Waldnaabkapelle in Tirschenreuth

Harmonische Komposition in Holz und Beton

Das Stiftsland markiert eine üppige Kultur- und Naturlandschaft im Nordosten der Oberpfalz. Das vor fast 900 Jahren errichtete Zisterzienserkloster Waldsassen prägt bis heute das Aussehen und die Entwicklung der Region. Nicht nur findet sich hier eines der ältesten und größten Teichkomplexe in Deutschland, der heute im circa 3.000 Hektar großen Naturschutzprojekt Waldnaabaue im Landkreis Tirschenreuth verortet ist. Auch entstand rund um die Klosteranlagen eine reiche Sakrallandschaft mit Wallfahrtstätten, Kreuzwegen, Wegkapellen und Stiftlandsäulen, die die Historie bis heute lebendig erhalten.

Nahezu mystisch wirkt die scheinbar aus dem Teich emporragende Kapelle.
Das knapp über neun Meter hohe Bauwerk steht am Ufer eines Teiches, der die historische Kulturlandschaft im heutigen Naturschutzprojekt Waldnaabaue repräsentiert.
Der Sockel ist in Sichtbeton gehalten. Durch die horizontale, sägeraue Fichtenbrettschalung verzahnt sich die Oberfläche bildlich und konstruktiv mit der prädominanten, vertikal geschichteten Holzstruktur.

Nahe eines ehemaligen Bahndamms, der statt Eisenbahnen inzwischen Wanderer und Radfahrer durch die Waldnaabauen führt, entstand im Auftrag des Rotary Club Stiftland eine Wegkapelle. Das minimalistische, kubische Volumen am Ufer eines der Teiche scheint sich aus dem Wasser zu erheben. Der Entwurf stammt vom Büro Brückner & Brückner Architekten, das in den Waldnaabauen bereits vor rund zehn Jahren mit der Himmelsleiter und Heusterzbrücke zwei eindrückliche Architekturen hinterlassen hatte.

Sichtbeton mit Kaolinsand und Fichtenholz im Einklang

Die Waldnaabkapelle „vollendet einen Dreiklang: Aufstieg – Übergang – Einkehr“, wie die Architekten selbst ihre drei Projekte beschreiben. Während die früheren Arbeiten vorwiegend in Stahl ausgeführt sind, sticht bei der Gestaltung der Wegkapelle die verzahnte Struktur aus Beton und Holz hervor. Für den massiven Sockel wurde dem Beton Kaolinsand zugefügt, der vom Teichgrund stammt und früher in der lokal ansässigen Porzellanindustrie als Grundmaterial verwendet wurde. Der Zuschlagstoff ist für die strahlend helle Farbe des Betons verantwortlich. 

325 Fichtenholzbalken mit quadratischem Querschnitt von 25 Zentimeter Kantenlänge hüllen oberhalb des steinigen Fundaments den sakralen Raum. Im Kontrast zum vertikal geschichteten Holz stehen auch die horizontal geschalten Betonflächen im unteren Drittel der Konstruktion. Als Schalungsmaterial wurden Fichtenbretter in sägerauer Ausführung verwendet. Somit gibt wiederum Holz die Oberflächenstruktur des Betons vor und bildet im Zusammenspiel eine eindrückliche Materialkombination, die sich durch Form und Oberflächenstruktur zu einer Einheit verbindet.

Minimalistische Gestaltung innen und außen

Das Bauwerk besetzt eine Grundfläche von 6,25 mal 3,25 Metern und ragt 9,1 Meter in die Höhe. Dabei bleiben im Innenraum die Materialien auf besondere Weise erlebbar. Während der Betonsockel Sitzbänke und Wandnischen ausbildet und so das wenig notwendige Mobiliar komplett in die Raumhülle integriert ist, bilden die nach oben kürzer werdenden Holzbalken eine geschichtete Formation, die in einem Oberlicht münden. Die Länge der Balken definiert auch das schmale, fast über die gesamte Bauwerkshöhe reichende Eingangsportal, hinter dem sich eine Glocke verbirgt. -sab

Bautafel

Architektur: Brückner & Brückner Architekten, Tirschenreuth/Würzburg
Projektbeteiligte: Bodensteiner & Partner, Weiden (Tragwerksplanung); Stadt-Land-Fanck, Tirschenreuth (Landschaftspflegerische Planung und ökologische Baubegleitung)
Bauherr: Rotary Club Stiftland, vertreten durch das Rotary Hilfswerk Stiftland
Standort: in den Waldnaabauen, Landkreis Tirschenreuth
Fertigstellung: 2022
Bildnachweis: mju-fotografie, Marie Luisa Jünger, Hümpfershausen

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