Amazonienhaus der Wilhelma in Stuttgart

Urwald unter Verbundglas

Bis zu zwei Millionen Besucher jährlich lockt die Tier- und Pflanzenwelt des zoologisch-botanischen Gartens Wilhelma in Stuttgart an. Mit fast 9.000 Tieren und knapp 1.100 Arten auf 30 Hektar Fläche ist er nach dem Zoologischen Garten Berlin der zweitartenreichste Zoo Deutschlands. Die aus einer historischen Schlossanlage entstandene innerstädtische Park- und Gartenanlage wurde bereits 1853 eröffnet. Das besondere der Anlage ist die Mischung aus modernen Tiergehegen und den Gebäuden im maurischen Stil, die im 19. Jahrhundert nach Wünschen des damaligen Königs von Württemberg entsprechend dem Vorbild der spanischen Alhambra entstanden.

Das Gewächshaus zeigt einen Ausschnitt des Regenwaldes
Blick von unten auf die Glashülle
Verglasung aus Verbundglas mit hohem UV-Transmissionsgrad

Eine der größten Attraktionen ist das im Jahr 2000 eingeweihte Amazonienhaus. Mit 350 verschiedenen Pflanzenarten zeigt die einschiffige, 66 m lange, 18 m breite und 14 m hohe Halle des Gewächshauses einen Ausschnitt des Regenwaldes. Um die Verhältnisse eines Urwaldes möglichst natürlich darzustellen, werden die Besucher nicht wie üblich auf festen Wegen durch das Gebäude geleitet, sondern auf einem schmalen, mit Rindenmulch ausgestreuten Waldpfad entlang zweier größerer Gewässer mit Wasserfällen durch die Flora und Fauna Amazoniens geführt. Mehr als 20 Vogelarten fliegen frei durch die üppige, südamerikanische Vegetation.

Ganzjährig sorgen Temperaturen von 24°C bis 28°C und eine 80-prozentige Luftfeuchtigkeit für ein pflanzengerechtes Klima. 48 Leuchten unterstützen bislang das durch Glasdach und -wände einfallende Tageslicht. Da die beim Bau eingebaute Verglasung jedoch nicht mehr ausreichend Sonnenstrahlung durchließ, um das Pflanzenwachstum zu garantieren, entschlossen sich das Land Baden Württemberg und die Wilhelma zum Komplettaustausch der alten Verglasung.

Glas
Vor allem der zunehmende Mangel an ultravioletten Lichtanteilen erwies sich als problematisch. Zwar lassen sich mit einer einfachen Isolierglasscheibe und einer leichten Wärmeschutzschicht sehr gute Ergebnisse bezüglich der Durchlässigkeit für UV-Strahlung erzielen, jedoch ist im Amazonienhaus eine Überkopfverglasung aus Verbund-Sicherheitsglas (VSG) notwendig. Da VSG üblicherweise mit einer UV-absorbierenden PVB-Folie versehen ist, die weniger als 1% der für die Pflanzen notwendigen Strahlung durchlässt, blieb diese Verglasungsvariante ausgeschlossen.

Verwendet wurde schließlich ein VSG, das aus dünnen Monogläsern besteht, die mit einem transparenten Kunststoffkern schubsteif verklebt sind. Die Verglasung verfügt über eine hohe Bruch- und Resttragfähigkeit bei gleichzeitiger Gewichtseinsparung. Für die Fassaden- bzw. Überkopfverglasungen im Dachbereich wurden Isoliergläser bestehend aus einer 8 mm bzw. 10 mm Weißglasscheibe mit Low-E Beschichtung, einem Scheibenzwischenraum von 16 mm mit Argongasfüllung und einer 10 mm starken Weißglasscheibe ausgeführt. Dabei wurden die bauaufsichtlichen Anforderungen, die im Zuge der Zustimmung im Einzelfall gestellt wurden, erfüllt.

Der Scheibenverbund erreicht einen UV-Transmissionsgrad von etwa 37% bei einem g-Wert von ca. 0,54. Durch die Argonfüllung im Scheibenzwischenraum und die Wärmeschutzbeschichtung wird ein Wärmeübergangskoeffizient von 1,1 W/m²K und damit ein besonders guter Dämmwert erreicht. Der Lichttransmissionsgrad liegt bei ca. 81%. Um den Randverbund der Verglasung zu schützen, wurde beim Einbau der Verglasung darauf geachtet, dass die Innenluft mit einer Luftfeuchtigkeit von ca. 60 – 80% nicht in den Falzraum der Konstruktion gelangt. Hierzu bauten die Glaser spezielle Auflageprofile ein und verklebten diese umlaufend mit Silikon. Auf der äußeren Dichtebene sorgen mehrere Entlüftungsöffnungen dafür, dass anfallender Wasserdampf nach außen abgeleitet wird.

Bautafel

Architekt: Auer und Weber und Assoziierte, Stuttgart
Projektbeteiligte: Roschmann Konstruktionen aus Stahl und Glas, Gersthofen (Sanierung und Montage); Rentschler und Riedesser, Filderstadt (Planung Gebäudetechnik); Schollglas Technik Sachsen, Nossen OT Heynitz (Glaslieferant)
Bauherr: Wilhelma, Stuttgart
Fertigstellung: Eröffnung 1999; Sanierung 2009
Standort: Haupteingang Neckartalstraße 9, Stuttgart
Bildnachweis: Schollglas, Nossen

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