Umbau Schuppen Eins in Bremen
Brandschutz für Werkstätten, Büros und Wohnungen in einem alten Lagerhaus
Um die Fracht ankommender Schiffe in kürzester Zeit löschen, lagern und auf Eisenbahnwaggons verladen zu können, wurden im Bremer Europahafen nach dem Zweiten Weltkrieg sogenannte Stückgutumschlagschuppen errichtet. Nach der Aufgabe des zentrumsnahen Hafengebiets rechts der Weser am Ende der 1980er Jahre, wurde nach der Jahrtausendwende ein Masterplan für die sogenannte Überseestadt (Stadtteil Walle) erarbeitet. Bereits realisiert ist eine Grünverbindung zwischen Hafen und Innenstadt sowie die Umnutzung eines ehemaligen Speichers für die Hochschule der Künste.
Als Sieger aus einem geladenen Wettbewerb hervorgegangen, übernahmen die Bremer Westphal Architekten den Umbau und die Umstrukturierung eines historischen Lagergebäudes, dem sogenannten Schuppen Eins aus dem Jahr 1959. Zur Aufgabe gehörte auch, den besonderen Charme der zweckgebundenen Industriearchitektur als Kulturdenkmal zu bewahren.
Direkt am Europahafen erstreckt sich das markante, funktionale Gebäude auf einer Länge von 400 Metern. Insgesamt 30.000 Quadratmeter Lagerfläche, verteilt auf zwei Geschosse, führten die Architekten einer neuen Nutzung zu. Im neun Meter hohen Erdgeschoss, das etwas erhöht gegenüber dem Straßenniveau liegt, entstanden Geschäfte, Werkstätten und ein Technik- und Erlebniszentrum für historische Fahrzeuge. Das sogenannte Mobileum befindet sich im südöstlichen, der Innenstadt zugewandten Gebäudeteil. Quer zur Gebäuderichtung schließt ein durchgehendes Foyer an, als Auftakt einer bis ans nordwestliche Ende durchgehenden Passage, von den Planern als Boulevard bezeichnet. Zur südwestlichen Uferseite sind kleine Läden, zur Konsul-Smidt-Straße hin Werkstätten angeordnet, die von dort über kleine Rampen erschlossen werden. Die Gewerbeeinheiten verfügen zusätzlich über Büroflächen auf einer Zwischenebene. Innere und äußere Wände sind überwiegend verglast (teils Klar-, teils Profilbauglas), sodass die alte Gebäudestruktur ablesbar bleibt.
Ebenso markant wie das EG ist das Obergeschoss, in dem Wohn- und Büroflächen mit Pkw-Stellplätzen realisiert wurden – und auch hier ist eine Verkehrsachse prägend: Wie eine schmale Wohnstraße ist sie nach oben offen und beidseitig von zweigeschossigen Bauten gesäumt. Sie ist befahrbar und wird über zwei Autoaufzüge erschlossen. Dafür wurde in die bestehende Dachkonstruktion fast über die gesamte Gebäudelänge quasi eine Schneise geschlagen, an deren beiden Seiten sich Maisonettes mit Galerien bis unter die historische Tragstruktur reihen. Mit einer Grundfläche von jeweils 160 Quadratmetern orientieren sich diese Reihenhäuser zum Wasser, während zur anderen Seite Bürohäuser und große Garagen für Oldtimer-Liebhaber angeordnet sind, gegliedert durch kleine Höfe mit Erschließungskernen.
Brandschutz
Rechtliche Grundlagen für das neue Brandschutzkonzept des ehemaligen Lagerhauses
lieferten die Bremer Landesbauordnung, die Garagenverordnung und
die Industriebaurichtlinie. Der Schuppen Eins gilt
als Sonderbau, weil er Büroflächen, Gastronomie und Gewerbebetriebe
enthält. Er ist umlaufend von Verkehrsflächen umgeben. Zugänge zum
Gebäude liegen vorwiegend auf der Landseite, Nebeneingänge auch auf
der Wasserseite. Letztere sind für den öffentlichen Verkehr nicht
erschlossen, allerdings für die Feuerwehr über die Kaiflächen
befahrbar. Der Fußboden im obersten Geschoss mit Aufenthaltsräumen
befindet sich auf einer Höhe von etwa 13,45 Meter über Gelände.
Ein Aufzug ist als Feuerwehraufzug ausgebildet, damit die Feuerwehr tragbare Leitern ins Obergeschoss transportieren und dort auch löschen kann (für die Wohnungen auf der oberen Ebene des Obergeschosses dient als erster Rettungsweg die Innentreppe, als zweiter Rettungsweg sind Geräte der Feuerwehr vorgesehen). Der Aufzug hat zwei Haltestellen (Erdgeschoss und Hauptebene im Obergeschoss), die beide direkt ins Freie führen. Wandhydranten dienen der Wasserentnahme bei Löscharbeiten.
Das Gebäude ist mit einer automatischen Brandmeldeanlage (BMA) und einer Alarmierungsanlage ausgestattet. Angebunden an eine Sicherheitsstromversorgung, bietet die BMA Vollschutz im Erdgeschoss, den Büros im Obergeschoss und allen Räumen erhöhter Brandgefahr (wie z.B. Müllraum, Kältezentrale, Technik, Heizzentrale). In den Wohnungen werden Schlafräume, Kinderzimmer und Flure mit Rauchwarnmeldern überwacht. An allen Notausgängen sind Handfeuermelder angebracht.
Das Erdgeschoss wird insgesamt als Industriebau betrachtet und ist in die Sicherheitskategorie K 2 eingeteilt (Brandabschnitte oder Brandbekämpfungsabschnitte mit automatischer Brandmeldeanlage). Es ist in drei Brandabschnitte mit Flächen zwischen 3.230 bis 3.700 m² gegliedert. Im Obergeschoss ist die (Land-)Seite mit Büros und Garagen in sechs, die Seite mit Wohnungen in sieben Brandabschnitte aufgeteilt. Ein Teil des Erdgeschosses verfügt über eine maschinelle Rauch- und Wärmeabzugsanlage, für weitere Bereiche sind Rauchableitungsöffnungen vorgesehen. Die Bemessung der Rauchabzugsanlage wurde mit einem Mehrraum-Mehrzonen-Brandsimulationsprogramm durchgeführt: Schutzziel war eine raucharme Schicht von mindestens 2,50 Metern im Boulevard, untersucht wurde dafür der längste Brandabschnitt. Die maschinelle Entrauchungsanlage und die Rauchableitungsöffnungen in Läden und Werkstätten werden mit Auslösen der BMA in Betrieb gesetzt.
Notwendige Treppen sind die Treppen zu den Galerien und die Treppen in den notwendigen Treppenräumen, deren Ausgänge im Erdgeschoss unmittelbar ins Freie führen. Als Notausgänge fungieren die Zugänge zu den Treppenräumen, die Zugänge zu den notwendigen Fluren am Boulevard im Erdgeschoss (die als Verbindung zu den Treppenräumen dienen), die Ausgänge ins Freie aus den Treppenräumen sowie alle Ausgänge aus Räumen mit einer Fläche über 20 m².
Die Brandmeldezentrale (BMZ) im Erdgeschoss ist mit einem Hauptmelder, Feuerwehrbedienfeld, Laufkarten, Bedienstelle der Alarmierungsanlage, Bedienstellen für die Anlagen zur Rauchabführung und Sprechstellen der Feuerwehraufzüge ausgestattet. In der Außenwand neben dem Zugang zur BMZ befindet sich ein Feuerwehr-Schlüsseldepot (FSD). Über dem FSD ist ein Freischaltelement angeordnet, da die Brandmeldeanlage nicht als Vollschutz geplant ist. Eine Blitzleuchte über dem Zugang zur BMZ ist von der Konsul-Smidt-Straße aus gut erkennbar.
Sämtliche tragende und aussteifende Wände, Pfeiler und Stützen
bestehen aus Stahlbeton der Feuerwiderstandsklasse F90-A (feuerbeständig und
aus nicht brennbaren Baustoffen). Nichttragende Außenwände
entsprechen der Baustoffklasse A (nichtbrennbar) oder El 30-B
(feuerhemmend); ausgeführt wurde eine Mauerwerkvorsatzschale mit
nicht brennbarer Wärmedämmung. Gebäudeabschlusswände, Brandwände,
Decken, Treppenräume und Trennwände zwischen Nutzungseinheiten, von
Garagen sowie zu Räumen erhöhter Brandgefahr und besonders
schützenswerten Räumen weisen eine Feuerwiderstandsdauer von
mindestens 90 Minuten auf. Im Bereich des Boulevards sind zur
Abtrennung der Brandabschnitte Brandschutzvorhänge der
Klassifikation EW 90 (strahlungshemmend) vorgesehen. Als besonders
schützenswerte Räume gelten Serverräume, die ebenso wie die
Abschlüsse von Öffnungen in Wänden notwendiger Flure mit
T30-RS-Türen ausgeführt sind. us
Bautafel
Architekten: Westphal Architekten, Bremen
Projektbeteiligte: Bellmer Ingenieurgruppe, Bremen (Tragwerksplanung); HHP Nord/Ost Beratende Ingenieure, Braunschweig (Brandschutzgutachten)
Bauherr: KJH Verwaltungs Gesellschaft, Bremen
Fertigstellung: 2013
Standort: Konsul-Smidt-Straße 20-26, 28217 Bremen
Bildnachweis: Conné van d’Grachten, Ulm
Fachwissen zum Thema
Baunetz Wissen Brandschutz sponsored by:
Telenot Electronic GmbH, Aalen
www.telenot.com