Wohn- und Bürogebäude in Osnabrück

Umbau einer Chemiefabrik

In der Chemiefabrik Hagedorn westlich der Osnabrücker Innenstadt wurden bis vor einigen Jahren noch Tischtennisbälle, Lenkergriffe und Pigmentpaste zum Bedrucken von Chipstüten und Joghurtbechern hergestellt. Seit vergangenem Jahr befinden sich allerdings Loftwohnungen und das hippe Open-Space-Büro der Consulting Agentur muuuh! Group in den historischen Räumen.

Bei dem L-förmige Fabrikgebäude und dem Pförtnerhaus (vorne im Bild) handelt es sich um Backsteinbauten aus dem Jahr 1897, die unter Ensembleschutz stehen.
Die Büroräume sind im nördlichen Gebäudeteil Richtung Lotter Straße untergebracht, die Loftwohnungen im Süden, wo sich weitere neue Mehrfamilienhäuser anschließen.
Im Zuge der Umnutzung wurde das viergeschossige, ehemalige Fabrikgebäude um ein mit goldenen Blechpaneelen verkleidetes Staffelgeschoss aufgestockt.

2010 stellte der Chemiebetrieb die Produktion in dem Gebäude ein und verlagerte seinen Produktionsstandort nach Lingen-Schepsdorf, rund sechzig Kilometer nordwestlich von Osnabrück. Vorausgegangen waren mehrere Ersuche von Bürgerinnen und Bürgern sowie von einigen politischen Parteien, die um die Sicherheit und Gesundheit der Anwohnenden im umliegenden Wohngebiet fürchteten, die Fabrik zu schließen. Schlussendlich zahlte das Land einen Zuschuss für die Betriebsverlagerung und leitete so die städtebauliche Entwicklung des Sanierungsgebiets „Mittewest“ ein. Im Rahmen dessen wurde die Chemiefabrik Hagedorn nach einigen Jahren Leerstand zum Wohn- und Bürogebäude Hageloft umgebaut. Die Pläne für die Maßnahmen stammen vom Münsteraner Architekturbüro Kresings.

Aufgestockt in Gold

Der L-förmige, langgestreckte Backsteinbau sowie das östlich anschließende Pförtnerhaus stammen aus dem Jahr 1897 und stehen unter Ensembleschutz. Im Zuge der Umnutzung wurde das viergeschossige, ehemalige Fabrikgebäude um ein mit goldenen Blechpaneelen verkleidetes Staffelgeschoss aufgestockt, das durch die dunkle, kontrastierende Klinkerfassade geradezu zum Leuchten gebracht wird. Auch das alte Pförtnerhaus schultert heute ein neues „goldenes“ Obergeschoss. In diesem befindet sich eine Multifunktionshalle für Veranstaltungen, die von den Angestellten der Agentur auch als Sporthalle genutzt werden kann. Es ist mit dem Hauptgebäude über eine ebenfalls goldfarbene Brücke verbunden. Die Büroräume sind im nördlichen Gebäudeteil Richtung Lotter Straße untergebracht, die Loftwohnungen im Süden, wo sich weitere neue Mehrfamilienhäuser anschließen.

Arbeiten wie im kalifornischen Start-up

Die Gestaltung des Gebäudes ist auf das Branding der Consulting-Agentur ausgerichtet. Der voluminöse goldene Aufbau auf dem alten Pförtnerhaus kragt bis in den Straßenraum aus und wurde zur Lotter Straße und zum begrünten Hinterhof nahezu vollständig verglast. Auch die Ostseite des kurzen Riegels des ehemaligen Fabrikgebäudes ist komplett verglast. Eine Geste, mit der die Transparenz des Unternehmens zum Ausdruck kommen soll. Die Bürolandschaft – samt goldfarbener Rolltreppe, einer Bar im Stil der 60er-Jahre sowie einem direkten Zugang von den Büroräumen in die Sporthalle – erinnert an die Arbeitswelten kalifornischer Start-ups.

Im südlichen Gebäudeteil befinden sich 18 Wohneinheiten mit Wohnflächen zwischen fünfzig und 150 Quadratmetern – jede mit Zugang zu Balkon oder Terrasse. Die Wohnräume werden durch großformatige Fenster, gusseiserne Stützen und Stahlbetonträger charakterisiert. Eingestellte Boxen, in denen die Badezimmer und Küchen untergebracht sind, strukturieren die Grundrisse. Durch die Ost-West-Ausrichtung gelangt viel Licht in die Wohnräume.

Weißer Kalksandstein und schwarzer Klinker

Das zweischalige Mauerwerk der Außenwände besteht aus einer tragenden Schale aus Hochlochziegeln bzw. im dritten Geschoss sowie im Keller aus Kalksandsteinen. Um den Bestand für das neue Staffelgeschoss statisch zu ertüchtigen, waren die Außenwände des dritten Geschosses nacheinander abgetragen und anschließend aus klein- und mittelformatigen Kalksandsteinen wieder aufgebaut worden. Zudem sind einige Lücken im Bestand, sowohl im Innen- als auch im Außenraum, durch Kalksandsteine aufgefüllt worden. Da der Keller das neue Fundament bildet, wurde auch dieser in Kalksandstein ausgeführt, der sich durch seine Materialeigenschaften besonders gut für tragende Wände eignet. Das historische Innenmauerwerk wurde im Zuge der Sanierung freigelegt und gekalkt.

Die historische Backsteinfassade musste aus statischen und bauphysikalischen Gründen vollständig ersetzt werden. Die hellen Bestandsziegel wurden durch anthrazitfarbene, doppelt gebrannte Wasserstrichklinker im Normalformat (240 x 115 x 71 mm) ausgetauscht, die im Wilden Verband vermauert und dunkel verfugt sind. Die Fensterbänke aus aufgestellt vermauerten Steinen sowie die gemauerten Rundbögen der Fenster mit optisch abgesetztem „Schlussstein“ sind hingegen dem Bestandsgebäude nachempfunden. Das Zusammenspiel der schwarzen Klinkerfassade und der goldenen Aufbauten verleiht der ehemaligen Chemiefabrik einen strengen und zugleich modisch-luxuriösen Charakter. -lw

Bautafel

Architektur: Kresings Architektur, Münster
Projektbeteiligte: Ludwig Strathmann, Telgte (Ingenieur); Michael Beffart, Greven (Bauphysik); nees Ingenieure, Münster (Brandschutz); Eversmann beratende Ingenieure, Münster (Versorgungstechnik); KS-Original, Hannover (Kalksandsteine)
Bauherr/in: Hageloft, Münster
Fertigstellung: 2020
Standort: Lotter Str. 47-48, 49078 Osnabrück, Deutschland
Bildnachweis: Jette Golz, Osnabrück; Tammen, Osnabrück; Roman Mensing, Münster


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