Wohn- und Atelierhaus Kleiner Ritter in Frankfurt a.M.

WDVS mit CNC-gefrästen, mineralischen Fassadenplatten

Enge Gassen, Fachwerkhäuser und andere kleine, teilweise marode Gebäude prägen das historische Stadtviertel Alt-Sachsenhausen in Frankfurt am Main. Sein mittelalterliches Straßenbild und zahlreiche Kneipen ziehen viele Besucher an. Anstelle eines Fachwerkensembles, das nicht erhalten werden konnte, errichteten die ortsansässigen Franken Architekten in der Kleinen Rittergasse 11 ein dreigeschossiges Galerie-, Atelier- und Wohnhaus – nunmehr bekannt als Kleiner Ritter. Die Kubatur des Neubaus orientiert sich an seinem Vorgänger, einer dreiteiligen Häusergruppe mit Spitzgiebeln; seine Mischnutzung soll die ursprünglich für das Stadtviertel typische Verbindung von Wohnen und Arbeiten wieder aufleben lassen.

Die Eingangsseite wendet sich einem kleinen Vorplatz zu
Auch am Abend ist das schemenhafte Abbild der Fachwerkkonstruktion des Vorgängers ablesbar
Ansicht Südwest: Zur Gasse öffnet sich das Haus mit kleinen, regelmäßigen Fensteröffnungen

Das teilweise abgewinkelte Gebäude schließt die südöstliche Ecke eines dichten Baublocks. Nach Südwesten begrenzt es einen Stich der Kleinen Rittergasse, im Südosten rahmt es einen schmalen Vorplatz, dem es die Schau- und Eingangsfassade zuwendet. Im Erd- und Untergeschoss befinden sich ein Fotostudio mit Ausstellungsräumen, Café und Apfelweinpresse; im ersten Obergeschoss sind die Büros der Fotografen untergebracht und darüber deren Wohnungen. Diese nutzen außerdem den dreigeteilten Dachraum: Eine ist als Maisonette konzipiert, die andere verfügt über ein Galeriezimmer, das über eine Leiter erschlossen wird.

Die Architekten übernahmen die Silhouette der Vorgängerbauten, verzichteten jedoch auf Dachüberstände. Das mit Naturstein bekleidete Erdgeschoss nimmt Bezug auf das historische Umfeld, die schmalen, kantigen Fensterlaibungen bestehen ebenfalls aus Naturstein. Die Fensteröffnungen variieren: Zur schmalen Gasse sind sie kleinteilig und regelmäßig, zum Vorplatz nach Südosten hingegen, wo das Gebäude übereck verspringt, größer und stärker differenziert. Oberhalb des Sockels ist die Fassade dreigliedrig, aber durchgehend weiß und grau konzipiert. Dabei fällt insbesondere die grafisch strukturierte, helle Oberfläche des Vorder- bzw. Eckhauses auf: Durch maschinelle Fräsungen entstand hier ein Abbild der Fachwerkkonstruktion des Vorgängerbaus. Die Dächer sind – ebenfalls eine Reminiszenz an das Umfeld – mit Schiefer gedeckt. Die Innenräume erfuhren eine moderne Gestaltung mit traditionellen und ortstypischen Materialien wie Eiche, dunkelgrünen Keramikfliesen und Messing.

Wärmedämmung/Konstruktion
Das Gebäude ist in Massivbauweise aus Stahlbeton und Mauerwerk errichtet. Die Außenwände des Erdgeschosses sind mit Kirchheimer Muschelkalk verkleidet, zwischen Tragkonstruktion und Fassadenbekleidung befindet sich eine 8 cm starke Dämmung aus expandierten Polystyrol-Hartschaumplatten (EPS) der Wärmeleitgruppe (WLG) 035. Die erdberührten Stahlbetonwände des Untergeschosses erhielten eine ebenfalls 8 cm dicke Perimeterdämmung aus EPS derselben Wärmeleitgruppe.

An den Außenwänden oberhalb des Natursteinsockels kommen zwei verschiedene Wärmedämmverbundsysteme zum Einsatz: Die Fassade des hinteren Gebäudeteils an der Platzecke ist bedeckt von 120 mm dicken Steinwolle-Dämmplatten der WLG 035 mit weißem Oberputz. Der mineralische Dämmstoff ist als nicht brennbar klassifiziert. Die Fassaden des Eckhauses zur Straße sind mit 120 mm starken EPS-Platten gedämmt, auf denen 30 mm starke Platten aus leichtem, nichtbrennbaren Mineralwerkstoff verklebt wurden. In die Oberfläche der feinporigen, drucksteifen Tafeln wurden v-förmige, 8 mm breite und 5 mm tiefe Nuten maschinell eingefräst. Sie sind Freihandlinien nachempfunden und verlaufen horizontal im Abstand von etwa 10 cm. An den Stellen jedoch, wo sich laut Aufmaß die Ständer und Balken des historischen Fachwerks befanden, wird der lineare Verlauf durch Unregelmäßigkeiten und Schnörkel gebrochen – die Architekten bezeichnen es als „Zitterstriche“. Hier verdichtet sich das Licht- und Schattenspiel, so dass die Fassade aus der Distanz ein schemenhaftes Abbild der Fachwerkkonstruktion ihres Vorgängers aufweist.

Die gesamte Fassadenfläche wurde dafür in 144 unterschiedlich große Teile zerlegt, die nach einem Verlegeplan nummeriert und dann per CNC-Fräse entsprechend eines CAD-Programms bearbeitet wurden. Die vorgefertigten Platten wurden auf der armierten und verdübelten Dämmebene vollflächig verklebt, die Fugen verspachtelt. Notwendige Dehnungsfugen sind so angelegt, dass sie das Gesamtbild nicht stören. Auch um die steinernen Fensterlaibungen verläuft eine Fuge. Abschließend wurde die Deckbeschichtung der Platten leicht abgesandet; zutage trat eine hellgraue Oberfläche, die wie Putz aussieht. Die helle Farbe bringt das Licht- und Schattenspiel der Fräsungen besonders gut zur Geltung.

Die Dächer erhielten unter der Schiefereindeckung eine Zwischensparrendämmung aus 220 mm dicken Mineralfasermatten der WLG 035. Die Stahlbetondecken sind mit einer 25 mm dicken Trittschalldämmung aus Mineralfaser und darüber einer druckfesten, 40 mm starken EPS-Dämmung belegt. Das Gebäude wurde entsprechend den Vorgaben der EnEV 2009 ausgeführt. Der Primärenergiebedarf beträgt 81,9 kWh/m²a bei einer Nutzfläche von 452 m².

Bautafel

Architekten: Franken Architekten, Frankfurt a.M.
Projektbeteiligte: Tichelmann & Barillas Ingenieure, Darmstadt (Tragwerksplanung, Brandschutz, Bauphysik); Köhler Haustechnik, Bad Langensalza (Haustechnik); Sto, Stühlingen (WDVS); Helmut Lindt, Frankfurt (Fassade, Montage WDVS, Innenputz)
Bauherr: privat
Fertigstellung: 2014
Standort: Kleine Rittergasse 11, Frankfurt
Bildnachweis: Franken Architekten, Frankfurt; Eibe Sönnecken, Darmstadt; Oliver Tamagnini, Axel Stephan, Martin Repplinger (alle Frankfurt)

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