Rathaus in Freiburg

Weltweit erstes öffentliches Gebäude im Netto-Plusenergiestandard

Freiburg im Breisgau gilt weltweit als Vorbild für nachhaltige Stadtentwicklung. Schon seit über dreißig Jahren setzt die Stadtverwaltung auf erneuerbare Energien und zukunftsorientierte Energiekonzepte. Nirgendwo sonst in Deutschland findet sich ein Straßenbild, das so stark von Solaranlagen geprägt ist. Bei der Auslobung eines Wettbewerbs für das neue Rathaus wurde dementsprechend ein Gebäude gefordert, das diesem Selbstverständnis Freiburgs Rechnung trägt und dies in seiner Architektur auch deutlich macht. Ingenhoven Architects, die den Wettbewerb für sich entscheiden konnten, entwarfen ein Netto-Plusenergiegebäude, das mehr erneuerbare Energie aus regenerativen Quellen gewinnt, als es für die Beheizung, Kühlung, Lüftung und Beleuchtung benötigt.

Sechs Geschosse hoch, liegt der Neubau in einem Grünraum zwischen dem Freiburger Universitätsklinikum und einem Stadtpark
Deckenhohe Glasflächen mit dreifacher Wärmeschutzisolierverglasung, vor die senkrecht auskragende Aluminiumelemente mit PV-Modulen montiert sind, bilden die Fassade aus
An der Nordfassade, wo kein Solarertrag zu erwarten ist, sind reine Holzplattenelemente montiert

Der Rathausneubau mit sechs oberirdischen Geschossen und triovalem Grundriss liegt in einem Grünraum zwischen Universitätsklinikum und Stadtpark. In zwei weiteren Bauabschnitten sollen optisch ähnliche Verwaltungsgebäude ergänzt werden, die gemeinsam mit dem Rathaus den Stadtteil Stühlinger städtebaulich aufwerten. Visuell sticht das Gebäude nicht nur durch seine ungewöhnliche Kubatur, sondern auch durch die Fassadengestaltung hervor: deckenhohe Glasflächen mit dreifacher Wärmeschutzisolierverglasung, vor die senkrecht auskragende Aluminiumelemente montiert sind. Sie dienen als Rahmen für Photovoltaikmodule mit dahinter liegenden Lärchenholzplatten. An der Nordfassade und im Innenhof, wo kein Solarertrag zu erwarten ist, sind reine Holzplattenelemente montiert. Als Sonnenschutz sind elektrisch betriebene, horizontale Alu-Lamellen an der Außenseite der Fenster installiert.

Herzstück des Neubaus ist ein Bürgerservicezentrum im Erdgeschoss. Dessen Beratungsplätze sind als vier große Rotunden ausgeführt. Die bogensegmentförmigen Schreibtische sind durch vertikale Akustikflächen getrennt. Sichtschutzwände gewährleisten zusätzlich Anonymität. Großzügige Oberlichter im begrünten Innenhof, der sich auf Höhe des ersten Obergeschosses befindet, ermöglichen den Einfall von reichlich Tageslicht. Ebenfalls im Parterre sind Konferenzräume und ein Mitarbeiterrestaurant untergebracht.

Die darüber liegenden Geschosse sind in Einzel- und Zweierbüros sowie offene Teambüros unterteilt. In den neuen Räumen werden 840 Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die bisher über 16 Standorte verteilt waren, an einem Ort zusammengeführt. Infolge des gerundeten Grundrisses wirken die Büroflächen großzügig und fließend. Durch variable Systemtrennwänden aus Glas sind sie außerdem jederzeit veränderbar. Über das gesamte Gebäude verteilte Interaktionsbereiche fördern die Kommunikation. Helle Materialien und Oberflächen unterstreichen den Eindruck von Klarheit und Transparenz. Farbakzente sind spärlich gesetzt und finden sich vor allem bei der Gestaltung der Sitzmöbel mit roten Kissen.

Gebäudetechnik

Das neue Rathaus ist weltweit das erste öffentliche Gebäude im Netto-Plusenergiestandard. Im Einklang mit den Kriterien des Passivhausstandards liegt der Primärenergiebedarf für Heizung, Warmwassererzeugung, Kühlung und Lüftung bei nur rund 55 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr. Dafür wurde es mit dem DGNB Preis für Nachhaltiges Bauen 2018 ausgezeichnet.

Die Beheizung des Gebäudes erfolgt durch eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe. Als Wärmequelle dient Grundwasser, das über einen Saugbrunnen der Wärmepumpe zugeführt wird und über einen Schluckbrunnen wieder in den Wasserkreislauf zurückkehrt. Im Vergleich zur Nutzung von Wärme aus dem Erdreich oder der Außenluft bietet Grundwasser die besten Voraussetzungen für eine hohe Effizienz der Wärmepumpe. Die von der Wärmepumpe erzeugte Heizwärme wird über eine Bauteilaktivierung mit Heiz-Kühldeckensegel, die sich individuell regeln lassen, an die einzelnen Räume abgeben. Im Erdgeschoss kommt zusätzlich eine Fußbodenheizung zum Einsatz. Zur Abdeckung von Wärmespitzenlasten an besonders kalten Tagen steht ein mit Biogas befeuerter Gaskessel zur Verfügung. Eine Solarthermie-Anlage auf dem Dach unterstützt die Warmwasserbereitung für die Küche und für die Duschen der Mitarbeiter, die mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen.

Die Kühlung der Räume erfolgt ebenfalls durch die Bauteilaktivierung. Bei der sogenannten freien Kühlung nutzt die Wärmepumpe die niedrige Temperatur des Grundwassers zur Klimatisierung. Der Verdichter der Wärmepumpe ist dabei nicht in Betrieb, was die Stromkosten senkt. Nur die Umwälzpumpen arbeiten. Die Lüftung übernimmt eine Teilklimaanlage mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung.

Um den Plusenergiestandard zu erreichen, sind in der Fassade und auf dem Flachdach des Rathauses Photovoltaikmodule mit einer Gesamtfläche von 13.000 Quadratmetern und einer Gesamtleistung von 220 kWp angebracht. Im Verlauf eines Jahres erzeugen sie mehr Strom, als im Gebäude benötigt wird. Die überschüssige Energie wird ins öffentliche Stromnetz eingespeist. Während auf dem Dach Standardmodule montiert sind, kommen an der Fassaden speziell gefertigte Glas-Glas-Module zum Einsatz. Auf dem ringförmigen Gebäudekörper sind die insgesamt 880 Module in einer Ausrichtung von Nordost über Süd bis Nordwest platziert, wobei jeweils fünf Module in gleicher Ausrichtung in Geschosshöhe übereinanderstehen. Jedes Modul ist mit einem Leistungsoptimierer ausgestattet, der den Energieertrag überwacht. Er sorgt dafür, dass einzelne Module, die durch Bäume oder Nachbargebäude beschattet werden, die Leistung der unverschatteten Module nicht beeinträchtigen. Dies ist bei herkömmlicher String-Verschaltung ansonsten der Fall und würde den Ertrag der gesamten Solarstromanlage vermindern.

Bautafel

Architekten: Ingenhoven Architects, Düsseldorf (Architektur, Landschaftsplanung, Interior Design Sonderbereiche)
Projektbeteiligte: Thost Projektmanagement, Pforzheim (Projektsteuerung); Mohnke Höss Bauingenieure, Freiburg (Tragwerksplanung); DS-Plan, Stuttgart (Fassadenplanung, Energiekonzeption, Photovoltaik, Gebäudetechnik, Bauphysik); BPK Brandschutz Planung Klingsch, Frankfurt am Main (Brandschutzplanung); Tropp Lighting Design, Weilheim (Lichtplanung); a2-solar Advanced and Automotive Solar Systems, Erfurt (Entwicklung Solarmodule Fassade); HW Metallbau Sontra (Fassadenausführung)
Bauherr: Stadt Freiburg im Breisgau (Gebäudemanagement Freiburg)
Fertigstellung: 2017
Standort: Fehrenbachallee 12 (Rathaus im Stühlinger), 79106 Freiburg
Bildnachweis: Ingenhoven Architects, Düsseldorf / HGEsch

Baunetz Architekt*innen

Fachwissen zum Thema

Bei der Errichtung von neuen PV-Anlagen auf Dächern oder an Fassaden ist zunächst keine Genehmigung erforderlich.

Bei der Errichtung von neuen PV-Anlagen auf Dächern oder an Fassaden ist zunächst keine Genehmigung erforderlich.

Erneuerbare Energien

Photovoltaik

Funktionsweise einer Wärmepumpe 1. Wärmetauscher (Verdampfer) 2. Verdichter 3. Zweiter Wärmetauscher (Verflüssiger) 4. Expansionsventil

Funktionsweise einer Wärmepumpe 1. Wärmetauscher (Verdampfer) 2. Verdichter 3. Zweiter Wärmetauscher (Verflüssiger) 4. Expansionsventil

Erneuerbare Energien

Wärmepumpen

Bauwerke zum Thema

Das von Burckhardt+Partner geplante Bürogebäude und Hotel Grosspeter Tower in Basel ist aus zwei verschieden hohen Baukörpern zusammengesetzt

Das von Burckhardt+Partner geplante Bürogebäude und Hotel Grosspeter Tower in Basel ist aus zwei verschieden hohen Baukörpern zusammengesetzt

Büro/​Verwaltung

Bürogebäude und Hotel Grosspeter Tower in Basel

Der Neubau der Copenhagen International School befindet sich im Containerterminal Levantkaj des Nordhafens, das noch bis zum Jahr 2020 betrieben wird

Der Neubau der Copenhagen International School befindet sich im Containerterminal Levantkaj des Nordhafens, das noch bis zum Jahr 2020 betrieben wird

Kultur/​Bildung

Copenhagen International School

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Baunetz Wissen Gebäudetechnik sponsored by:
Stiebel Eltron | Kontakt 0 55 31 - 702 702 | www.stiebel-eltron.de