Studierenden- und Geflüchtetenunterkunft Tübinger Regal

Recyceltes Ziegelmauerwerk mit Mineralwolledämmung

Einst befand sich hier ein Parkplatz, seit 2019 wohnen hier Geflüchtete und Studierende in einem Haus: Das Tübinger Regal am Nordrand der baden-württembergischen Universitätsstadt ist auf Transformation ausgelegt: Dank des Regalkonzepts mit seinem robusten Stahlbetonskelett und den nichttragenden Innenwänden und Fassaden, kann das Gebäude langfristig anderen Wohnbedürfnissen angepasst werden. Das Besondere: für die mineralwollegedämmten Außenwände wurden 110 Jahre alte Ziegel wiederverwendet. Entworfen und ausgeführt wurde das Wohnregal von den Büros Studio Schwitalla und Danner Yildiz Architekten.

Das Gebäude soll zum Modellprojekt werden für das Zusammenleben von Geflüchteten und Studierenden.
Zwölf Wohneinheiten dienen als Anschlussunterbringung für Neuzugewanderte, zehn Mikroapartments sind für Studierende vorgesehen.
Alle Wohnungen werden über offene Treppen und Laubengänge erschlossen.

Das Grundstück befindet sich am nördlichen Stadtrand der Stadt Tübingen im Stadtteil Wanne, direkt neben einer bestehende Anschlussunterbringung für Geflüchtete und Menschen, denen Asyl gewährt wurde. 2016 wurde es über ein sogenanntes Optionsvergabeverfahren von der Stadt Tübingen an die Kreisbaugesellschaft vergeben, mit dem Ziel, auf dem damaligen Parkplatz Wohnraum für neu zugezogene Menschen zu schaffen. Entstanden ist das Tübinger Regal, das zum Modellprojekt für das integrative Zusammenleben Geflüchteter und Studierender werden soll. Das viergeschossige Mehrfamilienhaus verfügt über insgesamt 22 Wohneinheiten. Zwölf von ihnen dienen ebenfalls als Anschlussunterbringung, die übrigen zehn Einheiten sind Mikroapartments und werden an Studierende vermietet. Geplant ist, dass das Gebäude zehn Jahre lang auf diese Weise genutzt wird. Anschließend soll es bezahlbaren Wohnraum für Studierende und Familien bieten.

Bewohnerschaft räumlich vernetzt

In dem Viertel befinden sich hauptsächlich Wohnhäuser sowie ein Studierenden- und Dozentenwohnheim. Die Gebäudevorderseite des Neubaus ist dem Nordring zugewandt, auf der Rückseite verläuft eine ruhigere, weniger befahrene Straße, an die direkt Felder grenzen. Das Grundstück wird vom Heuberger-Tor-Weg auf der Rückseite des Gebäudes erschlossen. Ein öffentlicher Weg führt am Haus vorbei und ermöglicht den straßenseitigen Zugang vom Nordring aus. Im Erdgeschoss befinden sich ein Gemeinschaftsraum, eine Waschküche und vier Wohnungen für jeweils zwei Personen. Im ersten und zweiten Geschoss gibt es Wohnungen mit zwei und drei Schlafzimmern,  in denen zwei bis sechs Personen Platz finden. Das oberste Geschoss bietet zehn Mikroappartements. Die Außentreppen und Laubengänge vernetzen alle Ebenen miteinander. Großzügig dimensioniert dienen sie nicht nur als Erschließungsflächen, sondern erweitern auch den komprimierten Wohnraum nach außen: Mit den Nachbarskindern spielen, gemeinsam speisen oder beim Wäsche Aufhängen miteinander quatschten – all das ist möglich.

Robuste Struktur für Nachhaltigkeit

Das Gebäude ist mit einer Parkgarage unterkellert. Durch die Hanglage ist der nach Süden und zum Garten orientierte Teil der Garage als Souterrain zugänglich. Er kann langfristig zu Wohnraum umgebaut werden, wenn in Zukunft weniger Stellplätze benötigt werden. Das Planungsteam ergriff weitere Maßnahmen, um den Neubau nachhaltiger zu gestalten: Es kamen natürliche Materialien wie Holz und bei dem Ziegelmauerwerk sogar wiederverwendete Baustoffe zum Einsatz. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach liefert Strom und durch ein ausgefeiltes Mobilitätskonzept konnte die Zahl der Stellplätze reduziert werden. Außerdem sollen die mitentworfenen Begegnungsorte dazu beitragen, dass sich die Bewohnerschaft – im Sinne einer sozialen Nachhaltigkeit – vernetzen und austauschen sowie sich Räume aneignen kann.

Rahmenkonstruktion mit Ziegelfüllung

Das namensgebende Regalsystem ist leicht von außen zu erkennen: Die Geschosse sind jeweils durch einen umlaufenden, weiß verputzte Betonriegel gefasst, die wie auskragende Deckenplatten erscheinen. An sie schließen außerdem Laubengänge und offene Treppen an. Dazwischen sind die ebenfalls weißen Stützen des Stahlbetonskelettbaus zu sehen. Diese Rahmenkonstruktion wird im Inneren von L-förmigen, tragenden Stahlbetonwänden ausgesteift. Die übrigen Wände sind nichttragend ausgeführt: Dazu gehören die F60-Wohnungstrennwände in Trockenbau-Ständerkonstruktion und die zweischalig aufgebaute Holz- und Ziegelfassade. Die wiederverwendeten Ziegel sind 110 Jahre alt und heben sich mit ihren unterschiedlichen Rottönen deutlich von dem hellen Betonregal ab. Ursprünglich war geplant, dass die Bewohnerinnen und Bewohner am Ausbau des Gebäudes beteiligt werden. Diese Idee ist jedoch nicht umgesetzt worden.

Dämmstoffe: Mineralwolle, EPS und Holzwolle-Mehrschichtplatten

Die Außenwände sind durchgängig zweischalig aufgebaut: Dort, wo sie tragen, bestehen sie aus einer 24 cm dicken Stahlbetonwand mit Innenputz und einer 12 cm dicken hinterlüfteten Mineralwolleschicht auf der Außenseite. Die nichtbrennbare Dämmung erreicht eine Wärmeleitfähigkeit von 0,035 W/mK und ist mit einer UV-beständigen Unterspannbahn belegt. Davor sitzt das 11,5 cm dicke Sichtmauerwerk aus wiederverwendeten Ziegeln im Reichsformat NF. Wo keine tragenden Massivwände nötig waren, wie beispielsweise im Bereich der Laubengänge, wurde ein Wandaufbau mit einer 18 cm starken Holzständerkonstruktion gewählt. Sie wurde hohlraumfrei mit Mineralwolle ausgedämmt und beidseitig mit je zwei Lagen Gipskartonplatten beplankt. Außenseitig folgt auf eine Luftschicht wiederum das Sichtmauerwerk.

Das begrünte Flachdach erhielt eine zweilagige Bitumenabdichtung und eine Gefälledämmung in der Stärke von 14 bis 30 cm. Zum Einsatz kam hier expandiertes Polyystyrol (EPS) mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,035 W/mK. Der Fußbodenaufbau mit Heizestrich weist neben der 25 mm Trittschalldämmung eine 60 mm starke Wärmedämmung mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,040 W/mK auf. Die Kellerdecke wurde unterseitig mit 6 cm EPS gedämmt. Hingegen ist die Tiefgaragendecke mit einer nichtbrennbaren, zweischichtigen und weißzementgebundenen Holzwolle-Mehrschichtplatte mit Steinwollekern gedämmt. Die Laubengangkonstruktion und die Geschossbänderung aus Beton wurden thermisch getrennt an die Geschossdecken angeschlossen. - sus

Bautafel

Architektur: Studio Schwitalla, Berlin (LPH 1-4) mit Danner Yildiz Architekten, Tübingen (LPH 5-8)
Projektbeteiligte: Stefan Fromm Landschaftsarchitekten, Dettenhausen (Freianlagen)
Bauherr/in: Kreisbaugesellschaft Tübingen
Standort: Heuberger Tor Weg 3, 72076 Tübingen
Fertigstellung: 2019
Bildnachweis: Laurian Ghinitoiu (Fotos); Studio Schwitalla (Pläne)

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