Stadthalle in Lohr am Main

Außen und innen Sichtmauerwerk im Wilden Verband

Projekte wie die Elbphilharmonie in Hamburg oder der Berliner Flughafen BER sind prominente Beispiele, wie die Kosten bei einem öffentlichen Bauvorhaben aus dem Ruder laufen können. Eine ähnliche Entwicklung zeichnete sich im unterfränkischen Lohr am Main ab, als die Kleinstadt 2005 einen Wettbewerb für eine neue Stadthalle samt Erlebnisbad ausschrieb und in der anschließenden Planungsphase die Kosten immer weiter anstiegen. 2009 stoppte daraufhin ein Bürgerbegehren das Unterfangen. Mit einem erneuten Vergabeverfahren für den Bau einer Stadthalle mit Tiefgarage unternahm die Stadt einen zweiten Anlauf. Dieses Mal setzte sich das Stuttgarter Büro Bez + Kock Architekten durch. Elf Jahre nach dem ersten Wettbewerb wurde der Kulturbau schließlich eröffnet.

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Das Grundstück nordöstlich der historischen Altstadt von Lohr, auf dem bereits der 2005 abgerissene Vorgängerbau stand, liegt nur wenige Schritte vom Mainufer entfernt. Aufgrund der heterogenen Umgebung mit Fluss, Kreisverkehr, Sportplatz, Freibad und Hotel konzipierten die Planer die Stadthalle als Ruhepol – das breite, flache Volumen soll statisch und erdend wirken. Der unregelmäßige, siebeneckige Grundriss und die verstreut angeordneten, mal waagerechten, mal senkrechten Fenster, die weder Rückschluss auf Geschosszahl noch Nutzung erlauben, erzeugen dabei genügend Spannung. Tatsächlich verfügt der unterkellerte Neubau über bis zu drei Geschosse, der zentrale Veranstaltungssaal und das Foyer nehmen die gesamte Gebäudehöhe ein. Der Haupteingang an der Nordwestseite ist der Jahnstraße zugewandt und markiert durch einen breiten Einschnitt des Volumens im Erdgeschoss. Der um wenige Stufen erhöhte Vorplatz wird südwestlich flankiert durch ein Hotel und soll in den Sommermonaten durch ein hauseigenes Bistro belebt werden.

Die Besucher gelangen über einen Windfang in die Eingangshalle, die dank ausgedehnter Oberlichter von Tageslicht durchdrungen ist. Die Zugänge in den Saal mit 800 Plätzen liegen gegenüber; ebenso ein repräsentativer Treppenaufgang zu einer umlaufenden Galerie im Obergeschoss. Außer dem Bistro befinden sich im Erdgeschoss die Garderobe und Sanitäranlagen. Der obere Umgang erschließt die doppelgeschossig ausgebildeten Konferenzbereiche und die Empore des Saals. Von dort bietet eine raumhohe Verglasung nach Süden Ausblick auf den Main. Während die Foyerwände mit dem gleichen robusten Sichtmauerwerk wie die Fassaden gestaltet sind, erfolgte der Ausbau des Veranstaltungssaals in warmen Holztönen. Als Fußbodenbelag wurde ein Terrazzo mit wenigen Fugen verlegt.

Mauerwerk
Die zweischaligen Außenwände mit Wärmedämmung und Luftschicht sind 58 cm stark. Von innen nach außen sieht der Wandaufbau wie folgt aus: 1,5 cm Gipsputz, 25 cm Stahlbeton, 16 cm Mineralwolledämmung (oberseitig mit Glasvlies kaschiert), 4 cm Luftschicht und 11,5 cm Sichtmauerwerk. Für die Vormauerschale wählten die Architekten einen ungelochten Vollklinker mit den Maßen 24 x 11,5 x 5,1 cm. Der beige-braune Mauerziegel einer Normalsortierung wurde mit einem Hell-Dunkel-Verhältnis von dreißig zu siebzig Prozent im Wilden Verband vermauert. Aufgrund des speziellen Grundrisses wurden an den Gebäudeecken Formsteine verwendet. Die Stürze sind als verzahnte Stahlbetonfertigteile ausgeführt, welche werkseitig mit 3 cm starken Riemchen verkleidet und mit Edelstahlkonsolen am Rohbau befestigt wurden.

Als Fugenmörtel wurde ein weiß-beigefarbener, hydraulisch erhärtender, zementärer Trockenmörtel zum vollfugigen Mauern von Sicht- und Verblendmauerwerk verwendet. Das Mauern und Verfugen erfolgte „frisch in frisch“, in einem Arbeitsgang. Die Lagerfugen, die eine Höhe von ca. 10,5 mm aufweisen, wurden durchgehend 10 mm vertieft verfugt, die etwa 10 mm breiten Stoßfugen hingegen bündig mit der Ziegelvorderseite.

Für das ebenfalls im Wilden Verband erstellte Sichtmauerwerk im Foyer kam der gleiche Klinker zum Einsatz wie an den Fassaden. Zwischen der 25 cm starken Stahlbetonwand und der Vormauerschale, die über Mauerwerksanker mit der Tragkonstruktion verbunden ist, ordneten die Planer eine 3,5 cm Luftschicht an.

Bautafel

Architekten: Bez + Kock Architekten, Stuttgart
Projektbeteiligte: wh-p Beratende Ingenieure, Stuttgart (Tragwerksplanung); Henne & Walter Ingenieurbüro für Gebäudesysteme, Reutlingen (TGA/HLS); GBI Gackstatter Beratende Ingenieure, Stuttgart (ELT); Bühnenplanung Walter Kottke Ing., Bayreuth (Bühnenplanung); Ingenieurbüro Glonner Gastronomie- u. Verpflegungstechnik, Bad Wiessee (Küchenplanung); Lohrberg Stadtlandschaftsarchitektur, Stuttgart (Freiraumplanung); Wolfgang Sorge Ingenieurbüro für Bauphysik, Nürnberg (Baupysik); Ziegelei Hebrok, Natrup-Hagen (Klinker)
Bauherr: Stadt Lohr am Main
Fertigstellung: 2016
Standort:
Jahnstraße 8, 97816 Lohr am Main
Bildnachweis: Brigida González, Stuttgart; Bez + Kock Architekten, Stuttgart

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