Wohnhochhaus Escher-Terrassen in Zürich

Projektspezifische Brandfallsteuermatrix für Alt- und Neubau

Am Rande des einst rein industriell genutzten Escher-Wyss-Areals im Nordwesten von Zürich planten Piet und Wim Eckert vom Architekturbüro E2A ein Wohnhochhaus, das auf ein bestehendes dreigeschossiges Magazingebäude von 1900 fußt. Seine abgeschrägte Südseite mit breiten Loggien ist namensgebend: Die Escher-Terrassen ergänzen ein paar Hochhäuser im verdichteten Stadtgebiet Zürich-West zwischen nördlichem Flussverlauf der Limmat und südlichen Bahngleisen. Gemeinsam mit dem lang gestreckten, quaderförmigen Bestand formt der sechzig Meter hohe Turm ein L und akzentuiert das Quartier entlang der Hardturmstraße.

Alt- und Neubau sind ineinander verzahnt, sie durchdringen sich gegenseitig: Das historische Verbundmauerwerk mit seinen Segmentbögen wird überlagert und ist mit Sichtbeton gefüllt (Nordostansicht)
Von den tribünenähnlich konzipierten Loggien an der Südseite des Wohnturms eröffnet sich das Panorama eines im Wandel befindlichen Industriegebiets
Die Probebühnen im Magazingebäude (Bestandsbau) sind als Haus im Haus eingebaut

Die Schräge beginnt etwa auf halber Höhe und setzt sich bis zur obersten neunzehnten Etage fort. Darunter übernimmt das Wohnhaus die Tiefe des Magazingebäudes (25 Meter), das große Säle als Proberäume für die Mitarbeiter der Zürcher Oper beherbergt. Diese sind als Haus im Haus eingebaut und an den Zugängen mit der Fassade verbunden. Alt- und Neubau sind ineinander verzahnt und durchdringen sich gegenseitig: Das historische Verbundmauerwerk mit Segmentbögen wird überlagert und ist mit dem hellen Klinkermauerwerk des angebauten Hochhauses gefüllt. Stahlbeton dient der Stabilisierung und kompensiert den Wegfall hölzerner Decken- und Dachstrukturen.

Der Wohnturm ist vertikal durch zwei verschiedene Öffnungsbreiten der Fenster gegliedert, die in kurzen und langen Strängen linear zusammengefasst sind. Mit bodentiefen Verglasungen ausgebildet, ermöglichen sie eine Teilhabe am öffentlichen Raum und den weiten Ausblick entlang dem Limmatufer. Von den tribünenähnlich konzipierten Loggien an der Südseite eröffnet sich das Panorama eines im Wandel befindlichen Industriegebiets. Im 18-geschossigen Hochhaus sind insgesamt 51 Mietwohnungen (2,5- bis 5,5-Zimmer) mit ganz unterschiedlichen Grundrissen entstanden. Es ist im Minergiestandard ausgeführt und aus Beton in Schottenbauweise konstruiert. Das vertikale Volumen wird oberhalb der Probebühnen (4. Obergeschoss) abgefangen und überspannt eine Breite von 25 Metern. Städtebaulich fügt sich der Wohnturm in die noch junge Höhensilhouette rund um den Escher-Wyss-Platz, während der horizontale Baukörper des Magazingebäudes den Übergang zu kleinteiligeren Strukturen bildet und mit den Probebühnen an die noch aktive benachbarte industrielle Produktion anknüpft.

Brandschutz
Das Gebäude besteht aus einem viergeschossigen Sockelbau (teilweise Bestand; ca. 2.300 m²) und einem 18-geschossigen Wohnbau (Neubau) welcher als Hochhaus eingestuft wurde. Beide Gebäudeteile besitzen im Untergeschoss eine gemeinsame Einstellhalle (Parkebene). Vom Bestand blieben die Süd-, Nord- und Westfassade erhalten und in den Sockelbau „integriert“. Brandschutztechnisch wurden die Bereiche „Hochhaus“ und „nicht Hochhaus“ klar abgegrenzt, sodass nur für ersteren die Anforderung REI 90 nbb und Hochhausanforderungen erfüllt werden müssen, während sich der „Sockelbereich“ in REI 60 nbb ausführen ließ. Die Besonderheit des Gebäudes ist die Konstruktion der Schrägfassade des Wohngebäudes und die Verknüpfung zwischen Neubau und Bestand.

Das Bauvorhaben wurde nach den damals geltenden Schweizerischen Brandschutzvorschriften VKF 2003 beurteilt und umgesetzt. Als Hochhaus musste das Wohngebäude mit einem Feuerwehraufzug sowie den beiden zentralen, innen liegenden Treppenhäusern mit je einer Rauchschutzdruckanlage ausgestattet werden. Die Überdruckanlage in den Sicherheitstreppenhäusern und dem Feuerwehraufzug wurde nach SN/EN12101-6: Rauch- und Wärmefreihaltung – Teil 6: Festlegungen für Differenzdrucksysteme – Bausätze, Anlagentyp D realisiert.

Im Sockelbau mit Proberäumen des Zürcher Opernhauses ist mit einer großen Personenbelegung zu rechnen. Der Entfluchtung kommt besondere Beachtung zu – es müssen genügend Fluchtwege ins Freie vorhanden sein. Die beiden überhohen Probebühnen wurden als eingeschossiger „Industriebau“ eingestuft, sodass für bestimmte Bereiche die Anforderung REI 0 galt. Der dreigeschossige Galeriebereich wiederum musste die Anforderung REI 60 nbb erfüllen. Zusätzlich ist eine Entrauchung der Opernbühnen erforderlich. Diese werden im Brandfall von der Feuerwehr entraucht: Je nach Brandszenario wird der Rauch mittels Brandlüfter über vorgesehene Öffnungen entsorgt. Die Feuerwehr kann nur den jeweils betroffenen Opernbereich entrauchen; ein nicht vom Brand betroffener Probesaal kann theoretisch weiter genutzt werden.

Die Parkebene im Untergeschoss mit einer Fläche > 600 m² wird maschinell entraucht. Das gesamte Gebäude (Hochhaus und Flachbau) verfügt über eine Brandmeldeanlage der Kategorie 2 (Teilschutz). In den Sicherheitstreppenhäusern sind Innenhydranten vorgesehen, sodass die Feuerwehr je Stockwerk einen Storz (Anschluss) zur Löschung zur Verfügung hat.

Aufgrund der abgeschrägten Südfassade ist die Geschossfläche im oberen Niveau verringert, sodass die Entfluchtung in den oberen Stockwerken über ein Sicherheitstreppenhaus gewährleistet ist und das zweite Sicherheitstreppenhaus daher bereits auf Stockwerk 14 endet. Die Feuerwehr benötigt bei einem Sicherheitstreppenhaus eine Ausstiegsmöglichkeit auf das Dach. Um den Dachausstieg des bereits auf Geschoss 14 endenden Treppenhauses zu gewährleisten, mussten beide Treppenhäuser über eine Schleuse miteinander verbunden werden.

Die Bauausführung wurde brandschutztechnisch sehr intensiv begleitet. Es stellt sich immer wieder heraus, dass speziell bei Hochhäusern die Kontrolle vor Verschluss der Installationsschächte wichtig ist: Die Leitungsführungen müssen mit speziell zugelassenen Materialien isoliert bzw. ummantelt werden. Kontrolliert wurde dies teilweise im Beisein der Behörde. Die Qualitätskontrolle wurde während der gesamten Bauzeit anhand einer „Nullserien-Mängelliste“ verfolgt; dies war ein Hauptteil der Dokumentation. Das Gebäude verfügt über eine projektspezifische Brandfallsteuerungsmatrix, wo jedes einzelne Element mit der notwendigen Aktion je Brandereignis aufgeführt ist. Vor Bezug durch die Wohnungsmieter und des Opernhauses fanden reichlich integrale Tests, technische und bauliche Abnahmen statt. Hierzu wurde ein Brandfall simuliert und in den verschiedensten Bereichen ein Brandmelder ausgelöst. Jede einzelne geplante Aktion gemäß Brandfallsteuerungsmatrix wurde überprüft sowie die Alarmübermittlung auf die Feuerwehr kontrolliert.

Die Zugänglichkeit für die Feuerwehr ist dreiseitig ebenerdig möglich und wurde während der Projektierung mit dem Feuerwehrkommandant Zürich besprochen und geplant. Die Zufahrt ist über die Hardturmstraße gewährleistet; das Schlüsselrohr (siehe Feuerwehr-Schlüsseldepot) liegt beim Haupteingang. Die Bedientableaus der Rauchüberdruck-Entrauchung und Brandmeldeanlage befinden sich in einer separaten Nische im Hauptzugang des Gebäudes. Die Feuerwehr verfügt über Dachausstiege bei den zwei Sicherheitstreppenanlagen sowie dem Feuerwehraufzug. Alle sicherheitsrelevanten Einrichtungen sind an eine Sicherheitsstromversorgung angeschlossen. (us)

Bautafel

Architekten: E2A Piet Eckert und Wim Eckert, Zürich
Projektbeteiligte: Allreal Generalunternehmung, Zürich (Projektentwicklung); Jäger Partner, Zürich (Bauingenieure); Atelier P3, Zürich (Fassadenplaner); Troxler & Partner, Ruswil (HKLS-Planung); Buri Bauphysik & Akustik, Volketswil (Bauphysik, Akustik); Fatima Laissoub, Brandschutz DS, Zürich (Brandschutzplanung)
Bauherr: Allreal West, Zürich
Fertigstellung:
2014
Standort:
Hardturmstraße 5,7, 8005 Zürich
Bildnachweis: © Georg Aerni und Rasmus Norlander, Zürich

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