Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Eupen

Sanierung eines historischen Mansarddachs mit Schiefer

Bereits seit den 1970er-Jahren verfügt die Deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien über eine gewisse Autonomie, die sich in den vergangenen Jahrzehnten beständig weiterentwickelt hat. Seit 1984 gibt es eine eigene Regierung und ein Parlament mit Gesetzgebungshoheit. Mit dem Umbau und der Erweiterung eines ehemaligen Sanatoriums aus den 1910er-Jahren in Eupen sollte für dieses Parlament und seine Verwaltung der passende Rahmen geschaffen werden. Einen dazu ausgeschriebenen Wettbewerb gewann das Atelier Kempe Thill aus Rotterdam.

Dach und Fassaden des Anbaus mit dem Plenarsaal sind vollständig mit Sedumpflanzen bewachsen
Ansicht Ost: Gleich einem Schaukasten öffnet sich der Saal zum Park über Verglasungen, die beinahe die gesamte Front einnehmen
Eingangsbereich mit Empfang und Flur zum Eingangssaal im Erdgeschoss

Den auf einem Hügel errichteten repräsentativen Altbau mit klassizistisch-frontaler Ausrichtung ergänzten die Architekten um einen flachen und begrünten Quader (Dach und Fassaden sind vollständig mit Sedumpflanzen bewachsen), der ein Stück weit aus dem bewachsenen Sockel emporragt und den Plenarsaal aufnimmt. Er erstreckt sich parallel zum Haupthaus von Nordosten nach Südwesten, ist diesem an der Südostseite vorgelagert und rückwärtig mit dessen Untergeschoss verbunden. Gleich einem Schaukasten öffnet sich der Plenarsaal zum Park über Verglasungen, die beinahe die gesamte Front einnehmen. Freitreppen zu beiden Seiten führen auf den Sockel rund um das ehemalige Sanatorium, dessen repräsentatives Säulenportal auch heute als Eingang dient.

Der durch Umbauten der 1960er- und 70er-Jahre stark entstellte Altbau wurde nach Möglichkeit in seinen ursprünglichen Zustand versetzt. Aufgrund hoher energetischer Anforderungen und aus statischen Gründen waren jedoch weitgehende Eingriffe notwendig – so mussten die Decken teilweise ausgetauscht werden; das schiefergedeckte Mansarddach wurde an vielen Stellen neu detailliert, um die notwendige Wärmedämmung unterzubringen, die Position der Gauben und deren Proportionen änderten sich.

Eine großzügige, helle Wegeführung vom Haupteingang zum Plenarsaal im Untergeschoss war den Architekten besonders wichtig. Vorbei an einem Empfangsraum mit Aufzug zur barrierefreien Erschließung gelangen die Parlamentarier über einen Flur zunächst in einen lichtdurchfluteten Saal mit halber Rotunde und Ausblick zum Park. Von diesem ersten Foyer im Erdgeschoss des Altbaus führen einander gegenüberliegende, zweiläufige Treppen hinab in einen lang gestreckten Raum, der dem Plenarsaal direkt vorgelagert ist. Streng symmetrisch konzipiert, wird er von allen Seiten belichtet. Er bildet das eigentliche Foyer und vermittelt zwischen Neubau und Bestand. Tageslicht dringt einerseits durch den breiten Zugang vom Treppenraum und die ebenso bemessene Verglasung zum Plenarsaal; außerdem durch ein Oberlicht gleicher Länge im Zentrum des Foyers und jeweils eines an dessen Stirnseiten, wo Kunstwerke hinter Verglasungen in Szene gesetzt werden. In Überleitung zum Plenarsaal wurde auf dem Boden des Foyers Stirnholzparkett verlegt. Der Plenarsaal selbst ist vollständig mit Hirnholz ausgekleidet: Für die Wände und Decken wurden spezielle, akustisch wirksame Paneele angefertigt, und auch die fest eingebauten Tische im Saal bestehen aus Hirnholzflächen.

Die vielen kleineren Räume im Altbau werden über einen zentralen Flur erschlossen. Im Untergeschoss, gegenüber des Foyers, gibt es einen Vortragssaal. Im Erdgeschoss sind neben der erwähnten Raumfolge zur Erschließung des Anbaus eine Cafeteria, Sanitäranlagen, ein weiterer Vortragssaal und verschieden große Büros untergebracht. Die oberen drei Geschosse beinhalten überwiegend Büros mit ein bis zwei Arbeitsplätzen. 

Schiefer
Die Dachdeckung aus Schiefer wurde vollständig erneuert. Infolge der erhöhten Wärmedämmung mussten viele Details des variantenreichen Mansarddachs mit Gauben, Pyramiden- und Kuppelsegmenten neu ausformuliert werden. Der neue Schiefer stammt aus einem Abbaugebiet im Norden Spaniens und wurde als Rechteck-Doppeldeckung verlegt und mit Haken befestigt. Je nach Position bedecken die Natursteine unterschiedliche Dach- und Wandaufbauten (siehe Abb. 19-21): Der obere Teil des Steildaches blieb ungedämmt, im unteren ist es als Warmdach konzipiert und in wenigen Bereichen kommt eine Innendämmung zum Einsatz. Im Bereich des ungedämmten Steildachs wurde die bestehende Vollschalung zur Befestigung der Steine wiederverwendet, unter der Schieferdeckung eine diffusionsoffene Unterspannbahn verlegt (siehe Abb. 26); in den gedämmten Zonen ist es eine einfache Unterspannbahn.

Außerdem gibt es hinterlüftete und gedämmte Schieferfassaden und solche, die eine Innendämmung erhielten. Dort, wo die Schiefer als Fassadenbekleidung vertikal verlaufen, sind sie auf einer Lattung und Konterlattung angebracht (siehe Abb. 24, 25). us

Bautafel

Architekt: Atelier Kempe Thill, Rotterdam mit Artau scrl d'architectures, Malmedy
Projektbeteiligte:
Kempen Krause Ingenieurgesellschaft, Aachen (Statik); ZWP Ingenieur, Köln (Haustechnik); Graner und Partner Ingenieure, Bergisch Gladbach (Bauphysik & Akustik); Tychon Freres, La Calamine (Dachdeckerbetrieb)
Bauherr:
Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft, Eupen
Fertigstellung:
2013
Standort:
Platz des Parlaments 1, Eupen
Bildnachweis: Ulrich Schwarz, Berlin

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