Maggies Cancer Centre in Cardiff

Krebshilfezentrum mit Hülle aus Cortenstahl

Charles Jencks gilt gemeinhin als Erklärer der Postmoderne: Ironie, Pluralismus und doppelter Code prägten das Theoriegerüst für Bauten von Venturi, Moore, Rossi oder Stirling. Weniger bekannt ist dagegen sein caritatives Wirken. Gemeinsam mit seiner Frau, der Autorin und Landschaftsarchitektin Maggie Keswick Jencks, gründete er 1995 eine Stiftung für Krebshilfezentren, die „Maggie’s Cancer Care Centres”. Zu ihnen gehört das Maggie's Centre in Cardiff, das Dow Jones Architects aus London auf dem Gelände des Velindre Hospital in Whitchurch, einem Vorort rund fünf Kilometer nordwestlich der walisischen Hauptstadt, realisiert haben. Mit nur 240 Quadratmetern ist es kleiner als alle übrigen und konnte schneller und günstiger erstellt werden, zumal es nur als temporäres Gebäude konzipiert ist. Dass es auf eine Nutzungsdauer von nur zehn Jahren angelegt ist, fällt aufgrund der beständig wirkendenden Fassade aus Cortenstahl aber kaum auf.

Herausfordernde Lage: Der temporäre Bau wurde auf dem Parkplatz einer Spezialklinik errichtet.
Das Krebshilfezentrum ist nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zur Klinik konzipiert.
Der Bau mit gewellter Cortenstahlfassade und gefalteter Dachlandschaft nimmt Bezug auf die angrenzenden Wohngebiete, aber auch auf die Hügellandschaft der Umgebung.

Ausgehend vom Selbsthilfegedanken – Maggie Keswick Jencks war selbst betroffen – bieten die Zentren im Umfeld von Spezialkliniken sozialen und psychischen Halt für Patienten und Angehörige. Nicht als Ersatz, sondern als kontrastierende Ergänzung zum Krankenhaus liegt diesen eigenständigen Stationen die Idee der aufbauenden, erhebenden Wirkung von gut gestalteten, besonderen Räumen zugrunde. Die mehr als 20 Zentren in Großbritannien wie zum Beispiel in London und Oldham, Hongkong und Tokio wurden individuell entworfen, unter anderem von Frank Gehry, Zaha Hadid, OMA, Norman Foster, Richard Rogers und Steven Holl. Die sehr unterschiedlichen Bauten verbindet der Ansatz, vertraut und überraschend zugleich zu sein. Sie sollen Offenheit, Orientierung und Geborgenheit sowie Kommunikation oder Ruhe bieten.

Konkaves Siebeneck als Grundriss

Errichtet wurde der eingeschossige, temporäre Bau auf einer trapezförmigen Restfläche des Klinikparkplatzes, der im Norden an den Park des ehemaligen Whitchurch Psychiatriekrankenhauses grenzt – einem repräsentativen, aber seit 2016 leerstehenden Backsteinensemble von 1908. In diesem schwierigen Umfeld ließen sich die Architekten bei der Gebäudeform von regionalen Landschaftselementen inspirieren, zumal der gesamte, ländlich geprägte Südosten von Wales zum Einzugsgebiet der Klinik zählt. Schräg über den unregelmäßigen Grundriss eines konkaven Siebenecks haben Dow Jones Architects eine Reihe von 45-Grad-Dachflächen aufgefaltet, die sowohl auf die Sattel- und Walmdächer der zweigeschossigen Wohngebiete rund um das Klinikareal Bezug nehmen als auch auf die walisische Hügellandschaft.

Helle Farben, viel Holz und ein „cwtch“ im Inneren

Innen ist das Fürsorgezentrum überwiegend weiß gehalten. Die geneigten Dachuntersichten gliedern den Raum. Fenster, Türen, Einbauschränke und der zentral angeordnete Küchenbereich sind in Douglasie ausgeführt und holzsichtig belassen. Wie große, eingestellte Möbelstücke gliedern diese Holzelemente den weitgehend fließenden Raum. Neben dem Küchenblock prägen ein kleiner, bepflanzter Eingangshof auf der Südwestecke sowie ein schmaler, introvertierter Raum mit überhöhtem Oberlicht – der sogenannte cwtch – den Grundriss. Dieser intime Rückzugsraum verkörpert als Gegenstück der kommunikativen Küche ein wesentliches Element des Konzepts von Maggie Keswick Jencks. Der walisische Begriff cwtch steht sowohl für „kleiner, angenehmer Raum“ als auch für „Umarmung“. In walisischen Häusern wird auch der Einbauschrank unter der Treppe – ein beliebtes Versteck für Kinder – mit dem zungenbrecherischen Wort bezeichnet.

Außerdem beinhaltet der Bau drei unterschiedlich große, flexible Räume, ein Büro und eine kleine Bibliothek. In Zusammenarbeit mit einem Kurator wurden verschiedene walisische Künstler in das Zentrum integriert: von Wandbildern über Kacheln und Geschirr bis hin zum Eingangsschild und den figürlich gestalteten, rostbraunen Rammschutzpollern im Außenbereich.

Gebäudehülle aus gewelltem Cortenstahlblech

Die Fassade soll in ihrer rostbraunen Erscheinung an die herbstlichen Farnhänge erinnern, die sehr prägend für die Region sind. Bis auf drei stehende, aus der Fassadenebene hervortretende Holzrahmenfenster ist die Hülle zum Klinikparkplatz nach Süden und Westen geschlossen. Dagegen öffnet sich der Bau nach Norden hin zu den hohen Bäumen des Whitchurch Hospital-Parks mit bodentiefen Fenstern. Dach- und Wandflächen sind einheitlich mit gewelltem Cortenstahlblech verkleidet. Die 19 Millimeter hohen Wellen sind stehend auf Lattung geschraubt, die auf Holzständerwände montiert ist. Auch sämtliche Kantbleche an First, Traufe und Ortgang sowie die Wasserspeier sind in Cortenstahl gehalten, was den homogenen, objekthaften Charakter des Gebäudes unterstreicht.

Die Ständer von 20 x 5 cm sind im Abstand von 60 cm gesetzt, mit 20 cm starker, fester Dämmung ausgefüllt und beidseitig mit je 9 mm dicken OSB-Platten beplankt. Darauf ist außen eine diffusionsoffene Fassadenbahn und innen eine Dampfsperre aufgebracht. Rund sechs Zentimeter starke Gipskartonverbundplatten und eine zweite Lage Gipskarton mit Anstrich bilden den inneren Wandabschluss. Innenliegende Trennwände sind ähnlich aufgebaut, aber schlanker gehalten und zum Teil mit Douglasie verkleidet.

Bautafel

Architekten: Dow Jones Architects, London
Projektbeteiligte: Knox and Wells, Cardiff (Generalunternehmer), Momentum, London (Tragwerk), Cleve West, Hampton Wick (Freiraumgestaltung), Mott MacDonald, Cardiff (TGA-Planung), RPA, Cardiff (Kostenplaner),  Mike Tooby, Cardiff (Kunstkurator)
Bauherr: The Maggie Keswick Jencks Cancer Caring Centres Trust, London / Glasgow
Fertigstellung: 2019
Standort: The Chris McGuigan Building, Velindre Cancer Centre, Velindre Road, Whitchurch, Cardiff CF14 2TQ, Vereinigtes Königreich
Bildrechte: Anthony Coleman, London / Dow Jones Architects, London

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Eine der frühesten Vorhangfassaden aus Stahl und Glas ist die Fassade der Fagus-Werke in Alfeld von Walter Gropius. Die Aufnahme von 1913 zeigt das Gebäude kurz nach Fertigstellung der zweiten Bauphase noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs.

Eine der frühesten Vorhangfassaden aus Stahl und Glas ist die Fassade der Fagus-Werke in Alfeld von Walter Gropius. Die Aufnahme von 1913 zeigt das Gebäude kurz nach Fertigstellung der zweiten Bauphase noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs.

Materialien

Stahl, Edelstahl, Cortenstahl

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