Umbau: London Road Building

Öffnung mit Konzept

Fast jede Metropole hat sie: Großarchitekturen der Spätmoderne. Stilistisch oft zwischen Brutalismus und High Tech Architektur angesiedelt, gehen sie zumeist auf Entwürfe zurück, die die Zukunft im Blick hatten. Doch was einst visionär war, stellt die Betreibenden heute oft vor große Herausforderungen: Viele der Bauten sind in die Jahre gekommen, ihr Betrieb ist teuer und nicht nachhaltig, dringend notwendige Sanierungen komplex. Eine Möglichkeit des Umgangs zeigt der von WilkinsonEyre verantwortete radikale Umbau des zur London Southbank University (LSBU) gehörenden London Road Building.

Ein symmetrisch aufgebauter Haupteingang mit großem Vordach empfängt Studierende, Lehrende und die Allgemeinheit gleichermaßen.
Das Konzept sah vor allem eines vor: Öffnung.
Dabei erhielt fast jedes der neuen bodentiefen Fenster eine Rahmung aus schmalen Sonnenschutzlamellen aus Fertigbetonteilen.

Im Zuge des Umbaus gab WilkonsonEyre dem in den 1970er-Jahren errichteten Bauwerk ein neues Äußeres und plante weite Teile des Innenraums völlig um. Mit offeneren Grundrissen, mehr Tageslicht und einem hochentwickelten Nachhaltigkeitskonzept sollen sich hier zukünftig nicht nur Universitätsangehörige einfinden. Vielmehr soll das ehemalige Sport- und Lehrgebäude zum „inclusive hub“ erweitert werden und mit seinen Lehr- und Sporteinrichtungen, einer neuen Bibliothek und gastronomischem Angebot der Allgemeinheit offenstehen. Der Umbau ist Teil des weitergefassten Renovierungsprojekts „St. Georges Quarter“, das die Sanierung und Aufwertung des Southwark Campus der LSBU und den umgebenden Stadtteil vorsieht.

Ein unbeliebtes Lehrgebäude wird aktiviert

Nördlich des Stadtviertels Elephant and Castle gelegen, war das London Road Building schon vor dem Umbau das größte Lehrgebäude auf dem Unicampus. Damals wie heute beherbergte es etwa 20 Prozent der universitätseigenen Lehrräume, darunter Vorlesungssäle, Lernbereiche sowie ein großes Sportzentrum im Untergeschoss. Sonderlich gemocht wurde es von Studierenden wie Lehrpersonal jedoch offenbar nicht: Eine vom Architekturbüro initiierte Untersuchung hatte ergeben, dass sich die blanken Außenfassaden, die labyrinthartigen Innenräume und die unzureichende Barrierefreiheit negativ auf die Nutzenden auswirkten. Es folgte ein Umbau, bei dem trotz signifikanter Eingriffe in den Bestand viel Bausubstanz erhalten werden konnte.

Zu den maßgeblichen Veränderungen zählen neben der vollständigen Umgestaltung der Fassaden eine komplette Neustrukturierung der Raumdisposition im Innenraum. Dort wo früher zahllose Wände die Geschosse in zahlreiche Büros und Klassenräume an schmalen Fluren aufteilten, erstrecken sich heute Großräume: reichlich Platz für Regale, Bücher und Leseplätze der Universitätsbibliothek, die im Zuge des Umbaus eingezogen ist.

Mehr Geschossfläche und Raumvolumen

Noch weitaus mehr Geschossfläche und Raumvolumen erhielt die Bibliothek durch die Überdachung zweier zuvor als Lichthöfe genutzter Außenräume. Die Dächer der darunterliegenden Sporthalle und Vorlesungssäle mussten dafür erneuert werden. Die neuen begehbaren Geschossdecken sind an Stahlträgern aufgehängt, die auf dem Tragwerk des Bestandsdachs lagern. So konnte auf neue Fundamente oder Stützen in den darunterliegenden Hallen verzichtet werden. Entstanden sind zwei doppelgeschossige Lesesäle mit Sheddächern und charakteristischer Decken- und Wandschalung aus Kanthölzern.

Lediglich die großen Vorlesungssäle, einige Filmstudios und Kinosäle blieben von der Umstrukturierung unberührt, wurden dafür aber umfassend renoviert. Vollkommen neu konzipiert hat das Planungsteam auch die existierenden Sport- und gastronomischen Bereiche in den unteren Geschossen. Hier wurde sowohl die Raumaufteilung verändert als auch sämtliche Ausstattung erneuert. Neben der Sporthalle erstreckt sich nun ein weitläufiger Fitnessbereich mit neuen Geräten. Die Küche erhielt gastronomische Technik auf heutigem Stand.

Über die Hälfte der Bausubstanz blieb erhalten

Trotz der beherzten Eingriffe und des völlig neuen Antlitzes des Universitätsgebäudes konnten 60 Prozent der im Bestand enthaltenen grauen Energie erhalten werden. Dazu zählt etwa das Tragwerk aus Stahlbeton, dessen Abbruch fast vollständig vermieden wurde. Dort, wo die alte Struktur Verstärkung benötigte, kamen Kohlefaserverstärkungen zum Einsatz. Um den Wärmeschutz zu erhöhen und den optischen Eindruck aufzuwerten, wurde die alte Fertigteilfassade mit einer zusätzlichen Dämmschicht und einer Verkleidung aus bräunlich-beigem Verblendmauerwerk versehen. Die Fassade an der London Road erhielt großmaßstäbliche Fenster, die für viel Tageslicht in der Bibliothek sorgen und Ausblicke auf das geschäftige Treiben der Stadt erlauben. An den drei übrigen Fassaden wurden bodentiefe Fenster eingebaut und auf zwei Geschossen Fassadenplatten aus glasfaserverstärktem Beton mit Origami-ähnlichen Reliefs angebracht. Diese sind eine Anspielung auf das das Universitätssiegel zierende Segel eines Themse-Kahns.

Sonnenschutz: vertiefte Fenster und perforierte Lamellen aus Aluminium

Zum ganzheitlich geplanten Nachhaltigkeitskonzept gehört die passive Kühlung und Tageslichtsteuerung des Gebäudes. Neben der verbesserten Wärmedämmung sorgt dafür ein breites Repertoire an Verschattungselementen. Als Teile der Gebäudehülle sind sie jeweils an Lage und Ausrichtung der unterschiedlichen Fassadenbereiche angepasst. So achteten die Planenden darauf, dass alle großflächigen Fenster zurückversetzt in der Fassadenebene sitzen. Dies erreichte man durch schmale Rahmungen, welche die einzelnen Elemente voneinander unterteilen. Sie bestehen vorwiegend aus kohlefaserverstärkten Betonelementen und vermindern sowohl den Einfall von Zenitlicht bei hoch stehender Sonne wie auch den seitlichen Lichteinfall durch tiefstehende Sonneneinstrahlung morgens und abends.

Zum Signet des Gebäudes dürften die noch einmal weitaus tieferen Lamellen aus bronzefarben eloxierten Aluminiumblechen werden, welche die Fensterelemente des ersten und zweiten Obergeschosses der Südwestfassade rahmen und die Lesesaalbereiche an den Stellen zum Stadtraum öffnen, wo vorher geschlossene Fassaden die Innenräume von Tageslicht abschirmten. Befestigt sind sie an einem internen Stahlgerüst. Durch grobporige Perforationen in Form von kleinen Quadraten filtern sie einen Teil des seitlich einfallenden Sonnenlichts und erzeugen ein Spiel aus Licht und Schatten auf den Innenwänden.

Speziell für das dritte Obergeschoss unter dem Dach plante das Architekturbüro tiefe Vordächer als Überkopfverschattungen. Komplettiert wird das Sonnenschutzprogramm durch innen liegende Rollos an allen Fenstern sowie den Oberlichtern der Lesesäle, die auf Wunsch den Sonneneintrag zusätzlich vermindern und den notwendigen Blendschutz gewährleisten.

Honoriert wurde das Sanierungsprojekt für sein Nachhaltigkeitskonzept mit dem BREEAM Nachhaltigkeitszertifikat. -sr

Bautafel

Architektur: WilkinsonEyre, London
Projektbeteiligte: Eckersley O'Callaghan (Tragwerksplanung); Churchman Thornhill Finch (Landschaftsarchitektur); BDP ( Akustik / Nachhaltigkeitskonzept / Lichtplanung / Städtebauliche Planung); Fulkers Bailey Russell (Projektmanagement); Eckersley O'Callaghan (Fassade); Tenos, Manchester / London (Brandschutz)
Bauherr: London Southbank University
Fertigstellung: 2022
Standort: 100 London Rd, Elephant and Castle, London SE1 6LN, Vereinigtes Königreich
Bildnachweis: Edmund Sumner / WilkinsonEyre

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Materialien

Glas und Metall

Faeststehende Horizontallamellen aus Holz am Jakob-Kaiser-Haus in Berlin, Architekten: Busman & Haberer aus Köln, de Architekten Cie. aus Amsterdam, von Gerkan, Marg & Partner aus Hamburg und Schweger & Partner aus Hamburg

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