Roche-Büroturm in Basel

Wendeltreppen über 45 Geschosse

Man kann ihn nicht übersehen: den sich stufenweise nach oben verjüngenden Büroturm des Pharmariesen Roche in Basel. Auf dem gleichnamigen, am nördlichen Rheinufer gelegenen Areal überragt er alle umgebenden Gebäude – die meisten um ein Vielfaches. Mit 205 Metern Höhe löst der 50-Geschosser seinen Nachbarn als höchstes Gebäude der Schweiz ab. Beide Hochhäuser wurden von dem Schweizer Architekturbüro Herzog und de Meuron geplant und beziehen sich in ihrer Formensprache explizit aufeinander. Nicht nur in seiner äußeren Erscheinung sticht der kolossale Baukörper hervor, im Inneren verbinden eindrucksvolle Wendeltreppen mit Glasgeländer die 45 Geschosse miteinander.

Die Bürotürme befinden sich auf dem historischen Roche-Areal, dem Hauptsitz des Pharmaunternehmens.
In seiner Formensprache bezieht sich der abgetreppte Turm auf das Nachbargebäude, das von demselben Büro geplant wurde.
Die beiden Türme stechen aus der umgebenden Bebauung deutlich heraus...

Auf den Spuren der klassischen Moderne

1896 gründete der Schweizer Unternehmer Fritz Hoffmann die Firma F. Hoffmann-La Roche & Co, aus der der heutige Konzern Roche hervorgegangen ist. Das Unternehmen begann als eines der ersten, Medikamente im industriellen Maßstab herzustellen. In den 1930er-Jahren betraute der damalige Generaldirektor Emil Barell den Architekten Otto Rudolf Salvisberg, der sich zuvor etwa mit seinen Siedlungsbauten Onkel Toms Hütte und Weiße Stadt in Berlin einen Namen gemacht hatte, mit dem Bau eines Betriebsgebäudes für den Konzern. Salvisberg wurde zum Chefplaner des Unternehmens berufen und entwickelte einen Masterplan für das Areal. Einzig ein dreigeschossiges Produktionsgebäude wurde zu Lebzeiten des Architekten fertiggestellt.

Nach seinem Tod 1940 setzte Salvisbergs einstiger Mitarbeiter Roland Rohn den Masterplan fort. Es entstand ein Industriegebiet aus streng nordsüdlich ausgerichteten Bauwerken, deren weiße Fassaden von Fensterbändern durchzogen sind. Sukzessive wichen Rohns Entwürfe immer mehr von der Ästhetik der klassischen Moderne ab und näherten sich zunehmend einer Mid-Century-Moderne. Schließlich avancierte in den 1990er-Jahren Herzog und de Meuron zum Chefarchitekturbüro des Pharmakonzerns. Das Team fügte Neubauten in das bestehende Masterplan-Layout ein. Teilweise wurde Bestand abgerissen – etwa für den Bau des ersten Turms. Geplant sind weitere Hochhäuser, denen voraussichtlich ebenfalls ältere Gebäude weichen sollen. Im März 2021 wurden jedoch mehrere historische Bauwerke auf dem Roche-Gelände unter Denkmalschutz gestellt.

In Dreiergruppen geclustert

Sowohl die helle Farbe der doppelschaligen Closed-Cavity-Fassade als auch die umlaufenden Fensterbänder können als Zitat der umgebenden Bestandsbauten gelesen werden. Die Gebäudehülle des abgestuften Turmes besteht zu 50 Prozent aus Glas. Integrierter Sonnenschutz hebt und senkt sich automatisch je nach Sonnenstand. Betreten wird das Hochhaus entweder über eine von drei Drehtüren im Süden oder über eine Drehtür im Norden. 

Der Baukörper ist in Cluster à drei Geschosse gegliedert, die jeweils über Wendeltreppen miteinander verbunden sind. Jedes Cluster verfügt über einen Außenraum in Form einer Terrasse oder einer Loggia. Zudem gibt es fünf Geschosse für Spezialnutzungen: Im Erdgeschoss befindet sich ein öffentlich zugängliches Café, im ersten und zweiten Obergeschoss Besprechungs- und Konferenzräume, im zwölften ein Bistro und im obersten eine Cafeteria.

16 Stahlwendeltreppen über 45 Geschosse

45 der 50 Geschosse werden über insgesamt 16 Stahlwendeltreppen verbunden, die über beidseitig verlaufende Glasbrüstungsgeländer verfügen. Die komplexen Treppenfiguren unterscheiden sich in ihrer Geschosshöhe, Laufbreite, Steigungsanzahl und Treppenteilung – also der Anzahl der Stufen bei voller Kreisumdrehung. Bei der Konstruktion handelt es sich um ein eingeschweißtes Faltwerk mit abgesetzten Stufen. Die glattflächige Stahluntersichtverkleidung ist statisch tragend und bündig zwischen die Treppenwangen eingeschweißt. 

Besonders ist das geschwungene Glasgeländer, das von beidseitig tragenden Stahl-Kastenwangen aufgenommen wird. Die Wangenbreite beträgt circa 14 Zentimeter, ihre Höhe variiert. Zu beiden Seiten der Treppe wurde ein brüstungshohes Geländer aus extraweißem Floatglas angebracht. Wie die Wangen sind auch die Geländer in unterschiedlichen Radien gekrümmt. Zur Realisierung extrem eng gebogener Krümmungsradien an den Deckenöffnungen wurden die Glasscheiben mit einer speziellen Verbundfolie beklebt. Die Treppen- und Galeriegeländer bestehen aus dem gleichen Material. Eingestellt wurde die Galeriebrüstung in Stahl-Deckenzargen, die als oberseitige Köcherkonstruktion mit U-förmigem Klemmprofil ausgeführt sind.

Eine weitere Besonderheit ist der vierseitig gerundete Holzhandlauf. Es handelt sich dabei um eine Sonderanfertigung aus mehrschichtverleimter, europäischer Eiche mit geölter Oberfläche. Diese wurde direkt auf die gläsernen Geländer gesetzt und mit einer Klebeverbindung fixiert. Der Einbau der Wendeltreppe erforderte technische Präzision und logistisches Organisationstalent. Aufgrund fehlender Lagermöglichkeiten vor Ort mussten die vorgefertigten Treppensegmente nach der Anlieferung direkt mittels Baukran montiert werden. Insgesamt hat die Einbauphase drei Jahre gedauert. -np

Bautafel

Architektur: Herzog & de Meuron, Basel
Projektbeteiligte: Drees & Sommer Schweiz, Basel (Generalplanung); omniCon Gesellschaft für innovatives Bauen, Basel (Bauleitung); wh-p Ingenieure, Basel (Statik); Drees & Sommer Advanced Building Technologies, Stuttgart (Fassade und HLK-Planung); hhpberlin - Ingenieure für Brandschutz, Braunschweig (Brandschutz); Amstein + Walthert Basel (Gebäudeautomation); Klaus Architekten Innenarchitekten, Mettmenstetten (Gastronomie); digitales bauen, Karlsruhe (BIM); I.F.I. Institut für Industrieaerodynamik, Aachen (Entrauchung); PBK, Zürich (Ausschreibung); Wacker Ingenieure, Birgenfeld (Bauwerksaerodynamik); MetallArt Treppen, Salach (Treppenplanung)
Bauherr/in: F. Hoffmann-La Roche AG, Basel
Fertigstellung: 2022
Standort: Grenzacherstrasse 183, 4058 Basel, Schweiz
Bildnachweis: Beat Ernst, Robert Hösl, Natalie Pawlik, Ruedi Walti, Roman Weyeneth, Robert Rieger (Fotos); Herzog & de Meuron (Pläne)

Fachwissen zum Thema

Absturzsichernde Verglasungen sind in DIN 18008-4 Teil 4: Zusatzanforderungen an absturzsichernde Verglasungen geregelt, hier als Beispiel das Glasgeländer einer Stahltreppe im Firmengebäude DSV in Krefeld.

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Treppenelemente

Glasgeländer

Wendeltreppe mit brüstungshohen Stahlwangen im Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB) des Berliner Max-Delbrück-Centrums.

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