Die Besorger - Medienagentur in Steyr

Schwarze Hülle aus EPDM

Ein Haus mit einer Haut aus Kautschuk vermutet man eher in Architekturmetropolen als in beschaulichen Städten wie dem österreichischen Steyr. Doch seit 2010 bereichert ein ungewöhnliches Wohn- und Geschäftshaus in Schwarz die Stadt an der Enns. Bereits vor seiner Entstehung hatte das Gebäude die Gemüter in Steyr polarisiert, insbesondere die monochrome Farbgebung war Anrainern ein Dorn im Auge, die vergeblich gegen die Genehmigung der „schwarzen Burg“ in ihrer Siedlung protestierten. Mittlerweile dürften sich die Gemüter wieder beruhigt haben, stellt der Neubau doch mit zurückgenommener Formgebung und ungewöhnlicher Materialwahl eine optische Abwechslung zu den umgebenden Backsteingebäuden dar.

Schrägdächer mit Lichtkuppeln wie Wassertropfen
Aufgang
Kautschukhaut und Backsteinfassade

Hertl.Architekten aus Steyr haben das Gebäude entworfen, und mit 295 m² Nutzfläche neben einer Wohnung auch Büroflächen für die Mediendesign-Agentur der Bauherren geschaffen. Auf einem reizvollen Grundstück mit alten Obstbäumen direkt am Ufer der Enns gelegen, können die Bewohnern einen schönen Ausblick nach Westen über den Fluss auf einen bewaldeten Hang genießen. Im Osten dagegen wurde der Baukörper direkt an eine Straße gerückt und zeigt sich dort mit einer nahezu geschlossenen Fassade.
 
Da die Bebauungsvorschriften kein volles Obergeschoss zuließen, sondern nur ein Erd- und ein Dachgeschoss erlaubten, bestimmen Schrägdächer den Entwurf. Diese sind im Grundriss in drei Gebäudeschichten unterschiedlicher Länge gegliedert und passen sich somit an die Grundstücksform und die Nutzungsbedürfnisse der Bauherren an. Über den skulpturalen Körper in Holzriegelbauweise ist eine Haut aus Elstomerbahnen (EPDM-Folie) als prägnante Oberfläche gespannt. Sie ist Dach und Fassade zugleich, Lichtkuppeln sind wie Wassertropfen über die schwarze Haut verteilt. Sie belichten das Büro und betonen die Hülle, die im Sonnenlicht silbrig glänzt.
 
An der Straßenecke liegt der schluchtartige Eingang zum Büro. Er wird von einem ansteigenden Erschließungsgang bestimmt, der an der Ostseite entlang bis ins Obergeschoss führt. Das Büro - eine durchgehende Fläche, die innenräumlich auch die Dachform sichtbar macht - ist nur durch eine Brüstung von dieser Aufgangsschlucht getrennt. Als abgeschlossener Raum dient ein Besprechungszimmer, das mit einem Fensterband ebenfalls Ausblicke auf den Fluss ermöglicht..
 
Ein separater Eingang führt in die Wohnung im Untergeschoss. Er liegt geschützt unter dem Dach des straßenseitigen Riegels, der zudem Platz für ein Auto bietet. Die Grundrissstruktur der Wohnung ist zu den Baukörperriegeln um 90 Grad gedreht. Im Süden befinden sich ein Lager und Technikraum, in der Mitte ein über die ganze Tiefe ausgedehnter Aufenthaltsraum, im Norden reihen sich die Schlafräume und ein Bad an die Außenwand. Der großzügige Wohnraum öffnet sich zu einer Terrasse im Garten, auch hier ist der Blick auf den Fluss ausgerichtet.
 
Dach

Bei der Dachkonstruktion handelt es sich um eine in ebene Dreiecke aufgelöste Satteldachform. Lichtkuppeln durchstoßen diese Konstruktion punktförmig und sorgen – je nach Sonnenstand – für kreisförmige oder elliptische Lichtpunkte auf dem versiegelten Estrich.  Zur einfacheren Befestigung der Sparrenlage wurden die Gratsparren als Stahlträger mit Holzeinlage ausgeführt. Die oberen Schwellen der einzelnen Fertigteile sind in den Holzfertigteilwänden kraftschlüssig miteinander verbunden. Diese stellen so einerseits einen „Ringbalken“ dar und nehmen gleichzeitig die Schubkräfte des Daches auf.
 
Zwischen den Gratsparren und der oberen Schwelle wurden Sparren eingebaut. Diese Sparrenlage ist vollständig (ca. 30 cm) mit Mineralwolle gedämmt. Als Unterlage für die EPDM-Dachhaut dient eine vollflächige Lage OSB-Platten. Damit stellt die Dachebenen auch eine statisch wirksame Scheibe dar. Die EPDM-Dachhaut erhielt eine mechanische Befestigung mittels Sogankern.
 
Die Unterseite der Dachkonstruktion wurde mit einer Dampfsperre vollflächig luftdicht abgeschlossen. Die Dampfsperre ist seitlich mit der Wandkonstruktion und der darin eingebauten Dampfsperre luftdicht verklebt. Zum Innenraum hin sahen die Architekten eine Sparschalung vor, hier liegen auch die Leitungen für Beleuchtung sowie die Ansteuerungen der Lichtkuppeln. Die sichtbare Unterseite des Daches wurde mit brandhemmenden Feuerschutztrockenbauplatten ausgeführt, gespachtelt und anschließend gestrichen.

Bautafel

Architekten: Hertl.Architekten, Steyr
Projektbeteiligte:
  Zeller Ingenieure, St. Valentin (Fachplanung); Glaser, Steyr (Holzbau), Stadler, Steyr (Bauausführung); Haberhauer Dachdeckerei, Amsdetten (Gebäudehülle);  Mitterhuemer Unternehmensgruppe, Steyr (Energietechnik);  Karl Wandrack, Neuzeug (Beschichtungen); Tischlerei Hackl, Steyr (Tischlerarbeiten)
Bauherr:
Besorger Mediendesign und -technik, Steyr
Fertigstellung:
2010
Standort:
, Bergerweg 44, 4400 Steyr
Bildnachweis: Hertl.Architekten, Steyr und Paul Ott, Graz

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