Kindertagesstätte Kinderland in Wittstock/Dosse

Zweischalige Wand mit reliefartigem Verblendmauerwerk

Sinkende Einwohnerzahlen und leerstehende Gebäude – in vielen deutschen Gemeinden ist der demografische Wandel am Ortsbild ablesbar. Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, werden in Wittstock/Dosse ausschließlich Projekte im Stadtkern gefördert. Die Gemeinde mit knapp 15.000 Einwohnern liegt rund 130 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt in Brandenburg am Zusammenfluss von Dosse und Glinze. Als die Kindertagesstätte Kinderland, Teil der Neubausiedlung „Am Bohnekamp“ aus den Jahren 1978 bis 1981, sanierungsbedürftig war, entschieden sich die Stadtverantwortlichen für eine Unterbringung der öffentlichen Einrichtung in zwei denkmalgeschützte Altbauten im Zentrum. Der Entwurf für die neue Kindertagesstätte nach Plänen des Berliner Architekturbüros Kleyer Koblitz Letzel Freivogel ergänzt das historische Gebäudeensemble am Kirchplatz um einen dritten Baukörper. Mit seiner Fassade aus Backstein fügt sich das neue Haus gut in die traditionellen Mauerwerksbauten vor Ort; die Varianten des Mauerwerksverbands verleihen ihm zugleich ein modernes Erscheinungsbild.

Der Ergänzungsbau besetzt ein südlich angrenzendes Grundstück am Kirchplatz: Vor den Fensterflächen an der Ostfassade bildet Filtermauerwerk einen Sonnen- und Sichtschutz
Filtermauerwerk auch an der rückwärtigen Westfassade des neuen Hauses
Mit der Verlegung der Kindertagesstätte an den Kirchplatz erfährt der historische Stadtkern eine Belebung

Gegenüber der Marienkirche aus dem 13. Jahrhundert, einem dreischiffigen Hallenbau im Stile der Backsteingotik, standen eine ehemalige Jungenschule von 1850 und eine Mädchenschule von 1890 bereits seit Jahren leer. Die Schulhäuser am Kirchplatz 8 und 10 sind durch die Küsterstraße getrennt und weisen zwei Geschosse mit Satteldach auf. Der für die Nutzung als Kindertagesstätte notwendige Umbau (unter anderem eine barrierefreie Erschließung) sollte so schonend wie möglich erfolgen. Der neue Baukörper besetzt ein südlich angrenzendes Grundstück am Kirchplatz, seine Proportionen und Materialität orientieren sich an der benachbarten Jungenschule. Durch die verlängerte Bauflucht ist der Kirchplatz nun klarer gefasst.

Der Haupteingang zur neuen Tagesstätte für rund 180 Kinder zwischen einem und zwölf Jahren liegt in einer gläsernen Verbindung als Fuge zwischen Neu- und Altbau. Wenige Stufen führen vom Kirchplatz zum Eingang, eine Rampe an der Gebäuderückseite dient der barrierefreien Erschließung. Alle haustechnisch anspruchsvollen Sanitärräume, der Aufzug und das notwendige Treppenhaus befinden sich im neuen Haus, während die ehemaligen Klassenzimmer der alten Schulhäuser heute als Gruppenräume dienen. Eine gläserne Brücke überspannt die Küsterstraße und verbindet die Altbauten und ihre Räumlichkeiten. So wurde nicht nur der Gebäudeleerstand reduziert, sondern auch der Kirchplatz neu belebt: Da die Kinder ihn neben den Hinterhöfen als Freifläche nutzen, herrscht hier nun fröhlicher Trubel.

Mauerwerk
Die Architekten ergänzten den denkmalgeschützten Bestand zu einem dreiteiligen Gebäudeensemble. Die beiden ehemaligen Schulhäuser von 1850 bzw. 1890 sind Mauerwerksbauten mit einer für die Region und das 19. Jahrhundert typischen Ziegelfassade. Die Außenwände des Neubaus hingegen sind zweischalig mit Luftschicht und Wärmedämmung ausgeführt. Den Witterungsschutz übernimmt eine Ziegelfassade, als tragendes Hintermauerwerk dient Kalksandstein in einer Stärke von 24 cm. Dessen geringe Wärmeleitfähigkeit ermöglicht eine mineralische Dämmschicht von nur 12 cm Dicke. Die hinterlüftete Fassade besteht aus roten Wasserstrichziegeln als Vollziegel im Normalformat von 24 x 11,5 x 7,1 cm, deren Oberfläche und Farbgebung dem Bestand entspricht. Der U-Wert der Außenwand beträgt 0,27 W/(m²K).

In seinen Proportionen sowie der horizontalen und vertikalen Fassadengliederung orientiert sich der Neubau am Bestand. Die Ausbildung von vier unterschiedlichen, besonders plastisch wirkenden Mauerwerksverbänden führt zu einer modernen Anmutung. Glatte und geschlossene Fassadenbereiche sind als Verblendmauerwerk im wilden Verband mit Fugenglattstrich ausgeführt. Vor den Fensterflächen an der Ostfassade zum Kirchplatz und Teilen der rückwärtigen Westfassade bildet ein nur aus Läufern bestehendes, um die Breite eines Binders gegeneinander versetztes Filtermauerwerk als Brise Soleil einen Sonnen- und Sichtschutz. Zu diesem Verband gibt es eine Variante, bei der die Köpfe nicht fehlen, sondern als sechs Zentimeter dicke Schale den Läufern gegenüber zurückversetzt sind. Nord- und Südfassade sind verblendet mit einem Reliefmauerwerk aus Läufern und Köpfen, die den Läufern gegenüber um drei Zentimeter hervorstehen.

Bautafel

Architekt: Kleyer Koblitz Letzel Freivogel, Berlin
Projektbeteiligte: Timm Kleyer, Thomas Reinke, Berlin (Projektleitung); Hans Reers, Berlin (Bauleitung); Ingenieurbüro Rohmann, Freyenstein (Tragwerksplanung); Tetra Ingenieure, Neuruppin (TGA); Müller-BBM, Berlin (Bauphysik); Egernsunder Ziegel, Harrislee (Klinker); Hansa-nord Baustoffe, Parchim (Kalksandsteine)
Bauherr: Stadt Wittstock/Dosse
Fertigstellung: 2013
Standort:
Kirchplatz 8-10, 16909 Wittstock/Dosse
Bildnachweis: Christian Richters, Berlin

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