Erweiterung Gemeinschaftsschule in Radolfzell

Glas-Holzbau in Passivhaus-Niveau

Für Planende stellt sich vor dem Hintergrund der Klimadiskussionen immer wieder die Frage, wie viel Technik in einem Gebäude wirklich nötig ist bzw. wie deren Einsatz minimiert werden kann. Bei der Erweiterung der Gemeinschaftsschule Ratoldus in Radolfzell haben die Büros D’Aloisio Architekten und Helmut Dury einen Holzbau mit Glasfassade entwickelt, bei dem das Innenraumklima eine zentrale Rolle spielt. Das Gebäude wurde mit dem Effizienzpreis Bauen und Sanieren Baden-Württemberg in Silber ausgezeichnet.

Der Neubau ist als Holzskelettbau mit Glashülle konstruiert.
Eine Pergola verbindet Klassenzimmertrakt und Mensabau miteinander, wodurch der Schulhof gefasst wird.
Die äußere Glashülle schützt die Holzkonstruktion vor der Witterung.

Radolfzell liegt malerisch am Untersee, der kleineren der beiden Wasserflächen des Bodensees. Im Südwesten der Stadt befindet sich die Gemeinschaftsschule Ratoldus, deren Historie als Grundschule bis in die Mitte der 1950er-Jahre zurückreicht. Das damals gebaute Schulhaus ist typisch für diese Zeit: ein zweckmäßiger Stahlbetonbau, drei Geschosse hoch, mit Satteldach und großen Fensteröffnungen zum Schulhof hin, über die Jahrzehnte immer wieder baulich ergänzt und umstrukturiert. Um im Zuge des Umbaus zu einer Gemeinschaftsschule Platz für neue Klassen zu schaffen, wurde südlich und östlich des Bestands zwei Erweiterungsbauten errichtet, deren L-förmige-Anordnung den Pausenhof fasst. An der Ostseite entstand ein neuer, zweigeschossiger Klassenzimmertrakt, an der Südseite ein eingeschossiger Mensabau. Eine Pergola verbindet beide.

Holzbau mit Glasfassade

Wegen der teils nur wenig tragfähigen Bodenbeschaffenheit in Radolfzell durch alte Seeablagerungen und durch unterschiedliche Grundwasserstände haben sich die Planenden entschieden, den Neubau nicht zu unterkellern, sondern ihn auf rund achtzig duktile Rammpfähle und eine Stahlbetonbodenplatte zu stellen. Er ist als Holzskelettbau konstruiert, der wie eine Art Stecksystem funktioniert, in dem die Elemente lediglich miteinander verschraubt sind. Die Innenwände bestehen aus 10 bis 12 cm starken Brettsperrholzelementen, die beidseitig mit Holzpaneelen beplankt wurde. Die Decken sind unterseitig mit Holz-Akustikplatten verkleidet, der Zwischenraum bietet Platz für die Installationsleitungen und Einbauleuchten. Die schlanken Holzdecken sind weit gespannt, wodurch eine flexible und modulare Grundrissgestaltung mit wenigen Querwänden ermöglicht wird.

Bei der Fassadengestaltung haben sich die Planenden für eine zweischalige, hinterlüftete Konstruktion aus Glas entschieden. Die eigentliche thermische Trennung zwischen innen und außen stellen aber die raumhohen Holzrahmenfenster mit 3-fach-Verglasung dar, die von den tragenden Fassadenpfosten in einem Rasterabstand von 1,25 m aufgenommen werden. Die Ganzglashülle aus Einfachglas ist in einem Abstand von gut einem halben Meter vorgesetzt. Sie liegt auf kurzen Stahlschwertern auf, die auf den auskragenden Deckenträgern befestigt sind. Zwischen den Gläsern gibt es eine Fuge von rund 2 cm, wodurch Außenluft in den Zwischenraum gelangt und dort zirkulieren kann. Dadurch bleibt das Holz trocken, was schlussendlich wichtig für das Dämmverhalten ist. Da das Holzkonstruktion durch die Glashülle wettergeschützt ist, reichte es, das Holz zu ölen und mit einem farblosen UV-Schutz-Anstrich zu versehen. Im Fassadenzwischenraum befindet sich außerdem windgeschützt die Verschattung als motorisierte und tageslichtgesteuerte Senkrechtmarkisen.

Einsparpotenzial Gebäudetechnik

Die Gebäudehülle des Holzbaus erfüllt bereits den Passivhausstandard, weiteres Potenzial zur Einsparung war hier also kaum vorhanden. Die Beheizung des Gebäudes (45 kW) erfolgt über einen Anschluss an die Heizzentrale im Bestandsbau, die Wärme wird in den Räumen über eine Fußbodenheizung verteilt (Gesamtfläche rund 2.200 m²). Die Beleuchtung erfolgt ausschließlich über LEDs. Wirkliches Einsparpotenzial gab es also bei der Belüftung, die in einem Schulgebäude von großer Bedeutung ist, denn ein stetiger und effektiver Luftaustausch ist wichtig für die Gesundheit und die Konzentrationsfähigkeit. Eine Fensterlüftung ist nicht vorgesehen, also liegt der Fokus auf einer kontrollierten Be- und Entlüftung.

So ist auf dem Dach auf einer Fläche von rund 250 m² (von unten nicht sichtbar) eine Lüftungsanlage installiert. Die Kühlung in der Anlage erfolgt adiabat. Durch eine Wärmerückgewinnung werden über 90 Prozent der Wärmeenergie aus der Abluft für die Erwärmung der Zuluft eingesetzt, wobei die Abwärme etwa von der Beleuchtung oder verschiedenen Maschinen, aber auch die Körperwärme der Menschen sowie die passive Solarwärme genutzt werden können. Die Verteilung erfolgt über Lüftungskanäle, die von oben über vertikale Steigleitungen in die Klassenräume stoßen und im Deckenzwischenraum der Akustikabhangdecke horizontal verborgen sind. Insgesamt werden rund 17.000 m³ Luft pro Stunde im Schultrakt umgewälzt, die Mensa wird mit rund 4.000 m³ pro Stunde versorgt. Das Gebäude wurde nach der zum Planungszeitpunkt gültigen EnEV geplant, gedämmt und luftdicht ausgeführt. Somit hat das Gebäude heute einen Primärenergiebedarf von 74 kWh/m²a, einen Endenergiebedarf von 57,6 kWh/m²a und einen Jahresheizwärmebedarf von 18,4 kWh/m²a. -tg

Bautafel

Architektur: D’Aloisio Architekten, Konstanz; Architektourbüro Helmut Dury, Reichenau
Projektbeteiligte: Baustatik Relling, Singen (Tragwerksplanung); Planungsbüro Schwald, Steißlingen (TGA-Planung HLS); Müller & Bleher, Radolfzell (TGA-Planung ELT); GSA Körner, Reichenau (Bauphysik); mhd Brandschutz Architekten und Ingenieur, Konstanz (Brandschutzplanung); Optima Planungsbüro, Sauldorf (Küchenplanung);
Bauherr/in: Stadt Radolfzell
Fertigstellung: 2019
Standort: Ratoldusstr. 29-31, 78315 Radolfzell
Bildnachweis: Wolfram Janzer, Stuttgart; D’Aloisio Architekten, Konstanz

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