Therme Lindau am Bodensee

Badetempel mit komplexer Gebäudetechnik

Bis vor wenigen Jahren befand sich am Lindauer Bodenseeufer das bekannte Strandbad Eichwald, das mit seinen drei Becken direkt an der Wasserkante für ein besonderes Badeerlebnis sorgte. Im letzten Jahr nun wurde es durch die von 4a Architekten geplante Therme Lindau am Bodensee ersetzt, die sogar für noch mehr Badevergnügen sorgt. Die Atmosphäre in den Innenräumen des Neubaus ist klar und ruhig, doch hinter den Kulissen sorgt stetig eine aufwendige, smarte Gebäudetechnik für das richtige Klima und gute Wasserqualität.

Die Zugangsseite des Gebäudes ist dem Eichwald zugewandt.
Das langgestreckte und horizontal geschichtete Thermengebäude ist formal an der Uferkante ausgerichtet – wie eine Steinscholle.
Im östlichen Gebäudeteil befindet sich der Familien- und Sportbadebereich, der auch ein 50-Meter-Außenbecken umfasst.

Das Ufergrundstück mit altem Baumbestand und nach Südwesten gerichtetem Blick über den Bodensee liegt in einem landschaftlich recht sensiblen Bereich, für den eine individuelle architektonische Antwort gefunden werden musste. Die Verantwortlichen haben den Neubau als langgestreckten, horizontal geschichteten und der Wasserkante folgenden Baukörper ausgebildet, der sich möglichst zurückhaltend in die Umgebung fügen sollte – „wie eine Steinscholle“, so das prägende Bild des Entwurfs. Wichtiger, räumlicher Entwurfsansatz ist dabei eine große Offenheit, vornehmlich zum See hin, aber auch als Durchbruch zum Eichwald auf der Nordostseite – eine kleine, mit Eichenbäumen bepflanzte Grünanlage. Das in Sichtbeton ausgeführte Erdgeschoss ist ähnlich einer Landschaft ausgebildet, in denen sich die unterschiedlichen Erlebnisbereiche befinden. Die Fassaden des Obergeschosses wurde mit vertikalen Holzlamellen bekleidet. Dadurch und durch seine innere Struktur stellt der erste Stock vielfältige Bezüge zum Außenraum, aber auch zum Geschehen im Parterre her. Im Innenraum ist die umgebende Natur stets deutlich spürbar. Das sich ständig verändernde Spiel aus Licht und Schatten verleiht den Räumen eine zusätzliche emotionale Wirkung.

Vielfältiges Bade- und Naturerlebnis

Der Komplex ist in drei unterschiedliche Bereiche gegliedert: das Familien- und Sportbad, den Thermen- und Wellnessbereich sowie die Saunalandschaft mit zwölf Saunen. Hinzu kommen gastronomische Einrichtungen und ein Fitnessbereich. In der Badelandschaft gibt es ein 25-Meter-Schwimmbecken mit Sprungbrettern, ein Lehrschwimmbecken, eine – zum größten Teil außenliegende – Rutschenanlage mit Wildbach und einen Kleinkinderbereich. Im Süden und Osten wird das Grundstück weiterhin als Strand- und Freibad genutzt; mit einem 50-Meter-Außenbecken und einem separaten, eingeschossigen Gebäuderiegel für Umkleiden und sanitäre Anlagen. In der Gebäudemitte befindet sich der Thermenbereich mit höhlenartigem Soleschwebebecken, einem Sprudelbecken, einem Quellbecken, einem Dampfbad und einer Finnischen Sauna sowie dem Thermenaußenbecken.

Der westliche Gebäudeteil beherbergt über zwei Geschosse weitere Saunen, räumlich übergehend in den Saunagarten mit Außensauna. Stets präsent sind der weite Seeblick und das Alpenpanorama. Bei der Ausgestaltung der Innenraumatmosphäre haben die Planenden auf ruhige und dezente Materialien zurückgegriffen. Vornehmlich Sichtbeton, Holz, Fliesen, Mosaiksteine und Glas prägen das Thermenerlebnis. Mit den Farben soll in abstrahierter Form das Naturthema aufgegriffen werden, unterstützt durch Farbakzente und Lichtszenerien. Immer wieder eröffnen sich neue Perspektiven, spannende Räume und lebendige Perspektiven – einem (Natur)Schauspiel gleich.

Ökologisch ausgerichtete Gebäudetechnik

Die enorme Vielfalt an Bade und Wellness-Möglichkeiten in der Therme Lindau ist natürlich nur mit einer enorm komplexen technischen Gebäudeausrüstung möglich. Grundlage der Planungen durch die Kannewischer Ingenieurgesellschaft war der Weitblick auf den späteren Betrieb unter energetischen und ökologischen Gesichtspunkten. Dazu gehört auch die ständige Überwachung mittels einer Gebäudeleittechnik, in der sämtliche Gewerke miteinander vernetzt sind.

Badewassertechnik

Eines der technischen Schlüsselgewerke ist dabei die Badewassertechnik. Sie besteht aus acht Beckenwasserkreisläufen, die insgesamt 14 Becken mit einer Gesamtwasserfläche von 1.712 m² versorgen. Die Badewasseraufbereitungsanlagen wurden nach der Verfahrenskombination gemäß DIN 19643-2: Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser - Teil 2: Verfahrenskombinationen mit Festbett- und Anschwemmfiltern als Adsorption-Flockung-Filtration-Chlorung mit geschlossenen Drucksandfiltern und größtenteils mit nachgeschalteter Pulveraktivkohledosierung ausgeführt. Die Desinfektion erfolgt über eine Flaschen-Chlorgasvollvakuumanlage. Der Betrieb der Beckenwasserkreisläufe läuft vollautomatisch über eine MSR-Technik, die technischen Mitarbeiter können jedoch jederzeit von Hand in die Betriebsabläufe eingreifen. Über die Frischwassernachspeisung werden die einzelnen Becken stetig mit Trinkwasser versorgt, wobei eine zentrale Wärmerückgewinnung zwischen Stetsab- und Stetszulauf die Wärmeverluste minimiert. Neben der klassischen Beckenwassererwärmung über die Wärmezentrale kommen zusätzlich Solarabsorber zum Einsatz. So nutzt das 50-Meter-Außenbecken eine Absorberfläche von rund 440 m². Zusätzlich wird die Abwärme der Kältemaschinen der benachbarten Eishalle genutzt. Das Spülabwasser der Filterrückspülung wird nicht in die Schmutzwasserkanalisation eingeleitet, sondern in der Therme Lindau so aufbereitet, dass das Wasser der Vorflut zugeführt werden kann, von wo aus es dem Bodensee zugeführt wird.

Wärmeversorgung

Die Therme Lindau verfügt über eine Kombination aus Kraft-Wärme-Kopplung zur Grundlastabdeckung und Spitzenlastkesseln. Das wärmegeführte Blockheizkraftwerk (BHKW) mit einer elektrischen Leistung von 240 kW wird mit Gas betrieben, ebenso die beiden Brennwertkessel mit einer thermischen Leistung von jeweils 1.100 kW. Damit ergibt sich eine installierte thermische Gesamtleistung von 2.574 kW. Über zwei in Reihe geschaltete Heizungspufferspeicher mit jeweils 6.000 Litern und dem dazugehörigen Speichermanagement können Taktungen des BHKWs reduziert werden.

Be- und Entlüftung

Insgesamt zwölf Lüftungsanlagen gibt es in der Therme Lindau, verteilt auf drei Lüftungszentralen. Die Lüftungszonen sind nach Nutzungs- und Klimazonen unter Beachtung der unterschiedlichen Raumtemperaturen aufgeteilt. Die Gesamtluftmenge über alle Lüftungsgeräte beträgt ca. 150.000 m³/h, wobei die beiden Anlagen für die Thermenhalle und den Sportbadbereich mit einer Luftmenge von jeweils 34.000 m³/h die größten Geräte sind. Auch hier werden die Wärmeverluste durch Wärmerückgewinnungssysteme minimiert.

Warmwasserversorgung

Im kompletten Gebäude verteilt gibt es 50 Reinigungsduschen, außerdem 29 Attraktionsduschen mit Stachel-, Regen- oder Schwallbrausen. Sämtliche Duscheinrichtungen sind mit elektronischen Magnetventilen ausgestattet, sodass eine regelmäßige Spülung der Verbraucher über die zentrale Ansteuerung erfolgen kann. Die Warmwasserbereitung schließlich erfolgt zentral im Durchflussprinzip. Über zwei Heizungsspeicher wird dabei die Wärmeenergie zur Spitzenlastabdeckung des Warmwassersystems gepuffert und über Wärmetauscher direkt an das Trinkwassersystem abgegeben. Die Warmwasserbevorratung im Gesamtsystem reduziert sich dadurch auf das Rohrleitungssystem Warmwasser und Zirkulation und wird im Vergleich zu einem Speicher-Ladesystem deutlich minimiert. -tg

Bautafel

Architektur: 4a Architekten, Stuttgart
Projektbeteiligte
: Schauer & Co., Überlingen (Generalübernehmer, Investor u. Betreiber); Georg Reisch, Bad Saulgau (Totalunternehmer u. Bauleitung Rohbau); vdo Architekten, Weingarten (Ausschreibung und Bauleitung); Planstatt Senner, Überlingen (Landschaftsplanung); Fischer + Friedrich, Fellbach (Tragwerksplanung); Kurz und Fischer, Winnenden (Bauphysik); Kannewischer Ingenieurgesellschaft, Baden-Baden (HLS); Ingenieurbüro Werner Schwarz, Ravensburg (Elektro- und Lichtplanung); Ingenieurbüro Manfred Oelmaier, Biberach (Brandschutz)
Bauherr/in
: Bäderbetriebe Lindau und Therme Lindau (Schauer & Co., Überlingen)
Fertigstellung
: 2021
Standort
: Eichwaldstraße 16-20, 88131 Lindau am Bodensee
Bildnachweis: David Matthiessen, Stuttgart; 4a Architekten, Stuttgart

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