Umbau Architekturbüro am Ammersee

Idealausrichtung eines Dachgeschosses

Seit zehn Jahren residierte das Architekturbüro Vonmeiermohr im bayerischen Schondorf am Ammersee, als man 2018 beschloss, die beengte Raumsituation durch einen Umbau zu verbessern. Denn das angemietete Siedlungshaus aus den 1930er-Jahren platzte mit seinen 80 Quadratmetern Grundfläche angesichts eines auf 15 Mitarbeiter angewachsenen Teams aus allen Nähten. Ein Umzug stand aufgrund der einmaligen Lage mit Blick auf den Ammersee nicht zur Debatte. So überzeugten die Architekturschaffenden den Vermieter von ihrer Projektidee Zimmer mit Aussicht. Dabei wurde das historische Dach samt Gebälk komplett abgetragen, und an seiner Stelle ein größeres, lichtes Dachgeschoss aus Holz errichtet.

Das alte Dachgeschoss wurde abgetragen und durch ein weitaus größer dimensioniertes ersetzt.
Dabei wurden die Giebelwand und der First des Steildaches um einige Grad in die ideale Ausrichtung zum See gedreht.
Im Süden und Westen sind die Fenster mit Fensterläden ausgestattet, welche sich sowohl horizontal als auch vertikal ausstellen lassen.

Mehr Blick und mehr Fläche

Die Konstruktionsweise mit einem hohen Grad an Vorfertigung in der Zimmerei erlaubte eine Bauzeit von nur vier Monaten. Die oberste Balkenlage des massiv gemauerten historischen Hauses trägt seit dem Umbau eine neue Holzdecke aus Massivholzplatten, auf der ein Holzständerwerk errichtet wurde. Den oberen Abschluss bildet ein Satteldach aus vorgefertigten Dachelementen, die von drei Pfetten getragen werden. Außergewöhnlich ist die Ausrichtung der Aufstockung: Für die ungehinderte Aussicht auf den See wurde die Giebelwand und mit ihr der Firstverlauf zum See hin gedreht. 

Der Grundriss des Dachgeschosses ist größer als der des erhaltenen Erdgeschosses, denn die neue Holzdecke kragt über die untere Etage aus und weitet sich auf der zum See gelegenen Ostseite zu einer großen Loggia mit keilförmiger Grundfläche. Der Zugang zur oberen Ebene ist sowohl über das Erdgeschoss als auch über eine nördlich gelegene Außentreppe an der Breitseite der Loggia möglich. So können die beiden Geschosse optional separat genutzt werden.

Das 120 Quadratmeter große Dachgeschoss besteht aus einem offenen Raum mit Arbeitsplätzen und einer Küchenzeile. Unterteilt wird der Raum von einer Stahltreppe, die zu einer abgehängten Galerie führt. Darauf befindet sich ein Lesebereich mit kleiner Fachbibliothek und Sofa für kreative Ruhepausen.

Naturmaterialien und Energieeffizienz

Nach Osten erstreckt sich über die gesamte Giebelfront eine bodentiefe Fensterfläche, die in Lärchenholz gefasst ist. Damit wird nicht nur die Loggia optisch in den Büroraum einbezogen. Der ungehinderte Blick auf alte Eichen und auf den Ammersee prägt den Raum. Neben der großen Fensterfront gibt es kleinere Fensteröffnungen im Süden und Westen. Diese sind mit traditionell anmutenden Holzläden ausgestattet, die sich sowohl horizontal öffnen als auch vertikal ausstellen lassen. So sollen die Mitarbeitenden je nach Wetter und Sonnenstand selbst bestimmen, wie viel Licht, Sonne und Ausblick gewünscht sind.

Eine ökologische Bauweise war die oberste Prämisse bei der Planung und Umsetzung des Projekts. So verwendete man mit Holzfaser gedämmte Wandelemente aus Holz und setzte ausschließlich lösungsmittelfreie Farben und Öle ein. Auch die selbst entworfenen Einbauten wurden, ebenso wie der massive Handlauf der Balkonreling, vom Schreiner aus geöltem Massivholz gefertigt. und tragen zu einem guten Raumklima bei. Die gedämmten Wand- und Dachelemente sowie der Austausch der alten Ölheizung gegen einen modernen Ölbrennwertkessel konnten die Energieeffizienz deutlich steigern: So ist der Energieverbrauch im neuen Büro mit 200 Quadratmetern geringer als zuvor auf 80 Quadratmetern.

Dach: Pfettendach mit asymmetrischem Firstverlauf

Das großzügig geschnittene, leicht asymmetrische Pfettendach ist eine Reminiszenz an die alten Bootshütten am See. Die sägeraue Fichtenholz-Brettverschalung des Aufbaus, die mit der Zeit verwittert, sowie das mattgraue Zink der Dachdeckung spiegeln deren Charakter wider. So integriert sich die Aufstockung problemlos in die Bestandsbebauung, ohne auf eine eigene Formensprache zu verzichten. Für den fulminanten Blick auf den See drehten die Architekten die Giebelwand und mit ihr den Firstverlauf. Trauf- und Ortgang bleiben in der Dachaufsicht parallel zu den Außenwänden. Dadurch erhielt das flach geneigte Satteldach eine sehr dynamische Form, die von jeder Seite eine andere Dachform zu zeigen scheint. 

Von innen sieht es aus wie ein normales Satteldach. Der Blick von außen jedoch zeigt durch den zur Gebäudekante eingedrehten Verlauf des Firsts viele sichtbar gelassene Schiftersparren. Die Seitenansicht verdeutlicht, dass die Verdrehung zu einer steigenden Traufe führt, während die flache Neigung das Dach stellenweise als Pultdach erscheinen lässt. In der Rückansicht schließlich sieht man ein asymmetrisches Satteldach. So führt schon der Gang um das Haus nur bei der Betrachtung der Dachform immer wieder zu einem Perspektivwechsel. Die Verdrehung und die im rechten Winkel zum First gesetzte Giebelfassade schufen einen großzügig bemessenen Außenbereich unter einem weit auskragenden Dachüberstand, wo Besprechungen im Freien abgehalten werden können.

Dachaufbau (von außen nach innen):

  • Doppelfalz-Blechbahndeckung
  • Schalung aus 3-Schichtplatte, 25 mm
  • Konterlattung, 30/50 mm
Element:
  • Holzfaser-Unterdeckplatte, 35 mm
  • Sparren, 120/240 mm + Zwischensparrendämmung
  • Grobspanplatte (OSB/4)-Platte, 19 mm  
  • Lattung, 40/60 mm
  • Trockenbauplatte, 15 mm
Aufbau Vordach (von außen nach innen):
  • Doppelfalz-Blechbahndeckung
  • Schalung aus 3-Schichtplatte, 25 mm
  • Konterlattung, 30/50 mm
  • Sparren, 120/240 mm
Das Projekt wurde in der Kategorie „Gewerbe- und Verwaltungsgebäude“ des BDA Preises Bayern 2019 ausgezeichnet und ist für den DAM Preis für Architektur vom Deutschen Architekturmusum (DAM) 2020 nominiert. Die Plattform Dachkult empfiehlt das Projekt als richtungsweisendes Beispiel für die Verbindung aus Bürobau und Steildach. Auslöser für die Empfehlung war die Studie Zur kulturellen Dimension des Steildaches aus der unter anderem hervorging, dass Architekten das Steildach eher nicht als passende Dachform für die Bauaufgabe „Büro“ sehen (siehe Tipps zum Thema).

Dachkult ist die Plattform der Initiative Pro Steildach. Sie setzt sich dafür ein, die Vorteile geneigter Dächer wieder stärker ins Bewusstsein von Architekturschaffenden, Planenden, öffentlichen und privaten Bauherrschaften oder Kommunen zu rücken, Faszination für das Steildach auszulösen und dessen Bedeutung für die Qualität unserer Städte hervorzuheben (siehe Surftipps).

Bautafel

Architektur und Bauherschaft: VONMEIERMOHR Architekten, Schondorf am Ammersee
Projektbeteiligte: Ingenieurplanung Bergmaier, Grafrath (Tragwerksplanung); Day & Light – Lichtplanung, München (Lichtplanung);  Zimmerei C&H Schneider, Penzing (Zimmererarbeiten); Urban Weber Bau, Utting am Ammersee (Bauarbeiten); Elektro Steer, Schondorf (Elektrik); Ullrich Heizung Wasser Sanitär, Edenkoben (Heizung); Schreinerei Leutenbauer, Weßling-Hochstadt (Möbel); Freier Landschaftsbau, Schondorf (Landschaftsarchitektur)
Fertigstellung: 2018
Standort: An der Point 1, 86938 Schondorf am Ammersee
Bildnachweis: Rainer Viertlböck, Gauting; Yorck Dertinger, Schondorf am Ammersee

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