Wohnhaus Elcano in Madrid

Fassadenspiel der Gegensätze

Wer schaffte die erste Weltumsegelung? Magellan? Falsch. Der startete zwar 1519 in Andalusien mit fünf Schiffen und fast 250 Mann Besatzung Richtung Westen, kam aber bei einem Kampf auf den Philippinen ums Leben. Seinem Offizier Juan Sebastián Elcano gelang 1522 der erfolgreiche Abschluss der Unternehmung, nach fast drei Jahren mit einem verbliebenen Schiff und kaum 20 Mann. In vielen spanischen Städten erinnern Straßennamen an den Entdecker, sogar ein Asteroid wurde nach ihm benannt. In Madrid ist die Calle de Sebastián Elcano eine schmale, baumlose Straße im dicht bebauten Bezirk Arganzuela, direkt südlich des Stadtzentrums. Hier, in einem ursprünglich von blockfüllenden Gewerbeimmobilien geprägten Quartier, hat das ortsansässige Büro FRPO Rodriguez & Oriol in einer Baulücke das sechsgeschossige Wohnhaus Elcano mit dreizehn Wohnungen und zwei Gesichtern errichtet: Während die Straßenfassade aus Beton nahezu blickdicht ausgeführt ist, zelebriert die zum Hof ausgerichtete Südfassade große Offenheit.

Zwei große Öffnungen setzen Akzente in der regelmäßigen Nordfassade.
Das dicht bebaute Quartier war einst von Gewerbeimmobilien dominiert.
Die rückwärtige Südfassade wird vom Spiel unterschiedlicher Formate belebt.

Knapper Raum clever genutzt

Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass es doch einige Schnittmengen zwischen den beiden Gebäudeseiten gibt: Einige der opaken Betonelemente sind Shutter und lassen sich öffnen, während der transparenten Hoffassade Laubengänge vorgelagert sind, die sich mit Senkrechtmarkisen vor der Sonne schützen und vor Blicken verschließen lassen. Das 22 Meter breite und über 30 Meter tiefe, trapezförmige Grundstück, das zuvor ganzflächig mit einer Halle bebaut war, durfte aufgrund der Bauvorschriften nur mit einem zwölf Meter tiefen Neubau überplant werden, weshalb im hinteren, südseitigen Bereich Raum für einen Garten mit Swimmingpool blieb.

Die Wohnungen in den unteren beiden Geschossen sind als Maisonetten ausgebildet, zum Garten orientiert und wegen des Straßenlärms rund vier Meter nach innen gerückt. Ein zweigeschossiger Luftraum ist hier straßenseitig den Wohnungen vorgeschaltet und dient der natürlichen Belüftung der unter dem gesamten Grundstück befindlichen Tiefgarage mit 32 Stellplätzen. In den darüberliegenden Geschossen sind je drei Zwei- und Dreizimmerwohnungen angeordnet, von denen zwei die Möglichkeit zur Querlüftung bieten, während die dritte Wohnung zum Garten hin ausgerichtet ist. Das oberste Geschoss ist als Staffelgeschoss mit zwei Wohnungen ausgebildet. Die Wohnungen haben weitgehend offene Grundrisse mit Schiebetüren, Einbauschränken und geschliffenen Estrichböden.

Fassade: Fläche im Norden, Tiefe im Süden

Nord- und Südfassade wurden entsprechend der Wohnnutzung nahezu konträr behandelt. Die straßenseitige Nordfassade ist weitgehend geschlossen. Zwei geschosshohe Öffnungen setzen die Hauptakzente in der regelmäßig gegliederten Fläche: An der Ostseite sind im Erdgeschoss der Eingang bzw. Durchgang zum Garten und die Tiefgaragenabfahrt zusammengefasst, die mit einem weißen Metallgitter geschlossen werden können. An der Westseite ist auf dem Niveau des ersten Obergeschosses die große Lüftungsöffnung der Tiefgarage angeordnet. Gelbe Innenwandflächen färben das auf die Straße dringende Licht in zwei unterschiedlichen Nuancen.

Shutter aus glasfaserverstärktem Beton
Auch diese beiden Öffnungen sind in das strenge Fassadenraster integriert. Fertigbetonteile in den Deckenebenen bilden die Horizontalen. Dazwischen sind bündig mit der Vorderkante pro Geschoss jeweils 23 Paneele aus glasfaserverstärktem Beton eingehängt, die alle je 90 Zentimeter breit und 2,20 Meter hoch sind. Je zwölf dieser Paneele sind vor den raumhohen Fenstern angeordnet und lassen sich nach außen aufklappen. In jedem Geschoss sind die Öffnungselemente jeweils an den gleichen Positionen einzeln oder in Zweiergruppen angeordnet. Im Gegensatz zu traditionellen Klappläden lassen sie sich aber nicht spiegelsymmetrisch wie Zweiflügeltüren, sondern alle in eine Richtung öffnen: Von innen aus gesehen ist die Drehachse immer links und der Anschlag rechts. Diese Elemente beleben – je nach Tagesablauf der Bewohner – die ansonsten flächige Straßenansicht.

Laubengänge als Klimapuffer
Die Südfassade hat dagegen eine räumliche Tiefe durch rund 50 Zentimeter tiefe Laubengänge beziehungsweise eine Balkonzone im Staffelgeschoss. Die weißen, vorgefertigten Metallrahmen variieren in drei Breiten. Sie halten filigrane, weiße Staketengeländer und dienen zugleich als Führung für die in der äußeren Ebene angeordneten hellen Senkrechtmarkisen. Letztere dienen aufgrund ihrer Anordnung vor der Fassade als effektiver Sonnenschutz. Der Laubengang dient somit nicht nur als Balkonzone, sondern auch als Klimapuffer: Indem die Sonnenenergie bereits zum größten Teil reflektiert wird, bevor sie durch das Fenster in den Innenraum eindringen kann, wird eine Erhitzung der Raumtemperatur verhindert.

Bautafel

Architektur: FRPO Rodriguez & Oriol, Madrid
Projektbeteiligte: Pablo Oriol, Fernando Rodríguez (Projektleiter); Fran Díaz, Ricardo González, Esther Ibáñez, Matilde Lorenzo, Almudena Navas, Julia Burón (Projektteam Architekten); Antonio Lorenzo, David Marcos, Pablo Urbano, Pablo Matilla, Grupo AXIOM, Madrid (beratende Ingenieure) 
Bauherrschaft: privat
Fertigstellung: 2018
Standort: Calle de Sebastián Elcano, 28012 Madrid, Spanien
Bildnachweis: Miguel de Guzmán + Rocío Romero (Imagen Subliminal), Madrid / New York;  FRPO Rodriguez & Oriol, Madrid

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