Brückenschalungen

Das Erscheinungsbild von Brücken wird wesentlich durch ihre Tragwerksform geprägt. So gibt es Bogenbrücken, Schrägseilbrücken, Hängebrücken, Balkenbrücken und Auslegerbrücken. Das Brückenbauverfahren ist dabei abhängig von der jeweiligen Tragwerksform.

In Spannbeton ausgeführter Vorlandbrückenbereich der Metro-Brücke über das Goldene Horn (Entwurf: Michel Virlogeux; Ausführung: Hakan Kiran; Tragwerksplanung: Wiecon)
Mithilfe eines Lehrgerüsts errichtete De-Lentloper-Brücke in Nijmegen (Entwurf und Planung: Ney & Partners, Brüssel)
Spiegelglatte Unterseite der De-Lentloper-Brücke in Nijmegen

Brücken stellen in der Regel öffentliche Bauwerke dar, die über mehrere Generationen genutzt werden. Die Anforderungen, die an einen Brückenentwurf gestellt werden, sind hier in hierarchischer Reihenfolge dargestellt:

  • Tragsicherheit
  • Gebrauchstauglichkeit
  • Wirtschaftlichkeit
  • Dauerhaftigkeit
  • Nachhaltigkeit
  • Ästhetik

Obenstehende Tabelle zeigt die Einteilung von Brückenschalungen für Ortbetonbrücken. Prinzipiell lassen sich zwei Arten von Schalungssystemen unterscheiden: Jene, bei denen die Belastungen über ein Lehrgerüst in die Aufstandsfläche eingeleitet werden und jene, bei denen die Belastungen in die bereits fertiggestellten Brückenpfeiler eingeleitet werden. Bei der Auswahl der Brückenbauverfahren sind folgende Parameter entscheidend:

  • Tragwerksquerschnitt
  • Tragwerksform
  • Brückenhöhe
  • Brückenlänge
  • Form des zu überbrückenden Raumes (z.B. V-förmig oder U-förmig)

Brücken-Traggerüst (Lehrgerüst)

Mit dem Brücken-Traggerüst, auch Lehrgerüst (Abb. 5 und 6), werden die Belastungen aus der Tragwerksschalung mit Trägern oder ohne Träger über Traggerüste in den Untergrund eingeleitet. Es kann hierbei als stationäres Brücken-Traggerüst (wird für jeden Betonierabschnitt komplett auf- und abgebaut) oder als am Baugrund verfahrbares Brücken-Traggerüst (wird weitgehend unzerlegt auf Gleitblechen o. Ä. in den nächsten Betonierabschnitt verschoben) ausgebildet sein. Bedingt durch die hohen Belastungen (Eigengewicht) im Bauzustand sind beim Ausschalen bzw. beim Absenken der Tragwerksschalung große Lasten zu bewältigen. Bei der Dimensionierung und konstruktiven Ausbildung der Brücken-Traggerüste ist daher darauf zu achten, dass ein Ausrüsten des Tragwerks nach dem Erhärten des Betons ohne großen Aufwand möglich ist. Für das erschütterungsfreie Ausschalen sind geeignete Vorrichtungen wie Keile, Sandtöpfe, Pressen mit Stellvorrichtung etc. erforderlich. Das Herstellungsverfahren mit Brücken-Traggerüsten eignet sich insbesondere für Brücken mit kurzen Spannweiten sowie ebenen U-förmigen Überbrückungsräumen mit tragfähigem Untergrund.


Vorschubgerüst

Das Vorschubgerüst (Abb. 7 und 8) zählt zu den freitragenden Gerüsten, das sich über Konsolen auf Pfeiler abstützt. Das Umsetzen des Gerüstes in Brückenlängsrichtung erfolgt mit verschiebbaren Rüstträgern ohne Zwischenunterstützung zwischen den Brückenpfeilern.

Dieses Bauverfahren findet bei mehrfeldrigen Tragwerken größerer Stützweite und größerer Brückenhöhe Anwendung. Sämtliche Belastungen aus der Tragwerksschalung werden von der Vorschubrüstung aufgenommen und an die Pfeiler eines Feldes abgeleitet. Arbeitsfugen werden in der Regel im Bereich des Momentennullpunkts angeordnet. Übliche Stützweiten reichen bis ca. 70 Meter, wobei im oberen Stützweitenbereich aus Gründen der Gewichtseinsparung mit der Vorschubrüstung in einem ersten Schritt nur ein Teil des Querschnitts (z. B. ein einzelliger Hohlkasten) hergestellt und die restlichen Teile wie Kragplatten im Nachlauf ergänzt werden.


Taktschiebeverfahren

Beim Taktschiebeverfahren (Abb. 9 und 10) wird im Bereich hinter dem Widerlager eine stationäre Tragwerkschalung aufgebaut und eingehaust. Die Einhausung stellt eine fabrikartige Produktionsstätte dar, wo witterungsunabhängig – meist im Wochenrhythmus – ein Tragwerksabschnitt hergestellt wird. Nach Erreichen der Mindestdruckfestigkeit wird der Tragwerksabschnitt in sich vorgespannt und im weiteren Verlauf mit dem benachbarten Fertigungsabschnitt mittels Vorspannung kraftschlüssig verbunden. Nach Abschluss dieser Arbeiten erfolgt der Verschiebevorgang in Längsrichtung der Brücke. Ein Vorbauschnabel, der am ersten Tragwerksabschnitt befestigt ist, dient dazu, die aufgrund der Auskragung entstehenden Biegemomente während des Verschiebeprozesses zu reduzieren. Der fachwerkartig aufgebaute Vorbauschnabel hat dabei im Vergleich zum Tragwerk einen wesentlichen Gewichtsvorteil.

Die Lagerung des Brückentragwerks im Bauzustand erfolgt auf Gleitlagern, die als Teflonplatten ausgebildet sind und auf polierten Stahlplatten gleiten. Um beim Verschub die Belastungen aus Zwangskräften möglichst gering zu halten, ist bei der Montage der Gleitlager hinsichtlich der Höhenlage auf eine größtmögliche Genauigkeit zu achten. Das Verschieben des Tragwerks erfolgt mithilfe von hydraulischen Pressen (sogenannte Hub-Reibeanlage), wobei beim Verschieben im Längsgefälle auch entsprechende Rückhaltevorrichtungen vorzusehen sind, damit das Tragwerk nicht entgleitet. Zur Anwendung des Taktschiebeverfahrens ist es erforderlich, dass die Brücke im Längsprofil und im Grundriss gerade ist, oder eine gleichmäßige Krümmung aufweist.

Die Anwendung des Taktschiebeverfahrens ermöglicht ein weitestgehend witterungsunabhängiges Arbeiten, wodurch die Bauzeit sicher planbar ist. Kurze Transportwege, wenige Geräte und die wiederholte Nutzung der gleichen Schalung machen das Verfahren zudem verhältnismäßig wirtschaftlich. Nachteilig ist, dass der Querschnitt während des Prozesses nicht verändert werden kann, sodass immer von der größten nötigen Konstruktionshöhe – abhängig von der größten Spannweite – ausgegangen werden muss.

Bogenbrückenverfahren

Für die Herstellung von Bogenbrücken können Traggerüste (Lehrgerüste) eingesetzt werden, bei denen die Belastung über ein Traggerüst in die Aufstandsfläche eingeleitet wird.

Alternative Verfahren:

  • Bogenlehrgerüst nach dem Verfahren Cruciani
  • Bogenfreivorbau
  • Bogenklappverfahren

Abb. 7 zeigt den Einsatz zweier Freivorbauwagen für die Herstellung der Bögen einer Bogenbrücke. Bis zum Lückenschluss in der Bogenmitte werden die Bögen über Abspannungen in ihrer Lage gehalten. Für die Lastableitung der Abspannungskräfte werden Hilfspylone errichtet, die wiederum auf das Tragwerk abgespannt sind.

Freivorbau

Das Freivorbauverfahren zur Herstellung von Brückentragwerken folgt dem Waagebalkenprinzip. Beim Freivorbauverfahren wird das Tragwerk von den Pfeilern startend in entgegengesetzten Fertigungsrichtungen symmetrisch hergestellt. Hierzu befindet sich auf beiden Seiten des Pfeilers ein Vorbauwagen, der über eine Kragarmkonstruktion die Schalung und Rüstung für den nächsten Betonierabschnitt trägt. Die Belastungen aus der Rüstung, der Schalung, der Beton- und Spannstahlbewehrung und dem Frischbeton sowie aus dem Baubetrieb und den Windkräften werden ebenfalls vom Freivorbauwagen übernommen und in den vorherigen tragfähigen Abschnitt eingeleitet. Nach Erhärten des Betons und Erreichen der nötigen Mindestfestigkeit werden die beiden Betonierabschnitte vorgespannt. Im Anschluss wird der Freivorbauwagen auf Schienen mittels Hydraulikantrieb in den nächsten Abschnitt geschoben und verankert.

Das Freivorbauverfahren findet hauptsächlich bei Betonbrücken mit großen Spannweiten und bei Geländeformen, die aufgrund großer Höhen oder den vorliegenden Bodenbedingungen die Anwendung von konventionellen Schalungsmethoden unwirtschaftlich machen, Anwendung. Die Abschnittslängen bewegen sich üblicherweise zwischen drei und fünf Metern und sind bis zu 250 Tonnen schwer.

Verbundbrücke

Bei Verbundträgern (Abb. 12) erfolgt eine kombinierte Tragwirkung von Brückenlängsträgern aus Stahl mit der Ortbetonfahrbahnplatte. Der kraftschlüssige Verbund zwischen beiden Materialien wird über Kopfbolzendübel hergestellt. Die Brückenlängsträger werden werkseitig vorgefertigt, was zu einer erheblichen Verkürzung der Bauzeit beiträgt. Der kraftschlüssige Verbund zwischen beiden Materialien wird über Kopfbolzendübel hergestellt. Die Brückenlängsträger werden werkseitig vorgefertigt, was zu einer erheblichen Verkürzung der Bauzeit beiträgt. Bei kurzen Überbaulängen (bis ca. 100 Meter) werden im Normalfall an den Stahlträgern Konsolen befestigt. Die Betonage des Überbaus erfolgt dann in einem Takt. Längere Überbauten (größer 100 Meter) werden taktweise über verfahrbare Schalwagen betoniert, die die eigentliche Schalung tragen.

Literatur: Schmitt, Roland: Die Schalungstechnik – Systeme, Einsatz und Logisti; Ernst & Sohn, Berlin 2001

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