Sporthalle in Haiming

Filigrane Dachkonstruktion mit Nagelplattenbindern

Charakteristisch für die Gegend um Haiming im bayerischen Landkreis Altötting ist die Ambivalenz zwischen traditionell landwirtschaftlicher Idylle und raschem industriellen Aufstieg, der sich seit den 1950er-Jahren vollzogen hat. Die Gemeinde an der Flussmündung der Salzach in den Inn – im Grenzgebiet zu Österreich – ist Teil des Vogelschutzgebietes Europareservat Unterer Inn; zugleich führt eine der zentralen Ölversorgungslinien Deutschlands durch die Region. Neben Kuhweiden und Wäldern sind Schlote von Raffinerien und Chemiewerken zu sehen. Auf eine solche „Ambivalenz der Werte“ bezogen sich Almannai Fischer Architekten beim Entwurf für eine Sporthalle im Ortszentrum von Haiming. Der Neubau integriert eine alte, südlich angrenzende Schulsporthalle, die nun als Mehrzweck- und Gymnastikraum dient, über einen Verbindungsbau. Das Haupthaus der dazugehörigen Grundschule bildet das Gegenüber von Kirche und Friedhof. Es entstammt den Fünfziger Jahren und wurde bis in die Siebziger mehrfach erweitert.

Der Neubau integriert die alte Schulsporthalle, die nun als Mehrzweck- und Gymnastikraum genutzt wird
Südliche Eingangsseite der Sporthalle mit dem Haupthaus der Grundschule im Vordergrund
Filigrane Streben tragen das Dach, die Polycarbonatfassade dahinter lässt Tageslicht eindringen

Die Planung der 2,5-Felder-Halle mit sanft geneigtem Satteldach unterlag einer strengen Kostendisziplin. Damit der Neubau bei deutlich größerer Fläche die alte Sporthalle nur unwesentlich überragt, ist er um einen Meter vertieft ins Gelände gebettet. Zwei niedrige Anbauten sind den Stirnseiten vorgelagert und nehmen die Umkleiden, Geräte- und Technikräume auf. Diese Volumen vermitteln gen Osten und Westen zwischen dem Hallenbau und angrenzenden Freiflächen, einer Wiese und dem Friedhof. Zudem steifen sie die Halle in Längsrichtung aus. Diese Funktion übernehmen an der südlichen Eingangsseite eingespannte Stahlbetonstützen. Die Fassade ist hier nur im unteren Bereich verglast, während von Norden durch eine transluzente Polycarbonatfassade viel Tageslicht eindringt.

Je nach Perspektive des Betrachters ähnelt die Halle einem Gewerbe- oder Industriebau. Für den Holzbau wurden Binder- und Wandsysteme mit verzinkten Nagelplattenverbindungen eingesetzt, wie sie häufig bei Stallgebäuden oder auch Lebensmittel-Discountern genutzt werden. Sie sind einfach zu verarbeiten und ermöglichen eine kurze Bauzeit. Den Planern gelang es jedoch, aus der preiswerten Konstruktion architektonisches Kapital zu schlagen.

Dach
Die Typologie entspricht landwirtschaftlichen Bauten der Region: Die Höhe, die Holzbauweise und das gering geneigte Satteldach schaffen Analogien zu einer großen Scheune oder einem Stall. Die speziellen Qualitäten erweisen sich beim Betreten des Gebäudes, angesichts der offenen, ganz in Weiß gehaltenen Dachkonstruktion, deren filigrane Fachwerkträger in dichter Reihung den Raum überhöhen. Die 38 Nagelplattenbinder mit einer Länge von 25 Metern und einer Breite von sechs bis acht Zentimetern wurden im Werk vorgefertigt.
Dachaufbau (von innen nach außen):

  • Nagelplattendachbinder
  • Holz-Dreischichtplatte 24 mm 
  • Dampfsperre
  • Dämmung PU 120 mm
  • Dachbahn / Unterspannbahn
  • Konterlattung (40/100) nur in Binderachsen, Befestigung direkt auf Binder
  • Lattung gem. Statik
  • Dachdeckung/Ziegel ca. 55 mm

Bautafel

Architekten: Almannai Fischer Architekten, München in Arbeitsgemeinschaft mit Ingenieurbüro Harald Fuchshuber, Altötting
Bauherr:
SV Haiming und Gemeinde Haiming
Projektbeteiligte:
HSB Ingenieure, Mehring (Statik + Brandschutz); Link Landschaftsarchitekten, Altötting (Freiraumgestaltung); Intertech, Landau (Haustechnik); Elektro Rössler, Burghausen (Elektroplanung)
Fertigstellung:
2016
Standort:
Hauptstraße 24, 84533 Haiming
Bildnachweis: Sebastian Schels, München; Almannai Fischer Architekten, München

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