Mediathek Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle

Stahlbetonskelettbau mit Vorhangfassade aus Holz und Glas

Zugang zum Campus: Der dreigeschossige Flachbau mit seiner rhythmisch gegliederten Holzfassade weckt Assoziationen an eine Remise oder Orangerie (Ansicht Nordost)
Nordseite mit Haupteingang: Durch den Neubau erhält der Campus Design eine Mitte
Im Erdgeschoss sind Eingang, Annahme und Ausleihe gekoppelt

Die Fachbereiche Kunst und Design der Kunsthochschule Halle sind innerhalb der Stadt auf zwei Standorte verteilt: den Campus Kunst an der Burg Giebichenstein im Norden und den Campus Design am Neuwerk gut zwei Kilometer südlich davon, beide am rechten Saaleufer gelegen. Bereits seit 1922 werden Teile der alten Festungsanlage durch die Hochschule genutzt, deren vollständiger Name dementsprechend Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle lautet. Als zeitgemäße Ergänzung einer bestehenden Bibliothek bei der Burg entstand auf dem Campus Design eine neue Mediathek, die aufgrund der Nähe zum Stadtzentrum auch für externe Besucher gut erreichbar ist. Geplant wurde sie von F29 Architekten aus Dresden in Zusammenarbeit mit ZILA Freie Architekten aus Leipzig.

Eine zwei- bis viergeschossige, zumeist herrschaftliche Bebauung der vorletzten Jahrhundertwende mit großzügigen Gartenanlagen prägt das städtebauliche Umfeld. Die Mediathek bildet den südlichen Abschluss des Campus' und fügt sich in die Parklandschaft zwischen zwei Baudenkmäler: die Villa Steckner als Hauptgebäude der Kunsthochschule und die Villa Engelmann. Der lang gestreckte, schmale Baukörper zeigt zur Straße nur eine kurze Seite, tritt hinter der historischen Einfriedung zurück und liegt auf deutlich tieferem Niveau. Mit seiner rhythmisch gegliederten Holzfassade weckt der dreigeschossige Flachbau zwischen den historischen Nachbarn typologische Assoziationen an eine Remise oder Orangerie.

Mit der Positionierung der Mediathek schufen die Architekten einen geräumigen Platz, um den sich die übrigen Lehrgebäude gruppieren. Die Fassade folgt einem konstruktiven Raster von 3,00 Meter (das Regalraster für Freihandbereiche beträgt 1,50 Meter). Im Erdgeschoss mit dem zentralen Haupteingang öffnet sie sich mit großen Verglasungen. Deren Breite nimmt in den oberen Etagen ab und steht im Wechsel zu Holzpaneelen der gleichen Abmessung. Zwei Treppenhäuser gliedern die Geschosse in je drei Nutzungsbereiche. Das Untergeschoss ist deutlich breiter als die oberirdischen Ebenen: Hier gibt es neben Magazinen einen Freihandbereich. Im Erdgeschoss sind Eingang, Annahme und Ausleihe gekoppelt, dazu kommt ein Seminarraum auf einer Seite, und eine Galerie mit Aussicht zum unteren Lesesaal auf der anderen. Die Verwaltung befindet sich im Obergeschoss, flankiert von einer Materialothek sowie einer weiteren (verglasten) Galerie mit Blick über den Seminarraum. Zentral im verkürzten Dachgeschoss gibt es Einzel- und Gemeinschaftsarbeitsplätze zur multimedialen Nutzung; der östliche Raum dient als Zeitschriftensaal.

Brandschutz
Das lang gestreckte Gebäude ist freistehend. Sein Baukörper spannt sich vom Neuwerk (Abstand ca. 4,40 Meter) im Osten entlang der südlichen Grundstücksgrenze bis in die Campusmitte. Der Haupteingang befindet sich in der Nordseite, Notausgänge im Norden und im Süden. Hier hat das Gebäude oberirdisch mindestens ca. 4,00 Meter Abstand zur Grundstücksgrenze, unterirdisch schließt es in Teilen nahezu an diese an. Unterirdisch hat das rechteckige Gebäude eine maximale Ausdehnung von ca. 51,70 x 23,75 Meter; oberirdisch betragen die größten Abmessungen ca. 52,20 x 9,40 Meter, wobei das Dachgeschoss im Westen zurückspringt. Die maximale Bruttogrundfläche beträgt im UG etwa 1.188 Quadratmeter. Im UG und im EG befinden sich jeweils in den Kopfsituationen großzügige zweigeschossige Bereiche.

Das Gebäude ist als Stahlbetonskelettkonstruktion errichtet. Treppenhaus- und Aufzugsschachtwände aus Stahlbeton dienen der Aussteifung. Treppenläufe und -podeste sowie einige Wände des Kellergeschosses sind ebenfalls aus Stahlbeton. Die Fassade besteht aus einer vorgehängten Pfosten-Riegel-Fassade aus Holz, gefüllt mit Glaselementen und geschlossenen Holzpaneelen. Nicht tragende Wände im UG bestehen teilweise aus Mauerwerk, teilweise sind sie wie die Raumabtrennungen in den OG in Leichtbauweise hergestellt.

Nach § 2 (3) BauO LSA ist das Gebäude in die Gebäudeklasse 3 einzuordnen, da es Nutzungseinheiten von mehr als 400 Quadratmeter aufweist und die höchst gelegene Geschossdecke, auf der ein Aufenthaltsraum möglich ist, sich im DG auf einer Höhe von 6,80 Meter über dem Gelände befindet. Entsprechend § 2 (4) BauO LSA ist das Gebäude ein ungeregelter Sonderbau. Das Erdgeschoss und der Seminarraum sollen für Veranstaltungen wie Feiern, Lesungen oder Ausstellungen genutzt werden; beide fassen einzeln fast 200 Personen.

Die Mediathek ist klar gegliedert und besitzt zwei bauliche Rettungswege (notwendige Treppenhäuser). Die Führung der Rettungswege ist sehr übersichtlich. Die Anzahl der Nutzer in der Bibliothek ist im Normalfall eher klein. Die Gefahr einer Brandentstehung in einer Bibliothek ist als gering einzustufen. Zwar stellt das in größeren Mengen vorhandene Papier eine Brandlast dar, doch ist eng gepacktes Papier schwer zu entzünden. Mit Kopierern, Computerarbeitsplätzen und der Lagerung von Medien wird das Brandrisiko ähnlich dem eines Verwaltungsbaus eingeschätzt.

Die Zufahrten für die Feuerwehr sind über die öffentliche Straße sichergestellt, die auch als Aufstell- und Bewegungsfläche dient. Zusätzlich wurde eine im westlichen Grundstücksbereich bestehende Feuerwehrzufahrt für das Lehrklassengebäude bis zur südlichen Grundstücksgrenze ausgebaut. Der Zugang zum Grundstück erfolgt über das südliche Tor am Neuwerk, wo sich auch das Feuerwehr-Schlüsseldepot befindet. Den Feuerwehrzugang zum Gebäude bildet die Tür ins östliche Treppenhaus an der Nordseite des Gebäudes; weitere Zugänge befinden sich an der Nord- und Südfassade.

Der nach §29 BauO LSA geforderte Abstand zur Grundstücksgrenze von 2,50 Meter ist oberirdisch an jeder Stelle eingehalten. Unterirdisch schließt das Gebäude im Südwesten an die Grundstücksgrenze an, hier wird eine Gebäudeabschlusswand dem Sonderbau entsprechend unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung feuerbeständig ausgebildet. Folgende Abweichungen von Anforderungen wurden zugelassen:

  • Brandwände müssen bis zur Bedachung durchgehen. Über dem Untergeschoss verspringt die Wand von der Grundstücksgrenze weg und wird so nur bis zum Dach des Untergeschosses als Brandwand ausgebildet. Deshalb wird der angrenzende Dachbereich bis zum aufgehenden Gebäude (ca. 4,80 Meter) ebenfalls feuerbeständig ausgeführt.
  • Innere Brandwände sind in Abständen von nicht mehr als 40 Meter anzuordnen. Die maximale Bruttogrundfläche ist mit etwa 1.188 Quadratmeter erheblich kleiner als die maximal zulässige (40  x 40 Meter = 1.600 Quadratmeter). Im Vergleich zu einem quadratischen Gebäude mit maximal zulässigen Abmessungen ist die Geometrie des Bauwerks zur Brandbekämpfung vorteilhafter, da das Gebäude für die Feuerwehr von allen Seiten gut erreichbar ist. Daher wird auf die Anordnung  einer inneren Brandwand verzichtet. Dies ist des Weiteren vertretbar, da nach der Schulbaurichtlinie 60 Meter Länge zulässig wären, nach Verkaufsstättenverordnung bei erheblich größerer Brandlast 1.500 Quadratmeter pro Geschoss.
Entsprechend der Anforderung für Gebäudeklasse 3 wurden die tragenden Wände und Stützen im Kellergeschoss feuerbeständig, im EG und 1.OG feuerhemmend und im DG mindestens normal entflammbar ausgebildet. Dies wird auch für die zweigeschossigen Bereiche als ausreichend erachtet, da der Freihandbereich keine klassische Kellernutzung darstellt und ein Brand nicht lange unerkannt bleibt.

Die Fassade der oberirdischen Geschosse ist eine Holz-Glas-Vorhangfassade, besteht also aus brennbaren Materialien. Um einen Brandüberschlag an den Geschossdecken zu verhindern, wurde darauf geachtet, dass keine geschossübergreifenden Hohlräume in der Fassade entstehen. Die Pfosten-Riegel-Konstruktion schließt direkt an die Geschossdecke an, der Zwischenraum wird mit nicht brennbarer Dämmung gefüllt. Besonderes Augenmerk wurde auch auf die Fugenausbildung gerichtet, damit in der frühen Brandphase kein Rauchübertritt stattfinden kann. Für notwendige Treppenhäuser ist eine Fassade aus brennbaren Materialien nicht zulässig. In diesem Fall wurde eine weitere Abweichung geltend gemacht: das Schutzziel – die Verhinderung der Brandausbreitung in den Notwendigen Treppenraum – soll im Detail gewährleistet werden. Der Holzpfosten schließt direkt an die Treppenhauswand an, der Ausbildung der Fuge wird viel Bedeutung eingeräumt, sodass die Dauer eines Brandüberschlages auf ca. 20 Minuten eingeschätzt wird. Zu diesem Zeitpunkt wird erwartet, dass alle Personen das Gebäude verlassen haben.

Um auf notwendige Flure verzichten zu können, wurde die Mediathek in Nutzungseinheiten eingeteilt, von denen zwei (Freihandbereich UG mit Galerie EG: ca. 803 Quadratmeter sowie 1. OG mit Seminarraum: ca. 479 Quadratmeter) größer sind als 400 Quadratmeter. Als Kompensation und auch wegen des Sachschutzes ist das gesamte Gebäude mit einer Brandmeldeanlage der Kategorie 1 ausgestattet.

Die Veranstaltungsräume im EG besitzen zwei unabhängige bauliche Rettungswege ins Freie. Die Entfernung von jedem Besucherplatz der Veranstaltungsräume bis zum nächsten Ausgang ist maximal ca. 14 Meter und somit viel kürzer als nach § 7 (1) VStättV gefordert wären (30 Meter). Die maximale Rettungsweglänge für Aufenthaltsräume beträgt ca. 22 Meter und liegt weit unter der Anforderung nach Bauordnung (max. 35 Meter). Die beiden notwendigen Treppen führen in einem Zuge zu allen Geschossen des Gebäudes. Sie liegen in einem notwendigen Treppenraum, der an einer Außenwand liegt und einen unmittelbaren Ausgang ins Freie hat. Die Innenwände sind feuerbeständig ausgebildet. Der Fahrschacht des Aufzugs ist mit feuerbeständigen Wänden aus nicht brennbaren Baustoffen mit entsprechenden Fahrschachttüren ausgebildet.

Die Mediathek ist mit einer Sicherheitsstromversorgungsanlage für die Sicherheitsbeleuchtung, die Brandmeldeanlage (BMA) und die Alarmierungsanlage ausgestattet. Sicherheitsbeleuchtung gibt es in den notwendigen Treppenräumen, im Foyer, im Seminarraum, in den WCs des UG sowie dem vorgelagerten Flur, im Batterieraum im KG sowie für Sicherheitszeichen von Ausgängen und Rettungswegen. Eine Zentralbatterieanlage befindet sich in einem extra dafür vorgesehen Raum im Untergeschoss (umgebende Bauteile mindestens feuerhemmend).

Die BMA wurde vollflächig installiert und mit einer Alarmierung gekoppelt. Die Auslösung erfolgt automatisch und manuell über Drucktaster geschossweise in den Treppenräumen. Da die BMA als Kompensationsmaßnahme benutzt wird, ist sie zur Feuerwehr aufgeschaltet. Die Alarmierung erfolgt aus Gründen der Barrierefreiheit für öffentliche Gebäude nach dem Zwei-Sinne-Prinzip akustisch über Sirenen und optisch über Blitzleuchten. In allen Gebäudeteilen mit Aufenthaltsräumen sowie in den Fluren von Nichtaufenthaltsbereichen wurden Alarmierungseinrichtungen flächendeckend angeordnet. (us)

Bautafel

Architekten: F29 Architekten, Dresden; ZILA Freie Architekten, Leipzig
Projektbeteiligte: Falk Eisenächer, Carina Fürstenau, Silke Wollenweber, Peter Zirkel, Dirk Lämmel, Clemens Zirkelbach (Projektteam); R & P Ruffert, Halle (Tragwerksplanung); MLT Medien Licht Technik, Leipzig (Heizung Lüftung Sanitär); ABW Elektroplan, Lutherstadt Eisleben (Elektrotechnik); Rehwaldt Landschaftsarchitekten, Dresden (Freianlagen)
Bauherr: Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt, Halle
Standort: Neuwerk 7, 06108 Halle (Saale)
Fertigstellung: 2015
Bildnachweis: Werner Huthmacher, Berlin; Hochschulpressestelle / Sascha Linke; F29 Architekten, Dresden

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Die Musterhochhausrichtlinie fordert gemäß Nr. 6.4 für Hochhäuser eine Brandmeldeanlage sowie Alarmierungs- und Lautsprecheranlagen; für bestimmte Fälle gelten Ausnahmen.

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