Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen

Backsteinexpressionismus trifft auf moderne Glasarchitektur

Gesimsbänder, abwechselnd vor und zurückspringende Backsteinschichten und schmale, stehende Fensterformate gliedern die rotbraune Klinker-Fassade des Hans-Sachs-Hauses in Gelsenkirchen. Kaum vorstellbar, dass dieses Baudenkmal des Backsteinexpressionismus, welches Ende der 1920er Jahre nach Plänen Alfred Fischers inmitten der Gelsenkirchener Altstadt entstand, zu Beginn der Jahrtausendwende vom Abriss bedroht war. Nur das beherzte Eingreifen engagierter Architekten und Stadtplanern machte diesen Entschluss rückgängig. Den im Jahr 2008 ausgelobten Wettbewerb für das neue Hans-Sachs-Haus konnte das Büro Gerkan Marg und Partner (gmp) für sich entscheiden. Die Architekten sahen vor, das alte Gebäude bis auf seine denkmalgeschützten Fassaden komplett zu entkernen, um die historische Hülle anschließend wieder mit einem neuen Raumprogramm zu füllen.

Zum Alfred-Fischer-Platz hin sind die baulichen Veränderungen deutlich sichtbar: Hier rahmen die rotbraunen Backsteinwände die eingefügte, neue Glasfassade
Das gesamte Innere ist neu: Das Atrium erstreckt sich über alle Geschosse, dahinter befindet sich das Foyer mit Blick auf den Alfred-Fischer-Platz
Alle ans Atrium angrenzenden Büros haben Festverglasungen, umlaufende absturzsichernde Verglasungen mit filigranem Holzholm dienen als Brüstungen, sie erlauben uneingeschränkte Blicke in den Hof und lassen viel Licht in die innenliegenden Büros

Nach seiner Fertigstellung im Jahr 1927 diente das sechsgeschossige Gebäude als Kulturzentrum mit einer Mischnutzung aus Konzertsaal, Hotel, gastronomischen Einrichtungen und für die kommunale Verwaltung mit Büros. Im Laufe der Jahre wurde es immer mehr für Büroflächen genutzt und nach dem Zweiten Weltkrieg zum Zentrum der Stadtverwaltung und Rathaus. Seit dem 2013 abgeschlossenen Umbau ist es wieder das Rathaus mit Atrium, inklusive einem Bürgerforum, einem Bürgercenter, sechs Sitzungszimmern, dem großen Ratssaal und einem Bistro. 

Das ursprünglich als Skelettbau errichtete Haus, öffnete sich mit u-förmigem Grundriss zum Alfred-Fischer-Platz nach Westen hin. Während sich das Gebäude heute entlang der Eberstraße im Osten in seinem ursprünglichen Zustand zeigt, sind auf der gegenüberliegenden Westseite die Veränderungen deutlich erkennbar: Hier wurde ein Erweiterungsbau aus den 1950er Jahren entfernt und eine große Glasfassade ergänzt, die das Gebäude schließt und an dieser Stelle zu einem kompakten Quader macht. Der anschließende, früher als Hotel genutzte Turm ist mit seinen zehn Geschossen eine weithin sichtbare Landmarke und die Kombination aus dunklen Klinkern und moderner Glasarchitektur sehr gelungen.

Im Inneren empfängt den Besucher das große, doppelgeschossige Foyer – hier setzt sich der Alfred-Fischer-Platz als sogenanntes Bürgerforum fort. Dahinter erstreckt sich über alle Geschosse hinweg das Atrium. Über seine aufgestockte Dachverglasung gelangt viel Tageslicht bis hinab ins Erdgeschoss. Direkt über dem Foyer liegt der Ratssaal, der ebenfalls zweigeschossig zu drei Seiten von Emporen mit Sitzmöbeln eingefasst wird. Oberhalb davon befindet sich in der vierten Etage der Veranstaltungssaal, der sich mit Trennwänden in mehrere Bereiche aufteilen lässt. Den oberen Abschluss bilden u.a. die Räume des Oberbürgermeisters sowie weitere kleine Sitzungssäle, sie gruppieren sich um einen zentralen Patio. All diese im Inneren angelegten Räume werden durch zweibündig angeordnete Büros zu drei Seiten umschlossen; gen Westen stellt die große Glasfront die Verbindung zum Alfred-Fischer-Platz über alle Geschosse her. Im Untergeschoss sind Neben-, Lager- und Technikräume untergebracht.

Das gesamte Innere ist hell und zeitgemäß gestaltet. Im Ratssaal sind die Wände holzvertäfelt, der Boden mit Parkett verlegt und auch die Oberflächen der im Kreis angeordneten Tische bestehen aus Holz. Auch im Atrium sind die Wände des EGs mit Holz verkleidet. Hier sind, wie in weiten Teilen des Gebäudes, glatte, dunkelgrau marmorierte Steinfußböden verlegt; die weißen Wände, Stützen und Decken kontrastieren mit den schwarz gerahmten Fenstern.

Glas
Die Wände der Büros, die direkt an das Atrium anschließen, sind Festverglasungen aus Verbundsicherheitsglas (VSG). Sie bestehen, wie auch die umlaufenden, absturzsicheren Brüstungen, aus farbneutralem Weißglas, das aufgrund des geringen Eisenoxidanteils nicht den glastypischen Grünstich aufweist. Anstelle der meist üblichen Polyvinyl-Butyral-Folie (PVB) sind die einzelnen Scheiben des VSGs mit einer SI-Folie (SI = Silence) dauerhaft verbunden. Diese akustisch wirksame Folie trägt mit einer Dicke von 1,14 mm wesentlich zur Verbesserung des Schallschutzes bei. So liegen die Werte bei ca. 49 dB(A). In anderen Bereichen, wie den Sitzungssälen, kommen ebenfalls Schallschutzfolien zum Einsatz. Hier sorgen sie mit einer Stärke von 0,76 mm für eine angenehme Raumakustik.

Die rund 1.370 m² große verglaste Westfront ist als Pfosten-Riegel-Fassade mit großformatigen Glasscheiben ausgeführt. Große Teile der Glasfront sind aus Sonnenschutzgläsern mit folgendem Aufbau (von außen nach innen): 8 mm Einscheibensicherheitsglas (ESG), 16 mm mit Argon gefüllter Scheibenzwischenraum (SZR), 12 mm VSG aus 2 x 6 mm Floatglas. An anderen Stellen misst das ESG nur 6 mm, der SZR beträgt 20 mm und die einzelnen Floatgläser haben eine Dicke von 4 mm. Alle Verglasungen erhielten auf der Innenseite der äußeren Scheibe eine dünne, silberbeschichtete Folie mit Sonnenschutzfunktion. Die Folien erhöhen den Reflexionsgrad der Glasscheiben und ermöglichen eine Lichtdurchlässigkeit von 60% und einen Gesamtenergiedurchlassgrad (g-Wert) von 0,33. Damit sorgen die beschichteten Isolierverglasungen für einen niedrigen Energieeintrag ins Gebäude und gleichzeitig für den notwendigen Wärmeschutz. Ein angenehmes Raumklima und reduzierte Betriebskosten durch verminderte Kühllasten sind die Folgen. Bei den Gläsern im Erdgeschoss sorgen Alarmspinnen für den notwendigen Einbruchsschutz.

Bautafel

Architekten: gmp Architekten, Hamburg (Sanierung); Alfred Fischer, Essen (Bestand)
Projektbeteiligte: Fassaden-Technik Berlin Innovation, Berlin (Einbau der Gläser); Saint-Gobain Glass, Aachen (Glashersteller); Saint-Gobain Glassolutions/Flachglaswerk Radeburg (Glasveredelung); Conceptlicht, Traunreut (Lichtplanung); Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten, München (Landschaftsarchitektur)
Bauherr: Stadt Gelsenkirchen, Zentrales Immobilienmanagement
Fertigstellung: 2013
Standort: Ebertstraße 11 in 45879 Gelsenkirchen
Bildnachweis: HG Esch, Hennef; Benedikt Hotze, Berlin und Olaf Rohl für Saint-Gobain Glassolutions, Aachen

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Gläserne Brüstung zur Absturzsicherung im Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen (Architekten: gmp, Hamburg)

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Absturzsichernde Verglasungen

Dreifach-Isolierverglasung kam im Überkopfbereich und für die Fassaden der VHV-Versicherung in Hannover zum Einsatz.

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Isolierglas

Sonnenschutzverglasung der Aachen Münchener Versicherung in Aachen (Kadawittfeldarchitektur, Aachen)

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Sonnenschutz: Sonnenschutzgläser

Der U-Wert für das gesamte Fenster setzt sich zusammen aus den U-Werten des Rahmens, der Verglasung und des Beiwerts für den Randverbund.

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