Suurstoffi 22 in Risch-Rotkreuz

Schweizer Bürohochhaus in Holz-Hybrid-Bauweise

Industriebrachen sind nicht nur vor dem Hintergrund immer knapper werdender Flächenressourcen ein wichtiger Baustein der aktuellen Stadtplanung. Meist ursprünglich an Stadt- und Siedlungsrändern oder gar außerhalb der Stadtgrenzen gelegen, sind sie mittlerweile vielfach an die Stadtzentren herangerückt und bieten die Chance, in größerem Maßstab Quartiere zu entwickeln, die heutigen und zukünftigen Anforderungen an urbanes Leben gerecht werden.

Das Suurstoffi 22 gliedert sich in zwei Gebäudevolumen mit bis zu zehn Geschossen.
Eine offene Struktur des Erdgeschosses mit mehreren Zugängen und Foyers ermöglicht eine individuelle Zuordnung für unterschiedliche Mietparteien.
Die Skelett-Tragwerksstruktur lässt sich auch an der Fassadengestaltung deutlich ablesen.

Das Suurstoffi-Areal im schweizerischen Risch-Rotkreuz ist ein gutes Beispiel dafür. Auf dem knapp zehn Hektar großen ehemaligen Industriegelände sollen bis zum Jahr 2025 Wohnungen für 1.500 Bewohnerinnen und Bewohner, 2.000 Studierende der benachbarten Swiss International School (SIS) und über 2.500 Arbeitsplätze entstehen. Als sogenanntes Zero-Zero-Areal soll das neue Quartier ausschließlich mit erneuerbaren Energien auskommen und keinerlei Treibhausgase emittieren. Der Baustoff Holz spielt dabei eine zentrale Rolle. Neun Gebäude mit über 150 Wohneinheiten in Holzsystem- bzw. in Holz-Hybridbauweise sind mittlerweile fertig gestellt. Mit dem zehngeschossigen Suurstoffi 22 ist ein weiteres Gebäude dazugekommen. Geplant von Burkhard Meyer Architekten aus Zürich, ist es das erste Bürohochhaus aus Holz der Schweiz.

Stahlbeton und Baubuche

Da bei Planungsbeginn noch nicht feststand, wer in das Gebäude einziehen wird und um eine möglichst große Flexibilität zu gewährleisten, erfolgte die Gestaltung des Erdgeschosses als offene Struktur, die mehrere Zugänge, Abtrennungen und Erschließungen ermöglicht. Zoniert werden die Geschosse über den Innenhof und die Erschließungskerne. Sie erlauben die unabhängige Nutzung verschiedener Mietparteien über die einzelnen Etagen des Holzhochhauses. Die horizontale Aussteifung erfolgt durch die zentralen Erschließungskerne in konventioneller Stahlbeton-Bauweise. Die gewünschte Flexibilität wird durch die Holzskelettbauweise mit Vollholzstützen und Unterzügen aus Baubuche-Furnierschichtholz hergestellt. Durch ein hohes Maß an industrieller Vorfertigung ließ sich die Bauzeit auf zwei Jahre begrenzen, was jedoch eine äußerst detaillierte und exakt abgestimmte Planung im Vorfeld erforderte.

Eigens entwickeltes Verbund-Tragsystem

Für das Bürogebäude wurde ein individuelles Holz-Beton-Verbund-Tragsystem entwickelt. Die sichtbaren, in der Fassadenebene liegenden vertikalen Holzstützen aus Brettschichtholz sowie die innere, umlaufende Tragebene mit Stützen und Unterzügen aus Baubuche sind mit einer Holz-Beton-Verbunddecke kombiniert. In das dadurch entstehende Traggerippe sind wiederum Holz-Beton-Hybriddecken mit integrierten Systemelementen eingehängt, die der Klimatisierung des Gebäudes dienen.

Brandschutzaspekte

Erst die 2015 in der Schweiz in Kraft getretenen Brandschutzvorschriften, die unter gewissen Voraussetzungen Holzbauten mit einer Gesamthöhe bis maximal 100 Meter als Standardkonzept zulassen, ermöglichten den Bau des 36 Meter hohen Bürohauses. Nach der für den Bau gültigen Qualitätssicherungsstufe 3 (QSS) war die Zusammenarbeit des Architekturbüros mit Holzbauingenieuren und Brandschutzexperten eine zwingende Voraussetzung.

Vorbeugender und konstruktiver Brandschutz

Erster Aspekt des vorbeugenden Brandschutzes ist die sichere, selbstständige Entfluchtung aller Personen eines Gebäudes im Brandfall. Erst dann greift als nächster Schritt die Bergung durch die Einsatzkräfte der Feuerwehr. In der Regel erfolgt dies über den ersten Rettungsweg, meist fußläufig über ein zentrales Treppenhaus und notwendige Flure ins Freie. Der zweite Rettungsweg wird dabei in den meisten Fällen entweder über ein zweites, separates Treppenhaus sichergestellt oder über Balkone und Dachterrassen oder über die Fenster, die eine gewisse Mindestgröße haben müssen.

Sicherheitstreppenhäuser

Weil wie bei allen Hochhäusern auch im Suurstoffi 22 eine Bergung mittels Hubrettungsfahrzeuge der Feuerwehr nicht mehr möglich ist, kamen hier Sicherheitstreppenhäuser zur Ausführung. Sicherheitstreppenhäuser haben grundsätzlich die Brandschutzanforderung F90, in der Schweiz in diesem Fall REI 90-RF1. REI 90-RF1 steht für „tragende Bauteile mit Raumabschluss” mit einer Feuerwiderstandsdauer von mindestens 90 Minuten sowie nicht brennbaren Baustoffen und damit ohne eigenen Brandbeitrag (RF1). Erfüllen ließen sich die Anforderungen durch die Ausführung der Treppenhäuser in Stahlbeton. Wie auch in konventionellen Hochhäusern üblich, wurden die beiden Sicherheitstreppenhäuser und der Feuerwehraufzug mit einer Rauchschutz-Druckanlage gegen das Eindringen von Rauch geschützt. Sicherheitsbeleuchtung, Fluchtwegsignale, Löscheinrichtungen, Blitzschutz und dgl. ergänzen die Brandschutzausführungen gemäß der behördlichen Verordnungen.

Brandschutzbekleidung und multifunktionale Deckenelemente

Die Außenwände in Holzbauweise wurden brandschutztechnisch mit einer Brandschutzbekleidung K 60-RF1 umhüllt, die Fassaden bedecken nicht brennbare Verbundplatten. Da das Material Holz der Tragkonstruktion auch im Inneren des Bürohauses sichtbar sein sollte, wurden diese Teile ohne zusätzliche Brandschutzbekleidung ausgeführt. Um dies zu ermöglichen, wurde das Gebäude vollständig mit einer Sprinkleranlage ausgestattet. Diese befindet sich in den im Werk vorgefertigten Deckenelementen, die zwischen den horizontalen Unterzügen lediglich eingehängt wurden. Sie sind bereits inklusive Unterkonstruktion und Leitungsverteilung der HKLS-Bauteile an die Baustelle geliefert worden und mussten nur noch mittels Schraubverbindungen montiert werden. Die multifunktionalen Deckenelemente enthalten Heizung, Lüftung, Kühlung und fungieren zudem auch als Akustikdecke. Die ins Traggerippe der Holz-Beton-Hybriddecken eingehängten Systemdeckenelemente sind für die spezifischen Anforderungen eines Bürogebäudes konzipiert und sichern in Kombination mit der thermischen Aktivierung des Betons eine effiziente Regulierung des Raumklimas und der Raumakustik. Darüber hinaus haben sie eine brandabschnittbildende Funktion.

Brandmeldeanlage

Zur Erhöhung des Personen- und Sachwertschutzes ist das Gebäude mit einer Brandmeldeanlage als Teilüberwachung ausgerüstet. Die technischen Brandschutzmaßnahmen dienen der Ansteuerung verschiedener Brandschutzeinrichtungen und gewährleisten die sofortige Alarmierung, sowohl der Nutzer des Gebäudes wie auch der Leitzentrale der Feuerwehr.

Bautafel

Architekten: Burkard Meyer Architekten, Baden
Beteiligte: Daniel Krieg, Thomas Wernli (Projektleitung); Markus Tschannen, Franziska Hellstern, Cyril Kunz, Oliver Dufner, Daniel Krieg, Adrian Meyer, Andreas Signer mit Tobias Burger, Fabian Obrist (Mitarbeiter); Erne Holzbau, Stein (Bauleitung); Kalt+Halbeisen Ingenieurbüro, Zürich (HLKS-Planung); Enerpeak, Dübendorf (Elektroplanung); Bakus Bauphysik und Akustik, Zürich (Bauphysik); Makiol Wiederkehr, Beinwil am See (Brandschutz); Gruner Roschi, Köniz (Rauchschutz-Druck-Anlagen); Erne Holzbau, Stein (Holzingenieur-Planung)
Bauherr/in: Zug Estates, Zug
Fertigstellung: 2018
Standort: Suurstoffi 22, 6343 Risch-Rotkreuz
Bildnachweis: Roger Frei, Zürich; Markus Bertschi, Zürich; Erne Holzbau, Laufenburg

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