Hochhaus C10 der Hochschule Darmstadt

Eloxiertes Aluminium expressiv gefaltet

Ein blockhaftes Volumen aus hellem Marmor, mit allseitig gleichen Öffnungen und schlanken, flächenbündig in die Fassade gesetzten  Metallfenstern – das war das 1965 errichtete Hochhaus der damaligen Fachhochschule Darmstadt. Heute nennt sich der Hausherr h_da (Hochschule Darmstadt) und auch das Hauptgebäude an der Schöfferstraße hat sich deutlich verändert. Flächig verglast ist nur die Nordfassade, die Schmalseiten sind vertikal profiliert und nach Süden faltet sich vor neuen Fenstern ein expressives Relief aus metallischen Polyedern.

Ansicht von Südosten: Die Fassade zeigt sich als expressives Relief aus metallischen Polyedern
Trotz gleicher Grundbausteine wirkt die große Fassadenfläche lebhaft
Ansicht von Süden

Als die Berliner Staab Architekten 2007 mit dem Umbau und der Modernisierung des Hochhauses C10 beauftragt wurden, entsprachen Energieeffizienz, Haustechnik und Brandschutz in keinster Weise den aktuellen Anforderungen. Die Zahl der Aufzüge reichte nicht aus, der heute obligatorische Feuerwehraufzug fehlte. Nach dem Rückbau des Gebäudes bis auf das tragende Stahlbetonskelett wurden die 15 Geschosse deshalb auf der Ostseite um zwei Achsen verlängert. Die dreibündige Gebäudestruktur blieb hingegen erhalten. An den mittig gelegenen Kern mit Aufzügen, Nebenräumen und den beiden Treppenhäusern lagert sich auf der Südseite eine schmale Bürozone und im Norden eine tiefe Raumschicht mit Hörsälen, Seminar- und Praktikumsräumen an.

Nach der 2011 abgeschlossenen Totalsanierung wirkt das noch immer höchste Haus Darmstadts wie neu. Im Erdgeschoss, das man über einen neuen Windfang auf der Südseite betritt, liegt das studentische Servicecenter sowie der zweigeschossige „Glaskasten“, ein von den Studierenden selbst organisierter Café- und Aufenthaltsraum. Eingeschobene Zwischenebenen verzahnen sich über verglaste Öffnungen mit dem Eingangsniveau, das trotz geringer Geschosshöhe großzügig wirkt. Höher als die Normalgeschosse sind auch die beiden Hörsäle, die sich mit ansteigender Bestuhlung vom ersten ins zweite Obergeschoss staffeln.

Die Unterrichtsräume werden für alle Studienfächer genutzt, während die Büros auf der Südseite den Fachbereichen Mathematik und Naturwissenschaften vorbehalten sind. In den obersten vier Geschossen des Hochhauses ist das Präsidium der Hochschule Darmstadt mit der Verwaltung eingezogen. Hier wurde die Zellen-Raumstruktur zugunsten von großen Nutzungseinheiten aufgelöst: Offene Büroflächen wechseln sich mit verglasten Besprechungsräumen ab.

Sämtliche Oberflächen an Wand, Decke und Fußboden wurden erneuert. Der besseren Orientierung dient ein Farbkonzept. So ist der mittige Kern zu den Fluren in einem zurückhaltenden Beigeton, innen dagegen in einem kräftigen Rot gestrichen.

Fassade
Die größte Veränderung erfuhr indes die Fassade. Sie sollte nicht nur die Aufgabe einer energetisch optimierten Hülle mit einem wirksamen Sonnenschutz erfüllen, sondern dem Hochhaus und damit zugleich der Hochschule eine prägnantes Gesicht verleihen. Am überzeugendsten ist dies auf der Südseite gelungen. Wie Wimpern, die das Auge verschatten, ohne den Ausblick zu stören, konzipierten die Architekten einen feststehenden Sonnenschutz als Fassadenverkleidung vor Fenstern und gedämmten Brüstungen. In Zusammenarbeit mit den Klima-Ingenieuren von Transsolar wurde lange getüftelt, um eine ansprechende Form zu finden, die zudem ein ausgewogenes Verhältnis von Sonnenschutz und Tageslichteinfall bietet. Im Windkanalversuch ermittelte man an einem verkleinerten Modell die statischen Randbedingungen. Ein zweites Experiment am 1:1-Modell untersuchte das Verhalten bei Wind. Schließlich sollten die feststehenden Elemente den Sonnenschutz auch bei ungünstigen Windverhältnissen gewährleisten.

Die 1,87 x 3,87 m großen Verschattungselemente wurden aus gekantetem, eloxiertem Aluminiumblech zweischalig über einer komplexen Unterkonstruktion aus Hohlprofilen hergestellt. Werkseits vorgefertigt, mussten die Elemente vor Ort nur noch an die Fassade gehängt werden. Um die Hinterlüftung sicherzustellen und einen Wärmestau unter den hervorstehenden Hauben zu vermeiden, sind die Bleche über den Fensterstürzen perforiert. Auf diese Weise kann die Luft in den Horizontalfugen zum darüber liegenden Element wieder austreten.

An den Fassaden sind die asymmetrisch geformten Aluminiumhauben scheinbar zufällig mit gespiegelten Exemplaren kombiniert, so wirkt die große Fläche trotz gleicher Grundbausteine äußerst lebhaft. Wechselt man die Perspektive und nähert sich dem Hochhaus, geraten die glänzenden Dreiecke und Trapeze vollends in Bewegung. -pn

Bautafel

Architekten: Staab Architekten, Berlin
Projektbeteiligte:
IBC Ingenieurbau-Consult, Mainz (Tragwerksplanung); Transsolar Energietechnik, Stuttgart (Energieberatung)
Bauherr:
Land Hessen (vertreten durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst) und das Hessische Ministerium der Finanzen (vertreten durch das Hessische Baumanagement Regionalniederlassung Süd)
Fertigstellung: 2011
Standort:
Schöfferstraße 3, 64295 Darmstadt
Bildnachweis: Werner Huthmacher, Berlin; Britta Hüning, Mühltal

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Materialien

Aluminium: Oberflächenbehandlung

Novartis-Gebäude in Basel (von Gehry Partners): Blendschutz innenliegend

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Zusatzelemente

Blendschutz

Feststehende, mit Keramik bestückte Vertikallamellen am Clay-Museum in Middlefart; Architektur: Kjaer & Richter, Aarhus

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Zusatzelemente

Sonnenschutz außen

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