Parlamentsgebäude in Valletta

Kalksteinfassade mit Schwärmen von Brise Soleils

Maltas Hauptstadt Valletta ist eine Idealstadt des 16. Jahrhunderts, die kleinste Hauptstadt der Europäischen Union und Weltkulturerbe. Den Grundstein für die Planstadt legte nach einer erfolgreichen Verteidigung der Halbinsel gegen die angreifenden Türken 1566 der Großmeister des Malteserordens Jean de la Valette und in den folgenden nur zwanzig Jahren entstand auf der Landzunge des Monte Sciberras eine von polygonalen Bastionen umgebene Festungsstadt mit einem orthogonalen Straßennetz. Große bauliche Zerstörungen brachte erst der Zweite Weltkrieg, aber den mächtigen Befestigungsmauern konnten auch die Luftangriffe kaum etwas anhaben.

Ein mit Photovoltaik-Paneelen bestücktes Flugdach scheint über dem steinernen Parlamentsgebäude zu schweben
Die Fassade des Parlamentsgebäudes ist mit dem hellen Kalkstein der Nachbarinsel Gozo verkleidet
Steinerne Ausstülpungen fungieren als Brise Soleil und steuern den Tageslichteinfall und den Wärmeeintrag

Im Bereich des südwestlich gelegenen und zum Festland gerichteten Stadttores Bieb il-Belt findet seit einigen Jahren ein umfangreicher Umbau statt, der das Stadttor selbst, dessen Vorplatz außerhalb der Mauern, den Graben, ein Open-Air-Theater in den Ruinen des ehemaligen Royal Opera House und den Neubau eines Parlamentsgebäudes umfasst. Der italienische Architekt Renzo Piano ist mit diesem sogenannten City-Gate-Projekt beauftragt und hat es inzwischen größtenteils fertiggestellt.

Das Parlamentsgebäude steht im historischen Stadtgrundriss auf einer zuvor als Parkplatz genutzten Freifläche und bildet zusammen mit dem Theater den Stadteingang hinter den von zwei Stahlspeeren bewachten Pylonen des Tores. Die Volksvertreter kommen in einem viergeschossigen Haus zusammen, das aus drei schweren Steinblöcken zu bestehen scheint, über denen ein Flugdach schwebt. Zwei im Grundriss trapezförmige Hauptgebäude beherbergen die Büros und Sitzungsräume sowie den trichterförmigen Parlamentssaal. Sie stehen auf schlanken Metallstützen und haben eingerückte verglaste Eingangszonen. Den Boden berührt nur der dritte Baukörper, der als abgeschrägter, geschlossener Eckpylon die Fluchttreppen aufnimmt. Ein keilförmiger Hof öffnet sich zur Innenseite der Festungsmauern und ist für jedermann zugänglich.

Fassade
Einerseits wirkt die Fassade des Parlamentsgebäudes aus hellem Kalkstein massiv und wehrhaft, wie die Bauweise der Stadt es immer war. Diesen Eindruck verstärken auch die hohen schmalen Fenster, die fast wie Schießscharten in den Stein eingelassen sind. Andererseits wurde die stark plastisch behandelte Steinfassade hier mit ganz neuen Funktionen wie der Energie- und Lichtsteuerung betraut.

Die Kalksteinplatten wurden auf der Nachbarinsel Gozo gebrochen und so zugeschnitten, dass sie als plastische Elemente vor den Fenstern je nach Ausrichtung optimal die Sonnenstrahlung filtern und somit die Klimatechnik unterstützen, ein Ausblick aber immer möglich bleibt. Computergesteuert in Form gebracht und durchnummeriert wurden die zahlreichen, leicht variierenden Steinblöcke dann vor eine Stahlkonstruktion gehängt. Die als Brise Soleil fungierenden Ausbuchtungen legen sich wie Schwärme über die glatt ausgebildeten Steinflächen und bestimmen wesentlich die Gestalt und Wirkung des Gebäudes.

Das Parlament wurde als Niedrigenergie-Gebäude geplant, was den Energiebedarf zur wesentlichen Entwurfskomponente machte. So dient der Fassadenstein dazu, den Wärmeeintrag zu senken und eine natürliche Belüftung zu ermöglichen. Unterirdisch wird er als geothermischer Wärmetauscher wirksam; vierzig Löcher wurden hierzu in den felsigen Untergrund bis in Tiefen von 140 Meter gebohrt. Darüber hinaus ist auf dem Dach eine 600 Quadratmetern große Photovoltaik-Anlage montiert worden, wodurch das Gebäude im Winter insgesamt achtzig Prozent der benötigten Wärmeenergie selbst erzeugt und im Sommer sechzig Prozent seines Kühlbedarfs.

Bautafel

Architekten: Renzo Piano Building Workshop, Genua mit Architecture Project, Valetta
Projektbeteiligte: Arup, London (Tragwerksplanung, Akustik, Gebäudetechnik); Kevin Ramsey, London (Natursteinberatung), Daniele Abbado (Theater-Beratung), Müller BBM, Hamburg (Akustik), Franck Franjou, Château-Landon (Licht), Studio Giorgetta, Chiavenna (Landschaftsplanung)
Bauherr: Grand Harbour Regeneration Corporation 
Fertigstellung: 2015
Standort: Valetta, Malta
Bildnachweis: Michel Denancé, Paris und Mario Carrieri, Mailand

Fachwissen zum Thema

Tragwerksraster, Ausbauraster und Fassadenraster können anhand der Außenwände erkennbar sein und so einen Eindruck vom Inneren des Gebäudes vermitteln.

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Fassadenarten

Außenwände

Naturwerkstein ist ein kostbares Material, dass zum Beispiel zur Akzentuierung von Brüstungen genutzt wird.

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Materialien

Naturwerkstein

VHF am Baustofflabor der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur

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Fassadenarten

Vorgehängte hinterlüftete Fassaden (VHF)

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