Scheunenumbau in Tschagguns

Regionales Weißtannenholz im Innenraum, Solarenergienutzung auf dem Dach

Über Jahrzehnte hinweg diente die Scheune am Mühleweg in der Montafoner Gemeinde Tschagguns ihrem Zweck, stand dann lange leer und wurde nun nach Plänen des Architekten Bernhard Breuer aus dem benachbarten Schruns zu einem Wohnhaus umgebaut. Ursprünglich erbaut wurde sie vor gut einhundert Jahren – das jedenfalls besagt eine Inschrift über dem alten Haupttor. Das dazugehörige Bauernhaus wurde zu Beginn der 1970er-Jahre abgerissen.

Die nach Südosten ausgerichtete Dachfläche bedecken Solarmodule
Ansicht Ost: Die alten unbehandelten Holzfassaden verwittern je nach Ausrichtung in verschiedenen Farbnuancen
Ansicht Nordwest: Ein Teil des Erdgeschosses besteht aus Bruchsteinmauerwerk

Die ehemalige Scheune befindet sich nahe des Ortskerns der touristisch geprägten Gemeinde, knapp 70 Kilometer südlich von Bregenz. Ähnlich einer Streusiedlung stehen hier die Häuser und Höfe einzeln und in Kleingruppen verteilt in der von Wiesen und Wäldern geprägten Landschaft, gerahmt durch das imposante Bergpanorama. Der zweigeschossige Umbau mit Satteldach erstreckt sich auf einem weitläufigen, von Südwesten nach Nordosten leicht abfallenden Grundstück. Eine Giebelseite weist zur südwestlich gelegenen Landstraße, das Niveau des Hauses liegt dort rund einen Meter unterhalb des Gehsteigs. Eine Trockenmauer aus Naturstein markiert die Grundstückgrenze und überragt ein Stück weit die Straßenführung. Die unbehandelten Holzfassaden sind je nach Orientierung in Farbnuancen von Silbergrau über Braun-Orange bis Schwarz verwittert. Gen Nordwesten ist das Dach mit Kupferblechen gedeckt, die Südostseite hingegen mit Solarmodulen. Die Fassaden erhielten wenige neue Öffnungen, um ausreichend Tageslicht in die Wohnräume zu führen.

Ein Teil des Erdgeschosses wurde in 80 cm starkem Bruchsteinmauerwerk errichtet. Entsprechend dem „Haus-im-Haus-Prinzip“ schiebt sich im Grundriss ein Rechteck aus Natursteinen in das Gebäude, das im übrigen als traditioneller Holzbau errichtet ist. Dem Architekten war es wichtig, den Charakter der alpinen Baukultur zu erhalten; so blieb die vorhandene Konstruktion weitgehend bestehen. Um einen größeren Wohnraum zu schaffen, wurde eine Stützkonstruktion abgefangen und die Lasten über die Außenwand abgeleitet. Dabei wurde das Holz der früheren Stützen für die Wechsel verwendet. Ein Windverband in Form einer Diagonalschalung ersetzt Verstrebungen an den Stellen, wo neue Durchbrüche notwendig waren. Sämtliche Holzverbindungen wurden zimmermannsmäßig nach traditioneller Bautechnik ausgeführt.

Der Eingang liegt zurückversetzt in einer Nische an der Südwestseite und führt vorbei an der massiven Natursteinwand. Über einen hellen Flur wird ein großzügiger, offen konzipierter Wohn- und Essbereich erschlossen. Hinter den Natursteinmauern befinden sich ein Technikraum, ein Lager und ein Gäste-WC. Um Platz für einen Treppenaufgang und einen Speicherofen im Wohnraum zu schaffen, wurde das dicke Bruchsteinmauerwerk auf zwei Metern Breite durchbrochen. Oberhalb des Wohnraums, an der Südostseite, ist das Haus über beide Etagen offen gestaltet, sodass die gesamte Höhe erfahrbar wird. Daneben befinden sich im Obergeschoss zwei Schlafzimmer, ein Bad und zwei Büroräume.

Nachhaltig Bauen
Die tragenden Decken aus 5 bis 7 cm starken Weichholzdielen wurden ausgebessert und instandgesetzt. Das ermöglichte einen minimalen Materialeinsatz und geringe Aufbauhöhen. Die Böden im Wohnraum und im Obergeschoss sowie die Wände und Decken sind mit unbehandeltem Weißtannenholz verkleidet, die Böden im Flur und in der Küche mit Gussasphalt ausgeführt. Die Außenwandkonstruktion wurde vollständig von innen her aufgebaut, um die bestehende Bretterschalung nicht abnehmen zu müssen. 40 mm starke, umlaufende Leisten in den Feldern der Pfosten-Riegel-Konstruktion sorgen für die notwendige Hinterlüftung der Fassadenbretter.

Die Dachfläche an der Südostseite ist vollständig mit PV- und Solarthermie-Modulen ausgestattet. Diese Ausrichtung und die Dachneigung von 35°sorgen für einen lohnenden Energieertrag. Etwa 200% des Strombedarfs und ein Großteil des Warmwasser- und Heizbedarfs können lokal erzeugt werden. Im Winter liegt das Gebäude etwa einen Monat lang im Schatten; in dieser Zeit liefert ein Stückholzspeicherofen mit Heizungseinspeisung die benötigte Wärme. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sorgt für geringe Wärmeverluste und ausreichende Luftzirkulation. Die Fenster haben eine Drei-Scheiben-Wärmeschutzverglasung.

Das bestehende, ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäude zu bewahren und zu sanieren, entspricht grundlegenden Prinzipien der Nachhaltigkeit. Neben der Verwendung des beim Abbruch angefallenen Altholzes und der Wiederverwertung der Bruchsteine der Mauern kam überwiegend unbehandeltes, regionales Weißtannenholz aus dem Bregenzerwald zum Einsatz. Auf verleimte Bauteile wurde fast gänzlich verzichtet. Die kompakte Bauweise des Wohnhauses und die Aufteilung der Räume stellen eine effiziente Flächennutzung dar; Hüllfläche und Volumen stehen in einem ausgewogenen, energetisch wirkungsvollen Verhältnis (A/V-Verhältnis). Die einfache Bauweise und die roh belassenen Materialien, die in handwerklich hoher Qualität umgesetzt wurden, zeichnen das Projekt aus.

Bautafel

Architekt: Bernhard Breuer, Schruns
Projektbeteiligte:
Merz Kley Partner, Dornbirn und Altenrhein (Tragwerksplanung); Kaufmann Zimmerei und Tischlerei, Reuthe (Schreinerarbeiten)
Bauherr:
Rosa Breuer, Schruns
Fertigstellung:
2015
Standort:
Zelfenstraße/Mühleweg, 6774 Tschagguns, Österreich
Bildnachweis: Marcello Girardelli

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