Passivhaus Bruck in Changxing

Erstes zertifiziertes Passivhaus-Wohngebäude im subtropischen Südosten Chinas

Während sich Passivhäuser mit ressourcen- und umweltschonenden Energiekonzepten in unseren Breiten schon längst etabliert haben, sind sie in subtropischen Klimazonen eher ein Novum. Im ostchinesischen Changxing, rund 150 Kilometer westlich von Shanghai, wurde nach Plänen des Berliner Büros Peter Ruge Architekten das Passivhaus Bruck für einen Immobilienentwickler fertiggestellt und als erstes Wohngebäude in der Volksrepublik vom Passivhausinstitut Darmstadt zertifiziert. Mit einem Primärenergiebedarf von 109 kWh/m²a ist es im Vergleich zu konventionellen chinesischen Wohngebäuden knapp 95% sparsamer.

Südfassade: Die Außenwände bestehen aus 40 cm starkem Ziegelmauerwerk, WDVS und dreifachverglasten Sonnenschutzfenstern
Südansicht: Auf einer Bruttogeschossfläche von 2.200 m² beherbergt das Gebäude insgesamt 36 Einzimmer-Appartements, sechs Zweizimmer- und vier Vierzimmer-Wohnungen
Über ein großes verglastes Foyer im Erdgeschoss gelangen die Bewohner und Besucher zu den Wohnungen in den Obergeschossen

Der fünfgeschossige Bau gilt als Pilotprojekt. Auf einer Bruttogeschossfläche von 2.200m² beherbergt er insgesamt 36 Einzimmer-Appartements, sechs Zweizimmer- und vier Vierzimmer-Wohnungen. Um möglichst vielen Chinesen die Möglichkeit zu geben, die Scheu gegenüber Passivhäusern abzubauen und eigene Erfahrungen mit nachhaltigem Wohnen zu sammeln, wird das Gebäude zunächst als Musterwohnhaus auf Probe und als Hotel genutzt. Über ein großes verglastes Foyer im Erdgeschoss gelangen die Bewohner und Besucher zu den Wohnungen in den vier Obergeschossen. Die Erschließung ist an der Nordseite des Gebäudes angeordnet, und die zahlreichen Einzimmer-Appartements, aus denen im 4. Obergeschoss Zweizimmer-Wohnungen werden, sind vorwiegend nach Süden ausgerichtet. An der östlichen Stirnseite liegt auf jedem Obergeschoss eine Vierzimmer-Wohnung mit Fenstern nach Süden und Norden.

Bei dem in Südchina vorherrschenden feuchtwarmen Klima mit Temperaturen von 40°C und einer Luftfeuchte von bis zu 90% stand naturgemäß nicht die Beheizung des Gebäudes im Fokus, sondern der sommerliche Wärmeschutz mit einer möglichst energieeffizienten Kühlung. So erhielt der Skelettbau zunächst eine luftdichte und weitestgehend wärmebrückenfrei ausgeführte Gebäudehülle mit 40 cm starken Außenwänden aus Ziegelmauerwerk und einem Wärmedämmverbundsystem aus expandiertem Polystyrol-Hartschaum (EPS). Dreifachverglaste Sonnenschutzfenster und eine gedämmte Dachkonstruktion aus Leichtbeton sorgen für eine weitere Reduzierung des Wärmeeintrags ins Gebäude.

Die Gebäudehülle steht ganz im Dienste der Verschattung und wird aus geschosshohen, vertikal und fest montierten Terrakottastäben gebildet. In engen, unregelmäßigen Abständen verlaufen die feingliedrigen Elemente in warmem Hellgelb und Rotbraun vor den Außenwandflächen und den meisten Fenstern. Zur Verschattung der zahlreichen nach Süden weisenden Fenster dienen feststehende, einen Meter weit auskragende Laibungselemente. Sie hängen wie Hauben geschossweise versetzt vor zumeist zwei Fenstern und dienen vor den Vierzimmer-Wohnungen, ergänzt um eine Bodenplatte, auch als loggienähnlicher Austritt.

Gebäudetechnik
Aufgrund des feuchtwarmen Klimas des Standorts sind eine energieintensive Kühlung und das Entfeuchten der Zuluft im Sommer entscheidende Kriterien für die thermische Behaglichkeit im Innenraum. Während der Jahresheizwärmebedarf des Gebäudes bei 15 kWh/m²a liegt, ist sein Bedarf an Kühlenergie mit 33 kWh/m²a mehr als doppelt so hoch. So entwickelten die Planer ein semi-zentrales Konzept aus drei Lüftungsanlagen mit Wärme- und Feuchterückgewinnung. Die feuchte und in den Sommermonaten auch sehr warme Außenluft wird vor dem Eintritt ins Gebäude abgekühlt und entfeuchtet. Primäre Kühlerzeuger hierfür sind zwei elektrisch betriebene Luft-Luft-Wärmepumpen auf dem Dach des Wohnhauses. Mit Leistungen von 55,3 und 89,1 kW versorgen sie die Lüftungsgeräte und zuschaltbaren Umluftgeräte mit Kühlenergie.

Das Lüftungssystem ist in die drei Bereiche Foyer, Appartements und Musterwohnungen unterteilt. Das Lüftungsgerät für das Foyer wurde in einem benachbarten Technikraum untergebracht, die anderen beiden befinden sich auf dem Dach des Hauses. Die Appartements sind über Versorgungsschächte mit der Anlage verbunden. Über abgehängte Decken entlang der Fassade gelangen stündlich 40m³ Frischluft mit 0,6-fachem Luftwechsel in die einzelnen Einheiten. Die verbrauchte Luft wird in den Bädern wieder abgesaugt. Sollte es den Nutzern dennoch einmal zu warm werden, können sie für einen begrenzten Zeitraum von täglich zwei Stunden zusätzlich kalte Luft über ein zuschaltbares Umluftgerät beziehen.

Neben den Komponenten des Lüftungssystems wurde auf dem Dach eine solarthermische Anlage installiert. Die Solarkollektoren bilden eine Fläche von knapp 66m² und sorgen für die Erwärmung des Trinkwassers, das in einem großen Tank bereitgestellt wird. Rein rechnerisch sollen sich mit den Erträgen 82% des jährlich anfallenden Warmwasserbedarfs abdecken lassen. Die darüber hinaus benötigte Wärme stellt ein elektrisches Heizelement bereit, das seinen Strom aus dem öffentlichen Netz bezieht. -kt

Bautafel

Architekten: Peter Ruge Architekten, Berlin
Projektbeteiligte: Shanghai Landsea Planning & Architecture Design, Shanghai (Statik und TGA); Passivhaus Institut, Darmstadt (Thermische Bauphysik); Jiangsu Nantong Erjian Group, Jiangsu (Ausführung); Ingenieurbüro Meyer-Olbersleben, Lüneburg (Blower-Door-Test); Jiangsu Nantong Erjian Group, Shanghai (Bauunternehmen); Deutsche Energie-Agentur (dena), Berlin (Bauqualitätsworkshop);
Energydesign, Shanghai (DGNB-Beratung); Drees & Sommer Sustainable Engineering Consulting, Shanghai (Bauqualitätssicherung)
Bauherr: Landsea Europe R&R, Frankfurt am Main
Fertigstellung: 2014
Standort: Changxing, Huzhou, Zheijang Provinz, China
Bildnachweis: Jan Siefke, Shanghai

Baunetz Architekt*innen

Fachwissen zum Thema

Das Gebäudeenergiegesetz schreibt den Einsatz erneuerbarer Energien beim Neubau vor. Im Bild: Schulbau mit Solarthermie an der Fassade

Das Gebäudeenergiegesetz schreibt den Einsatz erneuerbarer Energien beim Neubau vor. Im Bild: Schulbau mit Solarthermie an der Fassade

Planungsgrundlagen

Veränderte Gebäudetechnik durch Baustandards

Funktionsweise einer Wärmepumpe 1. Wärmetauscher (Verdampfer) 2. Verdichter 3. Zweiter Wärmetauscher (Verflüssiger) 4. Expansionsventil

Funktionsweise einer Wärmepumpe 1. Wärmetauscher (Verdampfer) 2. Verdichter 3. Zweiter Wärmetauscher (Verflüssiger) 4. Expansionsventil

Erneuerbare Energien

Wärmepumpen

Bauphysik

Wärmeschutz: Allgemeine Anforderungen

Dezentrales Lüftungsgerät im Wohnraum

Dezentrales Lüftungsgerät im Wohnraum

Lüftung

Wohnungslüftungsanlagen

Bauwerke zum Thema

Das neue Gymnasium liegt im Zentrum von Frankfurt-Riedberg, der Haupteingang befindet sich an der Ostseite des Schulkomplexes (in der Abb. in der Gebäudeecke zwischen Aula, links, und Klassentrakt rechts)

Das neue Gymnasium liegt im Zentrum von Frankfurt-Riedberg, der Haupteingang befindet sich an der Ostseite des Schulkomplexes (in der Abb. in der Gebäudeecke zwischen Aula, links, und Klassentrakt rechts)

Kultur/​Bildung

Riedberg-Gymnasium in Frankfurt/Main

Bei der Konzeption des Gebäude orientierten sich die Architekten an den Kubaturen traditioneller Wohnhäuser und Scheunen im Départment Val-d´Oise

Bei der Konzeption des Gebäude orientierten sich die Architekten an den Kubaturen traditioneller Wohnhäuser und Scheunen im Départment Val-d´Oise

Wohnen

Wohnhaus in Bessancourt

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Baunetz Wissen Gebäudetechnik sponsored by:
Stiebel Eltron | Kontakt 0 55 31 - 702 702 | www.stiebel-eltron.de