weitblick genießen. Am besten gelingt dies von dem ockerfarbenen Aussichtsturm, den De Gouden Liniaal Architecten aus Genk entworfen haben.
Gallerie
Der knapp elf Meter hohe Turm steht auf einem flachen Hügel, der auf einer Landzunge des Gewässers Negenoor aufgeschüttet wurde. Als Baustoffe verwendete man die regionaltypischen Materialien Kies, Sand und Lehm. Auf hexagonalem Grundriss, wobei alternierend drei Seiten lang und drei Seiten kurz sind, ragt er mit sieben Ebenen auf einem Betonsockel in die Höhe. Um einen hohlen Treppenhauskern – ebenfalls polygonal und aus Beton mit lokal gewonnenem Kies als Gesteinskörnung – schützen tragende Außenwände aus Stampflehm die auf- und absteigenden Besucher vor Wind und Wetter.
Der Eingang befindet sich an der nordöstlichen Langseite; eine dreiläufige Treppe führt nach oben auf die Betonplattform. Treppenpodeste in den Ecken laden zum Pausieren und auf verschiedenen Höhen zum Herausschauen aus unterschiedlich großen, hochrechteckigen Aussparungen ein. Die Betonplatten stabilisieren den Turm und sind auch außen sichtbar. Wie alle anderen Betonoberflächen wurden sie sandgestrahlt, sodass die Körnung zu sehen ist. In den Außenwänden aus Stampflehm ist ebenfalls regionaler Kies enthalten, der mit der Zeit durch Erosion der Oberfläche zum Vorschein kommen wird.
Vor dem Bau des Turms führten die Planer im Kooperation mit Lehmbaufachleuten zahlreiche Versuche mit den lokalen Materialien durch, um die geeignete Zusammensetzung bezüglich Stabilität, Farbe und Oberfläche für die Wände zu finden. Am Ende entschieden sie sich für 20% Kies, 40% ockerfarbene Erde und 40% Lehm sowie einen geringen Anteil Trasszement. Unter Zugabe von Wasser wurde die Mischung für den jeweiligen Schalungsabschnitt hergestellt. Je 15 cm dicke Schichten wurden in die Schalung geschüttet und anschließend mechanisch auf 12 cm verdichtet. Rund 20 Kubikmeter Wand konnten als wöchentlicher Abschnitt geschalt werden. Insgesamt dauerte es nur sieben Wochen, bis die Stampflehmwände fertig waren.
Die Architekten setzten ihre Intention, das Gebäude durch die verwendeten natürlichen Baustoffe in das umgebende Naturschutzgebiet zu integrieren, konsequent um. Lediglich das Türgitter im Erdgeschoss, der Handlauf der Treppe und die absturzsichernden Geländer bestehen aus Metall. -jb
Bautafel
Architekten: De Gouden Liniaal Architecten, Genk
Projektbeteiligte: Util Struktuurstudies, Antwerpen (Tragwerkplanung); Craterre/Vessière&Cie/BC Studies (Beratung Stampflehm)
Bauherr: Regionaal Landschap Kempen en Maasland, Genk
Standort: Negenoord, Dilsen-Stokkem, Belgien
Fertigstellung: 2016
Bildnachweis: Filip Dujardin