Bürobau Zeisehof in Hamburg

Außen dunkler Klinker und innen weißer Kalksandstein

Spätestens seit Richard Floridas 2002 veröffentlichten Theorie der „Kreativen Klasse“, nach der Kreative und die von ihnen ausgehenden Neuerungen ausschlaggebend für das ökonomische Wachstum von Regionen sind, bemühen sich Städte und Kommunen Anziehungspunkte für diese zu schaffen. Ein solch kreatives Ballungszentrum ist auch der Stadtteil Ottensen in Hamburg. Das Areal der ehemaligen Schiffsschraubenfabrik Zeise baute man bereits 1985 zu einem Medien- und Kulturzentrum um. Nun wurde das urbane, lebendige Quartier um einen Neubau für 800 Mitarbeiter der Kreativwirtschaft nach Plänen der Architekten Störmer, Murphy and Partners erweitert. Der Zeisehof soll eine Denkfabrik für flexible und effiziente Zusammenarbeit werden – ein Ort der Kommunikation, Gemeinschaft und Kreativität.

Der Haupteingang wird markiert durch einen mehrere Meter tiefen, zweigeschossigen Gebäudeeinschnitt, der leicht trichterförmig zuläuft und ein Relief aus vorspringenden Klinkersteinen erhalten hat.
Im Atrium werden Besucher an einem skulpturalen Empfangstresen aus verspiegelten Quadern willkommen geheißen.
Das Atrium mit Wänden aus weißen Kalksandsteinen bildet das Herzstück des Zeisehofs.

Der Neubau erhebt sich an der Ecke Behringstraße/ Friedensallee. Er führt die bestehende Blockrandbebauung fort und bietet zugleich eine bauliche Fassung der Straßenkreuzung gen Süden, wo sich zuvor nur brachliegendes Bauland befand. Die vier Trakte des sechsgeschossigen Baukörpers umschließen ein großes, überdachtes Atrium – das Herzstück des Gebäudes. Eine Tiefgarage mit Stellplätzen für 191 Autos und 150 Fahrräder erstreckt sich über drei weitere Geschosse ins Erdreich hinab. Um den Neubau an die Bestandsbebauung anzupassen und ihm optisch etwas von seiner Masse zu nehmen, sind die beiden obersten Stockwerke als Staffelgeschosse ausgeführt. Auch die Klinkerfassaden fügen den Bau materialtechnisch in seine Nachbarschaft ein und können zugleich als Referenz an die industrielle Vergangenheit des Standorts sowie an das für Hamburg historisch überaus charakteristische Baumaterial Klinker gelesen werden. Das sechste Geschoss setzt sich gestalterisch ab und ist mit hinterlüfteten Zinkblechpaneelen bekleidet.

Gebaute Geste des Austausches

Der Haupteingang befindet sich im Nordosten und wird markiert durch einen mehrere Meter tiefen, zweigeschossigen Gebäudeeinschnitt, der leicht trichterförmig zuläuft und Besucher geradezu ins Innere zu ziehen scheint. Von dort gelangen sie direkt in das Atrium, wo sie an einem skulpturalen Empfangstresen aus verspiegelten Quadern willkommen geheißen werden. Im Erdgeschoss befinden sich unter anderem Konferenz- und Veranstaltungsräume sowie ein öffentliches Café. In den darüberliegenden Etagen stehen den Mitarbeitern flexibel einteilbare Büroflächen zur Verfügung.

Im Atrium, von welchem aus Treppen und Galerien alle Büros miteinander verbinden, spiegelt sich der Gedanke der Vernetzung und Kommunikation architektonisch wieder. Hier sollen die Menschen zusammentreffen und ihre Ideen sich gegenseitig befruchten. Ein Folienkissendach auf einer gebogenen Holzbinderkonstruktion überspannt den Lichthof. Das rautenförmige Muster des Daches wird am Boden durch metallische Fugen aufgegriffen. Mit der Dachkonstruktion gelangt viel Tageslicht ins Innere. Die Wände aus weißem, sichtbar belassenem Kalksandsteinmauerwerk verstärken den strahlend hellen Eindruck des Atriums noch. Einen starken Kontrast dazu setzen die schwarzen Metallbrüstungen der Galerien.

Anspruch an Nachhaltigkeit

Wer ein solch zukunftsgerichtetes Gebäude plant, darf auch das Thema Nachhaltigkeit nicht außer Acht lassen. Die Planenden haben für den Zeisehof das DGNB-Zertifikat Gold angepeilt. Die Büroflächen lassen sich für eine künftige Umnutzung simpel in verschiedene Mieteinheiten aufteilen. Außerdem war den Architekten die Wahl von hochwertigen Materialien wie Klinker und Kalksandstein wichtig. Damit erfüllen sie hohe Standards im Bereich Tragfähigkeit, Brandschutz, Wärmeschutz, Schallschutz und Energieeffizienz. Einzig über die dreigeschossige Tiefgarage kann man sich streiten: Deren Aushub ließ die Werte der grauen Energie des Neubaus in die Höhe schnellen.

Mauerwerk: Dunkle Klinker, weiße Kalksandsteine

Nicht nur die Staffelgeschosse gliedern das Volumen des Baukörpers in der Außenansicht, sondern auch die Verwendung zwei verschiedenfarbiger Klinker für das kerngedämmte Verblendmauerwerk. Verwendet werden Wasserstrichziegel mit den Maßen 240 x 115 x 52 Millimeter in den Farben Grau-Beige für die nördliche Gebäudehälfte und Braun-Rot für den südlichen Teil. Für die Fensteröffnungen kommen Fertigteilstürze mit Riemchen-Verblendung zum Einsatz. Dadurch springt die Fassade an diesen Stellen um ein paar Zentimeter zurück, sodass die vorstehenden, vertikalen Wandflächen dazwischen wie Lisenen wirken. Die Steine wurden im schleppenden Läuferverband vermauert, jeweils um ein Drittel der Länge versetzt und mit glatt gestrichenem Fugenbild. Auch für die Fugen wählten die Architekten zwei Farben, die dunklere kam bei den zurückspringenden Fassadenflächen zum Einsatz. Der doppelgeschossige Gebäudeeinschnitt im Eingangsbereich erhielt ein Relief aus unregelmäßig vorspringenden Läufern.

Im Kontrast zu den bräunlichen Klinkern stehen die weißen Kalksandsteine der Atriumswände. Die Kalksandstein-Fasensteine wurden ebenfalls im schleppenden Läuferverband vermauert, der sich in den Ecken des Atriums zu einem perforierten Verband mit fast quadratischen Steinen aufzulösen scheint. Für die Stoß- und Lagerfugen wurde weißer Dünnbettmörtel eingesetzt. Um den Wänden mehr Tiefe und Struktur zu verleihen, sind die Kanten der Steine im 45-Grad-Winkel gefast. Die leicht raue Oberfläche und die scharfen Kanten des Kalksandsteins passten perfekt zum industriellen Charakter des Gebäudes, so die Architekten. –sh

Bautafel

Architekten: Störmer, Murphy and Partners, Hamburg
Projektbeteiligte: Baresel / Köster Bau, Leinfelden-Echterdingen (Bauleitung); KFP Ingenieure, Hamburg (Tragwerk); Reese Ingenieure, Hamburg (Technische Gebäudeausrüstung); Krebs + Kiefer Ingenieure, Hamburg (Bauphysik); Ziegelei Hebrok, Natrup-Hagen (Wasserstrichklinker); KS-Original, Hannover (Kalksandstein-Fasensteine)
Bauherrschaft: Quantum Immobilien, Hamburg
Fertigstellung: 2017
Standort: Friedensallee 11, 22765 Hamburg
Bildnachweis: Carsten Brügmann, Barmstedt / KS-Original, Hannover; Störmer, Murphy and Partners, Hamburg

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