Verlags- und Redaktionsgebäude taz in Berlin

Fassade versinnbildlicht die Unternehmensphilosphie

Fast dreißig Jahre lang war die Berliner Tageszeitung taz in einem Altbau gegenüber dem Checkpoint Charlie ansässig. Obwohl das Haus 1991 um einen Erweiterungsbau ergänzt wurde, bot es zuletzt nicht mehr genügend Platz für alle 250 Mitarbeiter. Die Verlagsgenossenschaft entschied sich daher für einen Neubau. Nur einen Häuserblock weiter, in der Friedrichstraße, die städtebaulich und historisch zu den wichtigsten Achsen Berlins zählt, konnte die Zeitung ein brachliegendes Grundstück erwerben. Aus einem 2014 durchgeführten, nicht offenen Architektenwettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren ging das Züricher Architekturbüro E2A Piet Eckert und Wim Eckert als Sieger hervor.

Blick auf das neue taz-Gebäude von der Hedemannstraße aus
An der Fassade zeichnet ein Netz aus feuerverzinktem Stahl die Tragwerksstruktur nach.
Als zweiter Fluchtweg wurde auf der Gebäuderückseite eine Stahltreppe angefügt, die den Innenhof abschließt.

Die Aufgabenstellung war anspruchsvoll: Der Entwurf für das neue Verlagshaus sollte nicht nur das progressive Image der taz gestalterisch umsetzen, sondern auch der städtebaulichen Situation Rechnung tragen. Das Quartier am südlichen Ende der Friedrichstraße ist sehr heterogen und wurde 2011 zum Sanierungsgebiet erklärt. Neben gründerzeitlichen Wohn- und Geschäftshäusern ist es von hochverdichtetem Geschosswohnungsbau der 1960er- und 1970er-Jahre sowie Wohn- und Gewerbebauten geprägt, die im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) 1987 entstanden. In unmittelbarer Nachbarschaft des taz-Neubaus, rund um die ehemalige Blumengroßmarkthalle ist außerdem ein Kunst- und Kreativquartier entstanden.

Die Architekten entwickelten das Verlagshaus als bauliches Bindeglied, das zwischen der traditionellen Berliner Blockrandbebauung und den IBA-Solitären vermittelt. Zur Friedrichstraße hin fügt sich der Baukörper mit seinen sieben Geschossen in Traufhöhe und Flucht in die bestehende Bebauung ein. Ein leichter Rücksprung in der Fassade über die gesamte Gebäudehöhe markiert den Eingangsbereich. Nach Osten öffnet sich der Bau in Form eines U-förmigen Hofs zum neuen Kreativquartier. Für große Flexibilität bei der Belegung der Büroflächen sorgt die Tragwerksstruktur aus außenliegenden, schräg stehenden Stahlbetonstützen und darauf aufliegenden Betonrippendecken mit einer Spannweite von 13 Metern. Die Innenräume mit einer Nutzfläche von insgesamt 5.400 Quadratmetern sind dadurch komplett stützenfrei.

Fassade als Verbildlichung der taz-Philosophie

Prägendes Merkmal des Neubaus ist die Fassade. Wie ein filigranes Netz legt sich ein Gerüst aus feuerverzinktem Stahl, das die diagonalen Betonstützen nachzeichnet, um den Baukörper. Das Fassadengitter mit seinen 500 Knotenpunkten soll die Philosophie der taz widerspiegeln: Das Netz als Struktur und System ohne Hierarchie, in dem alle Teile gleich viel zu leisten haben und nur zusammen Stabilität erreichen. Bewusst setzten die Architekten Bezüge zum sowjetischen Konstruktivismus der 1920er-Jahre und zum Moskauer Radioturm von Wladimir G. Schuchow, dessen netzförmige Struktur mit möglichst wenig Material maximale Tragfähigkeit erreichte. Der Glasfassade vorgelagert, aber geschützt durch die Stahlgitter, sind umlaufende Balkone. Als zweiter Fluchtweg wurde auf der Gebäuderückseite eine Stahltreppe angefügt, welche die Balkone miteinander verbindet und den Hof nach Osten abschließt. Den sich immer wieder kreuzenden Treppenläufen wohnt trotz der Einfachheit des Materials ein geradezu skulpturaler Charakter inne. Eine Ausnahme bildet die Südfassade. Da sich hier in einigen Jahren ein weiteres Gebäude anschließen wird, wurde sie als durchgängige Brandwand konstruiert und temporär mit einem Street-Art-Mosaik versehen.

Das Gebäudeinnere ist in drei Zonen gegliedert: Ein schlanker Büro- und Versorgungsflügel mit kleinen Räumen verläuft entlang der Brandwand im Süden. Die zweite Zone in der Gebäudemitte bildet das Foyer und beherbergt Veranstaltungsräume, den taz-shop und eine großzügige, mit Glas eingehauste Treppe, die als kommunikatives Herz alle Geschosse miteinander verbindet. Ab dem ersten Geschoss verläuft sie als vierläufige Treppenstruktur mit breiten Podesten als Treffpunkt. Die dritte Zone mit großen, offenen Raumflächen befindet sich im Norden. Im Erdgeschoss ist dort ein hauseigenes Café mit Bezug zum angrenzenden Besselpark untergebracht. In der obersten Etage befindet sich ein doppelgeschossiger Panoramaraum mit Ausblick auf Berlin. Das Dach besitzt eine begehbare Terrasse.

Die Gestaltung der Räume ist auf das Wesentliche reduziert. Die Grundtonalität ist Grau. Es dominiert Sichtbeton, der zum Teil mit Gitterrosten und schwarzem Textil verhüllt ist. Ein Großteil der Fußböden ist mit grauem Noppenboden aus Kautschuk belegt. Farblich sticht der 160 Quadratmeter große Konferenzraum im ersten Obergeschoss heraus. Er wurde passend zum Corporate Design der Zeitung mit einem feuerroten Noppenboden ausgestattet.

Gebäudetechnik: Adiabate Kühlung

Für die Gebäudetechnik entwickelten Architekten und Fachplaner ein Low-Tech-Konzept. Ziel war es, dass das Gebäude aufgrund seiner baulichen Gestaltung selbst den Hauptanteil der raumklimatischen Arbeit übernimmt und durch die Anlagentechnik nur noch die Feinjustierung erfolgt. So hält die Gebäudehülle mit guter Dämmung, Wärmeschutzisolierverglasung und außenliegendem, automatischem Sonnenschutz den Hitzeeintrag im Sommer gering, was die Kühllast vermindert. Durch die hohe thermische Speicherfähigkeit des Stahlbetontragwerks reguliert sich das Klima der Innenräume größtenteils auf natürliche Weise. In der warmen Jahreszeit kühlt der Beton nachts aus und gibt die Kühle tagsüber wieder langsam an die Innenräume ab.

Wird der Wärmeeintrag dennoch zu groß, werden Klimakonvektoren oder Fan Coils hinzugeschaltet. Dabei handelt es sich um Luft-Wasser-Klimaanlagen mit einem Ventilator und einem Wärmetauscher, die als Brüstungsgeräte an der Innenseiten der Glasfassaden installiert sind. Zur Kühlung wird kaltes Wasser durch die Wärmetauscher der Klimakonvektoren geleitet. Erzeugt wird das Kühlwasser durch ein adiabates Kühlsystem, das hocheffiziente hybride Verdunstungskühltürme nutzt. Leitungswassertropfen werden dabei auf ein System großflächiger dünner Röhrchen gesprüht, wobei Verdunstungskälte entsteht. Je wärmer und trockener die Außenluft ist, desto effizienter arbeitet die Verdunstungskühlung. An schwülen Hitzetagen, wenn die Kühltürme nicht die volle Leistung erbringen können, kommen konventionelle Kältemaschinen zum Einsatz.

Durch die gute Dämmung des Gebäudes wird im Winter wenig Heizenergie benötigt. Der Wärmetauscher der Fan Coils wird dann von warmem Wasser durchflossen. Das Wasser erwärmt sich bei der Kühlung der Rechenzentrum-Server und der Kühlräume der taz-Kantine. Spitzenleistungen bei der Wärmeversorgung an besonders kalten Tagen werden durch Fernwärme gedeckt.

Für die Lüftung des Neubaus wurde ein innovatives Konzept realisiert, bei dem das Treppenhaus als Abluftkanal dient. Die Abluft gelangt im Deckenbereich über motorisierte Klappen ins Treppenhaus, wo sie ins Freie geleitet oder in der kalten Jahreszeit über die Wärmerückgewinnung läuft. Eine Ausnahme bildet geruchsbelastete Luft, beispielsweise aus den Toilettenanlagen, die direkt übers Dach abgeführt wird. Bei innenliegenden Räumen wird die Zuluft über passive Überströmelemente aus den umliegenden Großraumbüros eingebracht. Die Abluft wird über aktive Überströmelemente zurück in den Verkehrsbereich der Büros gefördert. Die Steuerung erfolgt bedarfsabhängig über einen Präsenzmelder.

Auf der Dachfläche sind 86 Photovoltaikmodule installiert. Sie produzieren jährlich rund 27.000 Kilowattstunden Strom, der komplett im taz-Gebäude verbraucht wird. Da der selbsterzeugte Strom nur fünf Prozent des gesamten Stromverbrauchs im Gebäude ausmacht, wird Ökostrom hinzugekauft.

Bautafel

Architekten: E2A Architekten Piet Eckert und Wim Eckert, Zürich
Projektbeteiligte: Sedeno Bauplanung, Berlin (Bauleitung), SMV Bauprojektsteuerung, Berlin (Projektsteuerung); GuD Planungsgesellschaft für Ingenieurbau, Berlin (Tragwerksplanung Baugrube/Tiefgründung); Schnetzer Puskas International, Basel (Tragwerksplanung); PHA-Planungsbüro für haustechnische Anlagen, Volkmarsen (TGA-Planung); EBP Schweiz, Zürich (TGA-Planung); jh-Ingenieure, Kleinmachnow (Bauphysik); hhp Berlin Ingenieure für Brandschutz, Berlin (Brandschutz); Emmer Pfenninger Partner, Münchenstein (Fassadeplanung); Solarpraxis Engineering, Berlin (Solaranlage); Hofgrün, Berlin (Landschaftsplanung)
Bauherr: taz, die Tageszeitung Verlagsgenossenschaft, Berlin
Fertigstellung: 2018
Standort: Friedrichstraße 21, 10969 Berlin
Bildnachweis: Rory Gardiner, London; Rasmus Norlander, Stockholm; Yasu Kojima, Berlin

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