Mulitifunktionsgebäude c13 in Berlin

Individuelles Brandschutzkonzept für siebengeschossigen Holzbau

Eine relativ schmale Baulücke im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg füllt ein bis zu siebengeschossiges Gebäude, das ganz unterschiedliche Nutzungen unter einem Dach vereint. Neben Eigentums- und Mietwohnungen sowie einer Senioren-WG gehören Büros, Arzt- und Therapiepraxen, ein Familienberatungszentrum, eine Kindertagesstätte, ein Restaurant, ein Atelier und weitere Veranstaltungsbereiche dazu. Mit dem Haus c13 in der Christburger Straße 13 will der Bauherr, die christliche „Stiftung für Bildung, Werte und Leben“ das soziale Zusammenleben im Kiez fördern. Neben der starken Nutzungsmischung weist das Gebäude eine weitere Besonderheit auf: Die Konstruktion besteht überwiegend aus Holz.

Ansicht Süd: Der weiß verputzte Neubau hebt sich mit klaren, kantigen, aber bewegten Formen und großen Verglasungen deutlich vom Bestand ab
Hof-Ansicht (Nordwest): Alle Gebäudeteile sind durch (Licht-)Höfe, Balkone, Loggien und Dachterrassen gegliedert
Die Höhe des Flachdachs zur Straße orientiert sich am östlichen Nachbarn

Der relativ verschachtelte, von kleinen Höfen durchbrochene Komplex zieht sich zwischen zwei Brandwänden tief in den innerstädtischen Baublock hinein. Über einer gemeinsamen Basis bis zur vierten Etage entwickelt sich ein nach Süden orientiertes, siebengeschossiges Vorderhaus, das mit einem nördlichen, fünfgeschossigen Hinterhaus durch eine Dachterrasse verbunden ist. Zum westlichen Nachbarn, einem historischen Schulbau aus rötlichem Backstein mit Spitzgiebel, hält der umbaute Raum eine Durchfahrtsbreite Abstand. Die Höhe des Flachdachs zur Straße orientiert sich am östlichen Nachbarn, einem sanierten, typischen Berliner Gründerzeitbau mit fünf Geschossen und ausgebautem Dachraum. Der weiß verputzte Neubau C13 hebt sich mit seinen klaren und kantigen, aber bewegten Formen deutlich ab: Innerhalb der Bauflucht bildet seine dezente Lochfassade mit kleinen Fenstern den Übergang zum Bestand. Aus dieser stoßen jedoch geschossweise versetzte, quaderförmige Erker mit raumhohen Verglasungen hervor, während eine Loggia auf der fünften und Dachterrassen auf der obersten Ebene deutliche Rücksprünge bilden.

An seiner Nordseite, zum Innenhof des Baublocks, erscheint der Komplex deutlich schmaler – aufgrund seitlich angeordneter Höfe zur einen und der Durchfahrt zu anderen Seite. Diese bietet Raum für Treppen und weitere Erschließungswege aus Beton. Alle Gebäudeteile sind flach ausgebildet und vielfach durchbrochen bzw. gestaffelt durch (Licht-)Höfe, Balkone, Loggien und Dachterrassen. Auf diese Weise gelangt trotz der hohen Dichte viel Tageslicht in sämtliche Räumlichkeiten.

Die oberen Etagen im Vorder- und Hinterhaus sind Wohnungen vorbehalten. Im Erdgeschoss zur Straße orientiert liegt das Restaurant, im mittleren Teil der Veranstaltungsbereich und am nördlichen Ende ist die Kita angeordnet. Das erste Obergeschoss beinhaltet vorne die Praxen, dahinter gemeinsame Arbeitsräume und ein Mal-Atelier. Auch die dritte Etage ist Praxisräumen vorbehalten, das Familienzentrum und die Senioren-WG liegen darüber.

Die Planer verzichteten bei dem urbanen Holzbau ganz auf chemischen Holzschutz und Dampfsperren aus Kunststoff. Das Gebäude entspricht dem Standard eines KfW-Effizienzhauses 40. Alle Nutzungseinheiten werden kontrolliert be- und entlüftet. Zur Wärmeerzeugung dient ein Gas-Brennwertkessel, die Wärmeverteilung erfolgt über Fußbodenheizungen.

Brandschutz
Der lange und relativ schmale Gebäudekomplex (etwa 47,30 x 13,00 m) steht auf einem massiven Untergeschoss mit Tiefgarage aus Stahlbeton. Das siebengeschossige Vorderhaus ist mit tragenden Wänden in Massivholzbauweise ausgeführt, das fünfgeschossige Hinterhaus mit solchen in Holztafelbauweise. Sämtliche nicht tragenden Wände sind Metallständerwände, die Decken ein Holzbetonverbund. Alle Holzbauteile wurden vorgefertigt und vor Ort in etwa drei Monaten montiert.

Das gesamte Ensemble wird über zwei vom Hauptbaukörper abgekoppelte Treppenanlagen erschlossen, die in der breiten Fuge bzw. Durchfahrt angeordnet sind, angrenzend an das Schulgelände. Die vordere Treppenanlage mit Aufzugsschacht sowie die Übergänge zum Haus bestehen aus Stahlbeton, die hintere Treppe aus Stahl.

Wegen seiner Höhe (der Fußboden des obersten Geschosses im Vorderhaus liegt 19,50 m über Geländeniveau, der im Hinterhaus 13,20 m) wird das Haus gemäß Berliner Bauordnung in die Gebäudeklasse 5 eingestuft. Demnach sind ausschließlich Konstruktionen zulässig, deren tragende und aussteifende Wände und Stützen feuerbeständig in F90-AB ausgeführt sind. Unter Einwirkung von Feuer muss die Tragfähigkeit bzw. der Raumabschluss von Bauteilen mindestens 90 Minuten lang gewährleistet sein. Feuerbeständige Bauteile müssen in den wesentlichen Teilen aus nicht brennbaren Baustoffen (Baustoffklasse A) bestehen. Damit sind Holzkonstruktionen in dieser Gebäudeklasse praktisch ausgeschlossen. Da es sich bei dem Gebäude jedoch (ebenfalls laut Berliner Bauordnung) um eine bauliche Anlage besonderer Art und Nutzung handelt, erstellte das Sachverständigenbüro Dehne, Kruse Brandschutzingenieure auf Basis einer umfassenden Risikobewertung ein individuelles und ganzheitliches Brandschutzkonzept. Die Ingenieure wiesen nach, dass sich die geforderten Schutzziele durch geeignete Kompensationsmaßnahmen und das Zusammenwirken baulicher und anlagetechnischer Maßnahmen erreichen lassen.

Mit der seitlichen Durchfahrt ist die Zugänglichkeit des Grundstücks für die Feuerwehr gewährleistet, Steigleitungen befinden sich außen und im Gebäude, die Löschwasserversorgung neben dem Aufzugsschacht an der Durchfahrt. Für jede einzelne Nutzungseinheit wurden individuelle Flucht- und Rettungspläne erstellt. Eine Brandmeldeanlage sichert das Gebäude, die Blitzleuchte befindet sich am Restaurant im Erdgeschoss. Handfeuermelder sind an wichtigen Ausgängen, in öffentlichen Bereichen und Fluren der unteren Ebenen bis ins zweite Obergeschoss angeordnet. Die Brandmelderzentrale befindet sich im Keller, das Feuerwehrinformations- und bediensystem im Vorraum eines Aufzugs im EG, Freischaltelement und Feuerwehrschlüsseldepot an der Feuerwehrzufahrt (siehe auch Abb. 24-31).

Die tragenden Holzbauteile sind aus Brandschutzgründen allseitig mit nicht brennbaren Gipsfaserplatten (Baustoffklasse A2) bekleidet – eine Einkapselung, die je nach Konstruktion einen Brandschutz bis zur Feuerwiderstandsklasse F 120 gewährleistet. So wird die Massivholzwand des Vorderhauses (d=100 mm) raumseitig mit einer doppelten Lage (2 x 18 mm) Gipsfaserplatten geschützt, die direkt aufgebracht wurden. Nach außen wird die Kapselklasse K260 durch die Kombination von Gipsfaserplatten (12,5 mm) mit Steinwolldämmplatten (100 mm) sowie einem mineralischen Putz (10 mm) erreicht. Die tragenden Holztafelwände des Hinterhauses sind raumseitig mit 2 x 18 mm Gipsfaserplatten und einer Mineralfaserdämmung im Wandhohlraum vor Entzündung geschützt. Die Außenseite wurde mit 18 mm Gipsfaserplatten, 100 mm Steinwolleplatten und 10 mm mineralischem Putz geschlossen. Durch diese Einkapselung soll eine Entzündung der tragenden Holzelemente vor der sechzigsten Minute weitgehend ausgeschlossen sein, ebenso wie der Brandeintrag in die Bauteile bei Feuer innerhalb einer Nutzungseinheit. Für mindestens 60 Minuten nach dem Ausbruch eines Brandes besteht damit eine Gleichwertigkeit der Konstruktion zu massiven Bauweisen aus Stahlbeton oder Mauerwerk.

Die Holzbetonverbunddecken bestehen aus 140 mm liegendem Brettschichtholz und einer 100 mm starken Ortbetonschicht darüber. Stahlträger, die aus statischen Gründen innerhalb dieser Holzbetonverbundkonstruktion erforderlich waren, wurden ebenfalls mit Gipsfaserplatten bekleidet und weisen damit einen Feuerwiderstand von 90 Minuten auf. In den Küchenbereichen wurde die Untersicht der Decken analog zum Wandaufbau mit einer Brandschutzbekleidung der Kapselklasse K260 ausgeführt; alle anderen Bereiche erhielten eine schwerentflammbare Brandschutzbeschichtung.

Bautafel

Architekten: Kaden Klingbeil Architekten, Berlin, Entwurf: Tom Kaden
Projektbeteiligte:
Pirmin Jung Ingenieure für Holzbau, Sinzig (Statik); Dehne, Kruse Brandschutzingenieure, Gifhorn (Brandschutzkonzept); Planungsbüro Roth, Strausberg (Haustechnik); Planungsbüro Marion Fabis, Kleinmachnow (Elektro); Oa.sys baut, Alberschwende (Holzbau); Fermacell, Duisburg (Gipsfaserplatten)
Bauherr:
Stiftung für Bildung, Werte und Leben, Berlin
Fertigstellung:
2013
Standort:
Christburger Straße 13, 10405 Berlin
Bildnachweis: Kaden Klingbeil Architekten, Berlin

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Komponenten einer BMA: Brandmeldezentrale, Feuerwehrbedienfeld, Handfeuermelder, Brandmelder, akustische und optische Signalgeber (im Bild: hifire® 4000 BMT)

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