Sudetendeutsches Museum in München

Monolithisch markanter Erweiterungsbau

Sudetendeutsche – ein Begriff, den viele wohl schon gehört haben, jedoch nur in den seltensten Fällen wissen, was sich dahinter verbirgt. Eine Volksgruppe, ein Stamm, eine Nation, ehemalige Aussiedler? Die Sudetengebiete im heutigen Tschechien mit den ehemaligen Ländern Böhmen, Mähren und Schlesien wurden im 12. und 13. Jahrhundert vor allem von Bauern, Handwerkern, Bergleuten, Mönchen und Kaufleuten aus Bayern, dem Rheinland, aber auch aus Sachsen und Schlesien besiedelt, die auf Einladung der böhmischen und mährischen Herrscher kamen. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft prägten die Neubürger die damaligen Städte und Landschaften nachhaltig. Ende des 19. Jahrhunderts begann sich der Sammelbegriff Sudetendeutsche einzubürgern. Während des Zweiten Weltkriegs wurden etwa drei Millionen von ihnen vertrieben, fast die Hälfte fand nach dem Krieg im Freistaat Bayern eine neue Heimat.

Zur Straße zeigt sich der Baukörper mit einer fensterlosen, auch das Dach einschließenden Hülle aus Kalksandstein.
In seiner Höhenentwicklung nimmt das Museum die Trauf- und Firsthöhen der Nachbarhäuser Bestandsgebäude auf und steigt dann nach Süden in die Höhe.
Vorplatz mit zurückgesetztem Eingang unter der südlichen Gebäudespitze.

Das Sudetendeutsche Museum im Münchener Stadtteil Au widmet sich dem Kulturerbe und der Geschichte der deutschsprachigen Bevölkerung in den Grenzregionen von Böhmen, Mähren und Schlesien vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Entworfen wurde es von pmp Architekten, die 2014 den entsprechenden, nichtoffenen europaweiten Realisierungswettbewerb gewonnen hatten.

Der Museumsneubau ergänzt das Sudetendeutsche Haus, das seit Mitte der 1980er-Jahre verschiedenen Institutionen, darunter eine Stiftung, ein Archiv, eine Zeitungsredaktion und eine Akademie beherbergt. Er entstand an einem steil abfallenden Hang des Isarhochufers auf einem knapp 3.300 Quadratmeter großen Grundstück und verfügt über eine Bruttogeschossfläche von rund 11.800 Quadratmetern, die sich auf vier ober- und zwei unterirdische Geschosse verteilen. In seiner Höhenentwicklung nimmt das Museum die Trauf- und Firsthöhen der benachbarten Bestandsgebäude auf und schließt sie als markanter Kopfbau nach Süden hin ab.

Monolithisch mit einer zur Straßenseite fast gänzlich geschlossenen Kalksandsteinfassade und einem aus dem gleichen Material bestehenden Dach, öffnet sich das Museum zunächst nur durch das im Eingangsbereich zurückgesetzte und verglaste Sockelgeschoss nach außen. Neben dem Eingang findet sich das Leitthema der Ausstellung. In Leuchtschrift ist dort das Zitat des früheren tschechischen Präsidenten Václav Havel aus seiner Rede 1997 vor dem Deutschen Bundestag abgebildet: „Nichts Geringeres und nichts Größeres als das Erlebnis namens Heimat”.

Über einen kleinen Vorplatz geht es hinein ins Foyer und den Erschließungskern mit Aufzugs- und Treppenanlage. Im obersten Geschoss beginnt der Ausstellungsrundgang mit einem Blick über die Münchener Innenstadt. Von hier geht es über die offene Treppe hinab durch die fünf Ausstellungsebenen. Dabei gewährt der von außen so verschlossen und introvertiert scheinende Bau überraschende Ausblicke durch eine gläserne Fuge über die gesamte Gebäudehöhe. Sie ist nach Westen zur Hangkante der Isar ausgerichtet und kennzeichnet die Schnittstelle zwischen Neubau und Bestand. Gleichzeitig dient sie als Orientierungshilfe innerhalb des Ausstellungsrundgangs. Auf Straßenebene endet der Rundgang. Hier befindet sich der Übergang zu ergänzenden Einrichtungen im Bestand, eine Ebene tiefer geht es ins Café mit Außenterrasse, von der aus das Museum über Treppen mit dem Wegenetz des Grünraums der Isar verbunden ist.

Rettungswege

Vorrangiges Ziel des Brandschutzes ist die Rettung von Menschenleben im Brandfall. Erster Aspekt der Brandschutzplanung ist die Selbstrettung, d.h. die eigenständige Flucht der Personen, die sich im Gebäude aufhalten. Schlüsselstelle ist hier der erste Rettungsweg – meist Treppen aus den Obergeschossen und dann der freie Weg nach draußen. Als nächstes greift die Rettung durch Einsatzkräfte der Feuerwehr – als Sicherstellung des zweiten Rettungsweges, in der Regel über Fenster, Balkone, Dachterrassen mittels Leitern und Hubrettungsfahrzeugen oder über ein separat nutzbares weiteres Treppenhaus. Alternativ besteht die Möglichkeit eines Sicherheitstreppenhauses, das besonderen Sicherheitskriterien unterliegt.

Zweiter Rettungsweg über die interne Erschließung

Ursprünglich sollte die Gewährleistung der Rettungswege aus dem Neubau über ein mit Druckluft ausgestattetes Sicherheitstreppenhaus erfolgen. Durch die Druckluft wird ein Überdruck erzeugt, der das Eindringen von Feuer und insbesondere von Brandrauch und -gas verhindern soll. Weil sich im Zuge eines Wechsels des Fachplanungsbüros herausstellte, dass der geplante Sicherheitstreppenraum im Neubau nicht funktionstüchtig ausgeführt werden konnte, musste eine Alternative gefunden und die Rettungswegführung aus dem Museumsbereich geändert werden.

Der erste Rettungsweg verläuft nun im Erdgeschoss über das Foyer direkt ins Freie. Aus den Obergeschossen gelangen die Menschen im Gefahrenfall über den notwendigen Treppenraum, der gemäß Bayerischer Bauordnung (BayBO) im Bereich des Aufzugs mit vorgeschalteten Schleusen ins Erdgeschoss versehen ist und von dort wiederum nach draußen. Die Schleusen wurden mit jeweils zwei T30-RS-Türen als verbesserte Varianten hergestellt, um das Schutzniveau gegenüber einem normalen notwendigen Treppenraum zu erhöhen. Überströmöffnungen in den Wänden zwischen den Schleusen / Vorräumen und dem notwendigen Treppenraum des Neubaus stellen einen Druckausgleich her, um die Funktionsfähigkeit bzw. das Schließen der Feuerschutztüren innerhalb der Rettungswege jederzeit sicherzustellen.

Üblicherweise erfolgt die Rettung über den zweiten Rettungsweg von außen durch Einsatzkräfte der Feuerwehr oder einen zusätzlichen, separaten Treppenraum. Gemäß des Brandschutzkonzepts wurde die offene Treppe der internen Ausstellungserschließung als zweiter Rettungsweg ausgewiesen. Dies war als Abweichung von den Anforderungen der BayBO möglich, da im gesamten Museumsneubau eine flächendeckende automatische Sprinkleranlage, eine automatische Brandmeldeanlage sowie nichtautomatische Brandmelder mit angeschlossener Alarmierungseinrichtung installiert wurden. Als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme wurde von jeder Ausstellungsebene ein weiterer Ausgang über die Brandwand in das benachbarte Bestandsgebäude geschaffen. T90-RS-Türen ermöglichen eine Flucht auch in diesen separaten Brandabschnitt.

Brandmeldeanlage

Gemäß Brandschutzkonzept und Definition der BayBO ist der gesamte Gebäudekomplex, bestehend aus Neubau und Bestand, als Gebäudeklasse 5 und Sonderbau eingestuft und verfügt dementsprechend über eine Brandmeldeanlage sowie über eine automatische Feuerlösch- und Alarmierungsanlage. Zur Brandmeldeanlage, die direkt auf die Einsatzzentrale der Feuerwehr aufgeschaltet ist, gehören automatische Brandmelder, die alle Räume, Installationsschächte und -kanäle, Hohlräume von Systemböden und Hohlräume von Unterdecken vollständig überwachen. Alle Zugänge zu den notwendigen Treppenräumen bzw. im Verlauf der Rettungswege sind mit nichtautomatischen Brandmeldern (Handfeuermelder) mit Durchschaltung zur Einsatzzentrale der Feuerwehr ausgestattet.

Die Brandmeldeanlage wurde gemäß DIN 14675-1: Brandmeldeanlagen – Teil 1: Aufbau und Betrieb sowie DIN VDE 0833-2 Gefahrenmeldeanlagen für Brand, Einbruch und Überfall geplant, installiert und überwacht. Im Museum, in der Tiefgarage sowie in Räumen mit besonderer Brandgefährdung (Technikräume) wurden Rauchmelder der Kategorie 2 nach DIN 14675 installiert (s. Fachwissen zum Thema: Planung von Brandmeldeanlagen).

Die Tiefgarage des Museums wird durch eine flächendeckende automatische Löschanlage nach VdS CEA 4001: Richtlinien für Sprinkleranlagen, Planung und Einbau in Verbindung mit der DIN VDE 0833-2 überwacht und erfüllt damit die Anforderung der VDE 0833-2, Punkt 6.1.3.2, nach der Ausstattung mit einer Brandmeldeanlage BMA als Vollschutz der Kategorie 2.

Bautafel

Architektur: pmp Architekten, München, Projektleitung: Johannes Probst, Mitarbeitende: Andrei Capusan, Kerstin Elsenberger, Julia Fritzenwenger, Conny Kestel, Udo Lewerenz, Nelli Maier, Michael Obal, Angelika Probst, Laura Probst, Jessica Steckmann
Projektbeteiligte: Wetzel & von Seht, Hamburg; bbi bracher bock ingenieure Partnerschaft für Tragwerksplanung, München (Tragwerksplanung); Energietechnik Müller; Gräfelfing; Ottitsch, München; WSP Group Germany, München (HLSK); Duschl Ingenieure; Rosenheim (Elektroplanung); Sacher Ingenieure & Sachverständige, München (Brandschutz); Wolfgang Sorge Ingenieurbüro für Bauphysik, Nürnberg (Bauphysik)
Bauherr/in: Freistaat Bayern, Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales vertreten durch das Staatsbauamt Rosenheim
Fertigstellung: 2020
Standort: Hochstraße 8-10, 81669 München
Bildnachweis: Florian Holzherr, Gauting

Fachwissen zum Thema

Die Musterhochhausrichtlinie fordert gemäß Nr. 6.4 für Hochhäuser eine Brandmeldeanlage sowie Alarmierungs- und Lautsprecheranlagen; für bestimmte Fälle gelten Ausnahmen.

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Grafik: Übersicht Gebäudeklassen

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Planung von Brandmeldeanlagen

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Notwendige Treppen und notwendige Treppenräume bilden zusammen das System der vertikalen Flucht- und Rettungswege.

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Flucht-/​Rettungswege

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