Roy and Diana Vagelos Education Center in New York

Von Glasschwertern getragene Vorhangfassade

Eine fünf- bis sechsgeschossige Wohnbebauung aus den 1920er-Jahren prägt das Stadtbild im nördlichen Manhattan. Am westlichen Rand des New Yorker Stadtteils und unmittelbar an die typischen Klinkerfassaden mit bescheidenem Antlitz angrenzend, streckt sich ein vierzehnstöckiger Glaskomplex in den Himmel. Doch keine Luxuswohnungen oder die Büros finanzkräftiger Unternehmen beherbergt der gläserne Bau, sondern die neue Medizinfakultät der Columbia University. Geplant wurde das Roy and Diana Vagelos Education Center von dem New Yorker Architekturbüro Diller, Scofidio + Renfro. Auf einer Fläche von über 10.000 Quadratmetern schufen sie ein hochmodernes Raumgebilde, das den heutigen Ansprüchen effizienter Studien- und Lehrmethoden gerecht wird und trotz seiner Funktion als medizinischer Lehrbetrieb absolut nicht steril wirkt.

Der offene Treppenraum an der Südseite ist Erschließung und Kommunikationsfläche in einem
Geplant wurde der vierzehnstöckige Glaskomplex von Diller, Scofidio + Renfro
Die südliche Fassade wird von Glasschwertern mit Spannweiten von bis zu neun Metern getragen

Das Gebäude ist konzeptionell in eine Nord- und eine Südhälfte gegliedert: Nüchtern zeigt er sich nach Norden, expressiv nach Süden. Hier durchbrechen betongerahmte Raumeinheiten und ungleichmäßig breite Treppenläufe die Glasfassade. Als „study cascade“ bezeichnen die Architekten den südlichen Gebäudetrakt, dessen zentrales Element die Treppe ist. Sie verbindet die großzügige Lobby im Erdgeschoss mit der Sky Lounge in der vierzehnten Etage und ist viel mehr als nur eine Erschließungsfläche. Mit Sitzgelegenheiten, Kommunikationszonen und mehreren Terrassen ausgestattet, bietet sie den Studierenden außerhalb der Lehrzeiten die Möglichkeit, sich auszutauschen, zu entspannen oder einfach nur die Aussicht zu genießen. Die ist besonders spektakulär vom Auditorium im ersten Obergeschoss aus. Seine 275 Sitzplätze sind auf eine Fensterfront ausgerichtet, die einen Panoramablick auf den Hudson River, die Felsenwand von New Jersey und die George Washington Bridge erlaubt. An den auch für externe Veranstaltungen nutzbaren Saal schließt nahtlos eine große Terrasse an, zu der eine Freitreppe von der Straße heraufführt, eine weitere von einem Garten auf der westlichen Rückseite.

Im nördlichen Gebäudeteil sind die Seminarsäle, Labore, Simulations- und Reinräume sowie die technischen und administrative Büros angeordnet. Sie liegen hinter einer opaken Glasfassade verborgen, die von außen keine Einblicke erlaubt, von innen aber das Tageslicht sanft filtert.

Die Tragstruktur des Universitätsgebäudes besteht in erster Linie aus einem Stahlbetonkern. Im Bereich des Treppenhauses wirken schlanke Rundstützen aus Glasfaserbeton den Scherkräften entgegen. Aufgrund der sich nach oben verjüngenden Kubatur bis etwa zur Hälfte der Gebäudehöhe, stehen die Stützen teilweise schräg. Diese Grundkonstruktion ermöglichte eine große Gestaltungsfreiheit der äußeren Hülle. Sie zeichnet sich vor allem durch ihren hohen Glasanteil aus, der auf der Südseite die räumliche Aufteilung im Gebäudeinneren von außen ablesbar macht.

Glas
Am südlichen Gebäudeteil ist die Fassade sehr transparent, wird jedoch immer wieder von glasfaserverstärkten Betonelementen unterschiedlicher Art und Größe unterbrochen. Es handelt sich um eine Vorhangfassade, deren Isoliergläser von speziell gefertigten Glasschwertern getragen werden. Mit Längen von 1,20 bis 9,00 m und Tiefen zwischen 34 und 61 cm ist jedes dieser Schwerter ein Einzelstück.

Um die konstruktiven, mechanischen Teile der Glashülle zu kaschieren, sind die Befestigungspunkte der gläsernen Aussteifungen nach Möglichkeit im Boden oder hinter der opaken Fassadenverkleidung positioniert. Gegen die auftretenden Windkräfte sind die insgesamt 184 Glasschwerter zusätzlich mit T-förmigen Aluminiumprofilen ausgesteift. Sie wurden mit statischem Silikon auf die Stirnseiten der Isolierverglasungen geklebt und mit Schraubriegeln gesichert. Überlange Glasformate minimieren das Fugenbild. Dem Wunsch der Architekten nach einer Ganzglasecke konnte durch den Einsatz eines speziell entwickelten Eckprofils entsprochen werden, das Windlasten von bis zu 235N/qm aufnimmt.

Für die Außenverglasung wurde eisenoxidarmes Weißglas verwendet, das zusätzlich mit einer Low-E-Beschichtung zur Reduzierung von Wärmeverlusten versehen ist. Die Isolierglaspaneele sind 1,50 m breit und 0,30 bis 5,20 m hoch. Sie wiegen bis zu 550 kg. Die nördliche Fassade des Roy and Diana Vagelos Education Center wirkt, entsprechend der dahinter liegenden Nutzung, deutlich ruhiger. An der schlichten Aluminium-Elementfassade wurden die Scheiben in Teilbereichen mit weißen Rasterpunkten versehen. Das mittels Siebdruck aus keramischen Farben aufgebrachte Muster bricht das Sonnenlicht und verhindert ein starkes Aufheizen der Innenräume. In insgesamt sieben verschiedenen Abstufungen erreicht es einen Sichtschutz von bis zu 100 Prozent.

Bautafel

Architekten: Diller Scofidio + Renfro, New York (Entwurf); Gensler, New York (Ausführung)
Projektbeteiligte: Lera - Leslie E. Robertson Associates, New York (Tragwerksplanung); Vidaris, New York (Beratung Gebäudeoptimierung/Nachhaltigkeit); Tillotson Design Associates, New York (Lichtberatung); Josef Gartner, Gundelfingen und Permasteelisa, Vittorio Veneto (Fassade); Buro Happold Engineering, Bath (Fassadenberatung); David Kucera, Gardiner (Glasfaserverstärkter Beton); BGT Bischoff Glastechnik, Bretten (Glaslieferant)
Bauherr: Columbia University, vertreten durch Group PMX, New York
Standort: 104 Haven Avenue, USA-10032 New York
Fertigstellung: 2016
Bildnachweis: Iwan Baan, Amsterdam; Diller Scofidio + Renfro, New York

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Das Kunstwerk „Stanza II“ von Catherine Gfeller in Genf wurde mithilfe des Digitaldruckverfahrens auf 10 mm ESG gedruckt

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Glasbearbeitung

Digitaldruck auf Glas

Auf der Rückseite emailliertes Glas an der Fassade der Schrannenhalle in München von Garbe + Garbe, Ebersberg (Ausführung); Stefan Schumer, Wien, Franz Hölzl, München (Entwurf)

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Glossar A-Z

Emaillierung

Glasschwerter der Fassade am Hotel Esplanade am Potsdamer Platz in Berlin; Architektur: Murphy/Jahn Überdachung des Glasmuseums Broadfield House, Architekten: Design Antenna; Ingenieure: Dewhurst Macfarlane

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Glas-Primärtragwerke

Glasschwerter

Glastrichter im unterirdischen Besucherzentrum des Grazer Universalmuseums Joanneum (Architekten: eep, Graz mit Nieto Sobejano, Madrid)

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Glas-Primärtragwerke

Statische Scheiben aus Glas

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