Plusenergie-Wohnheim Cubity in Frankfurt

Haus im Haus mit Polycarbonathülle außen und OSB-Kuben innen

Dass Studierende an Architekturfakultäten nicht nur Modelle, sondern Häuser im Maßstab 1:1 bauen, kommt eher selten vor. Zu den Ausnahmen, die bekanntlich die Regel bestätigen, zählt Cubity – ein Plusenergie-Studierendenwohnheim in Frankfurt am Main / Niederrad. Entstanden ist es als Beitrag der TU Darmstadt zum internationalen Hochschulwettbewerb Solar Decathlon Europe, der 2014 in Paris stattfand. Teams von Studierenden beteiligen sich hier an Bauausstellungen, die alle zwei Jahre an wechselnden Orten stattfinden. Anhand von realisierten Objekten demonstrieren sie einer breiten Öffentlichkeit die Potenziale nachhaltigen Bauens und solarer Energieerzeugung.

Das Projekt CUBITY war für den Solar Decathlon 2014 in Versailles entwickelt worden, wo es temporär ausgestellt war
2016 wurde das Gebäude zusammen mit der Nassauischen Heimstätte / Wohnstadt und dem Studentenwerk in Frankfurt am Main wiederaufgebaut. Es ist bewohnt und dient Forschungszwecken
Das sechs Meter hohe Gebäude auf einer Fläche von 16 x 16 Metern hat eine transluzente Hülle mit Eckverglasungen

Im Jahr 2014 sah die Entwurfsaufgabe vor, für den Schlosspark von Versailles auf einem Raster mit Parzellen von 16 x 16 Metern ein innovatives und nachhaltiges Wohncluster für mindestens zehn Studierende zu entwickeln – mit Modulen, die vorgefertigt zum Wettbewerbsort transportiert werden konnten. Bestandteil der Aufgabe waren Mikrogrundrisse vor dem Hintergrund des hohen Wohnflächenbedarfs und das Ziel, den energetischen Standard eines Effizienzhauses Plus zu erreichen. Die Wohnheim-Prototypen sollten also in der Jahresbilanz mehr Energie erzeugen, als für ihren Betrieb und die Nutzung erforderlich ist.

Ein Dorf im Haus
Die TU Darmstadt wurde von den Veranstaltern eingeladen, Cubity außerhalb des Wettbewerbs als Ausstellungs- und Demonstrationsobjekt in Versailles vorzustellen. Ein Team von insgesamt fast 50 Studierenden des Fachbereichs Architektur der TU Darmstadt stellte sich der Aufgabe unter Anleitung von Professorin Anett-Maud Joppien, Professor Manfred Hegger und wissenschaftlichen Mitarbeitenden. In einem dreistufigen Verfahren aus Stegreif, Vorentwurf und Entwurf kristallisierte sich aus 36 ersten Vorschlägen schließlich das Konzept „Dorf im Haus“ zur Umsetzung heraus. Der Projekttitel Cubity setzt sich zusammen aus cube, city und unit (Würfel, Stadt und Einheit) und umreißt damit andeutungsweise dieses Konzept. Ziel des Entwurfs war es, dem Bedürfnis nach Privatheit zwar Rechnung zu tragen, aber die Rückzugsräume auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren, um die gemeinsamen Aktivitäten über großzügige, gut organsierte Gemeinschaftsbereiche in den Fokus zu stellen.

Entstanden ist eine Haus-im-Haus Lösung, bei der sich – gestapelt auf zwei Ebenen – insgesamt zwölf OSB-bekleidete Wohnkuben mit je sieben Quadratmetern um einen sechs Meter hohen „Marktplatz“ gruppieren. In jeden Kubus mit Bett, Einbauschrank und kleinem Tisch ist eine minimierte Sanitärzelle mit WC, Dusche und Waschbecken integriert. Die gemeinsame Küche befindet sich unter einer Galerie, die als Lounge dient.

Das Tragwerk der Halle bildet eine demontierbare Brettschichtholz-Fachwerkkonstruktion. Die V-förmig hinter der Fassade angeordneten Stützen tragen eine Brettstapeldecke mit zentraler Oberlichtöffnung. Um den angestrebten Plusenergiestandard zu ermöglichen, sind Dach- und Bodenfläche hochwärmegedämmt ausgeführt.

Im Juni 2014 erfolgte die Montage und anschließende Präsentation in Versailles. Der ursprünglich auf dem Universitätsgelände in Darmstadt geplante Wiederaufbau wurde stattdessen 2016 auf einem Grundstück in Frankfurt am Main / Niederrad umgesetzt, wo im Herbst die ersten Studierenden einzogen. Im Rahmen eines dreijährigen Forschungsprojekts laufen hier derzeit ein energetisches und ein sozialwissenschaftliches Monitoring.

Fassade: Transluzenter Polycarbonat-Vorhang mit Übereck-Verglasungen

Eine transluzente Fassade aus Polycarbonatpaneelen mit mehrfachem Luftkammeraufbau umschließt die Halle. Transparente Übereckverglasungen mit Öffnungsflügeln ermöglichen Ausblicke und Lüftung. Durch die Anordnung des Tragwerks hinter der Außenhaut ist die Fassade im Sinne einer klassischen Vorhangfassade von jeglicher statischen Funktion befreit. Die etwa 50 cm breiten, gebäudehohen Polycarbonatelemente sind rahmenlos gefügt und erzeugen durch ihre umlaufend homogene Fläche im Inneren eine dem Außenraum nahekommende Grundhelligkeit. Von außen sind Fachwerk, Wohnkuben und Möbel schemenhaft erkennbar.

Von Anfang an waren Tageslichtqualitäten Teil des Konzepts: In der Halle wird die Tageslichtversorgung durch die mittige Positionierung eines vier mal vier Meter großen, modularen Oberlichtsystems mit Blick in den Himmel gewährleistet. Die natürliche Belichtung der Wohnkuben erfolgt über je ein raumhohes Fenster zum „Marktplatz“, kombiniert mit einem verglasten Türelement zur transluzenten Fassade.

Zur Vermeidung einer sommerlichen Überhitzung wurden dynamische Simulationen zum thermischen Verhalten und zur Strömung im Gebäude durchgeführt. Die transparent verglasten, gebäudehohen Eckfenster sind in voller Höhe zu öffnen und sorgen in Verbindung mit dem Oberlicht für eine Ablüftung von Temperaturspitzen durch natürliche Thermik. Fenster und Oberlicht öffnen und schließen automatisiert in Abhängigkeit von Raumtemperatur und CO2-Konzentration. Das Haus-im-Haus-Prinzip ermöglicht für die Wohnkuben eine natürliche Lüftung, die Fenster und Türen der Kuben können nutzerindividuell bedient werden.

Das Cubity erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, zuletzt 2018 einen Sonderpreis im Bundeswettbewerb Holzbauplus des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Weitere Informationen zum Projekt: siehe Surftipps.

Bautafel

Architekten: Solar-Decathlon-(SD)-Team der TU Darmtadt  
Projektbeteiligte: Studierende des Fachbereichs Architektur unter Anleitung von Prof. Anett-Maud Joppien, Prof. Manfred Hegger und den Wissenschaftlichen Mitarbeitenden Christine Störmer, Tim Bialucha, Wolfgang Hinkfoth, Sascha Luippold, Matthias Schönau, Verena Henne, Elisa Stamm und Benjamin Trautmann (Entwurf und Inneneinrichtung), B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann, Frankfurt am Main (Tragwerksplanung, Detaillierung, Konstruktion äußere Halle und Galerie), Deutsche Fertighaus Holding, Simmern/Hunsrück (Montage in Versailles unter Beteiligung von Studierenden, Wiederaufbau in Frankfurt)
Bauherr: TU Darmstadt; Nassauische Heimstätte/Wohnstadt, Frankfurt/Kassel; Studentenwerk Frankfurt
Fertigstellung: 2016
Standort: Adolf-Miersch-Straße 46, 60528 Frankfurt am Main

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