Institut für Physik der HU in Berlin
Umbau einer denkmalgeschützten Industriehalle
Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt war mit ihren
aerodynamischen Versuchsbauten, Prüfständen, Hallen- und Bürobauten
im Areal Adlershof beheimatet. Der historische
Hochtechnologiestandort wurde nach der Wende zu einem
naturwissenschaftlichen Campus der Humboldt-Universität (HU)
umgewidmet. Um das vielfältige Raumprogramm des Instituts für
Physik unterzubringen, entstand vornehmlich ein Neubau, den das
Büro Augustin und Frank nach einem gewonnenen Wettbewerb plante und
ausführte. Auf dem benachbarten Grundstück stand eine
Stahlbeton-Skelett-Halle (Architekt: Hermann Brenner), in der
früher die Turbinentriebwerke geprüft wurden - deshalb
"Motorenhöhenprüfstand" genannt. Die Haupthalle ist ebenfalls eine
Stahlbeton-Skelettkonstruktion, deren fünf Konstruktionsachsen mit
tonnenförmigen Betonschalen geringer Schalendicke überwölbt sind.
Dieser Bau sollte Sonderfunktionen - z.B. einen Plasmagenerator
sowie einen Ionenbeschleuniger-, die aus dem Neubau ausgelagert
werden sollten, aufnehmen. Für diese Labore sollte der ehemalige
Motorenhöhenprüfstand - mittlerweile als Industriedenkmal (Bauzeit
ca. 1933) unter Schutz gestellt - umgebaut und instandgesetzt
werden. Der dreischiffige Hallenbau besteht aus einer Mittelhalle
mit einer Dachkonstruktion aus fünf weitgespannten,
segmentbogenförmigen Eisenbetonschalen und zwei seitlich mit
Pultdächern angeschlossenen Hallen unterschiedlicher
Entstehungszeit (Nordhalle ca.1935, Südhalle 1939).
Die Integration - neben diesem und anderer - technischer Denkmäler
trägt wesentlich zur besonderen Atmosphäre und zum Image in
Adlershof bei.
Gallerie
Sanierung/Modernisierung
Die Herangehensweise an den delikaten Charakter des Baus ist
pragmatisch und effektiv: Er sollte nicht museal konserviert,
sondern mit einer neuen Nutzung zum Leben erweckt werden. Typologie
und Charakter werden betont. Die aus der ursprünglichen Nutzung
noch vorhandenen technischen Installationen, Kranbahnen und
Windkanäle wurden behutsam saniert und integriert. Die
Nutzungsänderung sollte aufgrund heutiger Technologien die
räumliche Ausgestaltung nicht karikieren, sondern Neues neben Altem
gleichbedeutend positionieren. Die äußere Hülle des Gebäudes wurde
in ihrer ursprünglichen Form rekonstruiert, Umbauten wurden
hauptsächlich zur notwendigen Verbesserung der Bauphysik
erforderlich. Mit Ausnahme der Nordhalle, die 1972 zweigeschossig
ausgebaut und mit einer neuen, zweigeschossigen Fassade versehen
wurde, bot der Hallenraum des Stahlbetonskelettbaus räumliche
Möglichkeiten für unterschiedliche, auch temporäre Nutzungen. Die
Außenhaut der Haupthalle, bestehend aus Seitenwänden, die im
unteren Bereich mit Ziegelmauerwerk ausgemauert waren, oben jedoch
mit einer gekitteten Industrie-Verglasung in Walzstahlprofilen
ausgefacht, blieb im Wesentlichen erhalten und wurde nicht durch
eine wärmegedämmte Konstruktion ersetzt. Die seitlich angebauten
Hallenschiffe hatten ursprünglich die gleiche
Außenwandkonstruktion. Die Südhalle wurde mit sichtbar
vorgeblendeten Vorsatzschalen und zusätzlichen Innenverglasungen -
im Zwischenraum laufen textile Beschattungsmarkisen - versehen,
wogegen die um 1970 veränderte Fassade der Nordhalle mit einer
neuen Aussenhaut aus Sichtbeton-Fertigteilen und durchlaufenden
Fensterbändern ergänzt werden musste.
Das Gebäudeinnere besticht durch sein klares Konzept: Die
Laboreinbauten sind als Haus-in-Haus Konstruktionen mit eigener
Klimahülle in das Gebäude eingestellt. Sie wurden großflächig mit
transparenten, transluzenten und lichtstreuenden Materialien
verkleidet, um den Tageslichteinfall in die innenliegenden Räume
nach Bedarf steuern zu können. Die Südhalle mit ihren ehemaligen
Messständen nimmt Labore und Sonderlabore der Plasmaphysik auf und
steht für den Aufbau und die Erprobung neuer Versuche zur
Verfügung.
In der Nordhalle werden im Erdgeschoss Labore und im Obergeschoss
Büros untergebracht. Der vorhandene „Montageboden“ wurde mit einer
neuen Bodenplatte aus geglättetem Stahlbeton abgedeckt, da diese
bereits früher großflächig als Hohlraumböden mit
Installationskanälen ausgebildet waren. Die haustechnische
Versorgung ist im Untergeschoss der Haupthalle untergebracht.
Bautafel
Architekten: Augustin und Frank Architekten, Berlin
Projektbeteiligte: Georg Augustin, Ute Frank (Projektleitung); Jochen Albers, Philipp Welter (Mitarbeiter) ; Pichler Ingenieure, Andreas Schulz, Potsdam/Berlin (Tragwerksplanung); Ing. Ges. Kannewischer mbH, Berlin/Baden-Baden (Gebäudetechnik)
Bauherr: Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Fertigstellung: 2003
Standort: Institut für Physik der Humboldt Universität, Max-Born-Straße in Adlershof, Berlin
Bildnachweis: Werner Huthmacher, Berlin