Katalanische Wirtschaftskammer in Barcelona

Erschließungszone hinter Glas am Quartiersplatz

El Caspolino war der Name eines Karussels auf der Plaça de Gal·la Placídia, als sich dort noch ein Vergnügungspark befand. Heute ist der für Barcelona typische Quartiersplatz zwischen Gràcia und Sarrià-Sant Gervasi teils Grünraum, teils Spiel- und Aufenthaltszone. An der langen Südwestseite allerdings führt vierspurig die Via Augusta vorbei. Wer diese von der Küste aus entlang fährt, dem entgeht das großflächig verglaste, kantige Seminargebäude der Katalanischen Wirtschaftskammer gewiss nicht. Col·legi d’Economistes de Catalunya heißt das Ausbildungszentrum am nördlichen Platzrand, entworfen haben es die ortsansässigen Architekten Roldán + Berengué. Ihr Konzept sieht vor, die öffentlichen Bereiche im Gebäude dem urbanen Treiben zu öffnen.

Die Plaça de Gal-la Placídia war früher ein Rummelplatz. Das Ausbildungszentrum der katalanischen Wirtschaftskammer am nördlichen Ende ist ein Blickfang.
Die Verglasungen vor einem Nutzungsbereich sind als gerahmte Module zusammengefasst.
Die nach Süden gerichtete Front am Platz ist eine hinterlüftete Doppelfassade.

Vertikale Organisation

Aufgrund der begrenzten Örtlichkeit standen lediglich 380 Quadratmeter Grundfläche für einen Neubau zur Verfügung; die Abmessungen der Parzelle betragen 10,50 x 32,00 Meter. So wurden die Nutzungen vertikal organisiert: Im Erdgeschoss betritt man den Bau über ein großzügiges, verglastes Foyer, das über eine ausgedehnte Treppenanlage mit dem Veranstaltungssaal im ersten Obergeschoss verbunden ist. Seminar- und Lehrräume befinden sich im zweiten und dritten Obergeschoss, die Direktion und Verwaltung in den drei Etagen darüber. Von dort kann man Aussicht bis zum Meereshorizont genießen. Ein großes Auditorium befindet sich im Untergeschoss.

Die vertikal strukturierte Fassade macht die geschichtete Anordnung der Funktionen sichtbar: mehrere geschosshohe Verglasungen eines Nutzungsbereichs sind in bis zu 13 Meter hohe gerahmte Module zusammengefasst. Die so geschaffenen horizontalen Zäsuren entsprechen dem Raumprogramm und nehmen zugleich Bezug auf Gebäudehöhen in der Nachbarschaft.

Flure als Wärmekissen

Alle Flure liegen auf der Südseite des Gebäudes hinter der Glasfassade. So haben sie Blickverbindung zur Plaça – außerdem bilden sie bei starker Sonne eine Pufferzone, die eine übermäßige Erhitzung der Unterrichtsräume verhindert. Die Erschließungsflächen sind bewusst großzügig gehalten, um die Kommunikation zu fördern. Je nach Gebrauch sind die Innenräume unterschiedlich materialisiert: Für die Seminarräume wählte man durchgehend weiße Wandflächen und weißes Mobiliar, um Ablenkungen zu minimieren. Räume mit viel Tageslicht erhielten Oberflächen aus Holz an Boden, Wand oder Decke, um ihre Aufenthaltsqualitäten zu unterstreichen.

Glas: Sonnenschutz durch Siebdruck
Die nach Südosten gerichtete Hauptfassade reflektiert mit ihrer großzügigen Glasfläche tagsüber den Himmel und das Treiben auf dem Platz. Nachts wird sie durchsichtig und gewährt Einblicke. Als Schutz vor starkem Wärmeeintrag bei direkter Sonneneinstrahlung erhielt die Verglasung einen Siebdruck, der auch gestalterische Funktion hat. So schmückt ein aufgedrucktes Bild des Karussells El Caspolino die gläserne Eingangszone und erinnert an die Geschichte der Plaça de Gal·la Placídia. Die Siebdrucke in den oberen Etagen bestehen aus Textzeilen, die rund die Hälfte des einfallenden Sonnenlichts reflektieren.

Mehrschichtiges Fassadensystem

Zum Platz orientiert ist eine hinterlüftete Doppelfassade. Auf der Innenseite handelt es sich um ein wetterfestes Vorhangfassadensystem: Die Mehrscheiben-Isolierverglasung besteht von außen nach innen aus zwei Scheiben VSG à 10 mm, dem 16 mm breiten Scheibenzwischenraum (SZR) mit Argonfüllung sowie ESG in einer Stärke von 15 mm. Die Wärmeschutzbeschichtung ist auf die dem SZR zugewandten Seite der inneren Scheibe appliziert. In die Verbundsicherheitsverglasung ist eine 0,76 mm starke PVB-Folie integriert. Die bauphysikalischen Eigenschaften der Verglasung erfüllen die örtlichen Anforderungen. Der Wärmedurchgangskoeffizient Ug beträgt 1,5 W/m²K, der Gesamtenergiedurchlassgrad g 0,52 und das bewertete Schalldämmmaß Rw liegt bei 44 dB.

Die äußere Hülle bildet eine Stahlrahmenkonstruktion, ausgefacht mit 8 mm starken Einscheibensicherheitsgläsern. Auf diese Glashaut ist der Siebdruck aufgebracht.

Bautafel

Architekten: Roldán + Berengué, Barcelona
Projektbeteiligte: Omainpasa / Agustí Obiol, Barcelona (Tragwerksplanung); Tau-Icesa, Barcelona (Bauausführung); Talleres Moyser, Barcelona / Jansen, Oberriet (Fassadenbau); Soler Mobles, Vic (Holzpaneele); Saint Gobain Glass, Madrid (Mehrscheiben-Isolierverglasung: Climaplus Ultra N); Cristaleria Soler Hnos, Alicante (Glasverarbeiteung)
Standort: 2, Plaça de Galla Placídia, 08021 Barcelona
Bauherr: Collegi d’Economistes de Catalunya
Fertigstellung: 2013
Bildnachweis: Saint-Gobain, Aachen; Fotografen Jordi Surroca, Miquel Darder, Marcel Erminy, Roldán + Berengué

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