Mediathek Puzzle in Thionville

Organisch geformter Baukörper mit gebogenen Isolierverglasungen

Mit dem Einzug digitaler Wissensträger und veränderten Lese- und Nutzungsgewohnheiten hat sich die Konzeption von Bibliotheken grundlegend geändert. Zwar sind sie auch heute noch Orte des Lesens und der Ruhe, gleichzeitig aber auch Orte der Begegnung, Teilhabe und Interaktion für Menschen jeden Alters, jeder Herkunft und mit den unterschiedlichsten Interessen. Die Architekten Dominique Coulon & Associés perfektionierten dieses Prinzip bei ihrem Entwurf für die Mediathek in Thionville mit dem schönen Namen Puzzle. Sie hatten den vorausgegangenen Wettbewerb im Jahr 2010 mit einem geschwungenen Baukörper für sich entscheiden können, um den ein umlaufendes, weiß verputztes Betonband spielerisch mal auf, mal ab verläuft.

Je nach dahinter liegender Funktion oder Position im Grundriss variiert die Breite des Bandes. Eine darunter angeordnete Pfosten-Riegel-Fassade mit filigranen Profilen bildet eine schützende Membran zum Außenraum
Wobei sie entlang der Straßen an einigen Stellen fast ganz unter dem mächtigen Betonband verschwindet
Die Mediathek wurden auf einem zentralen Platz errichtet, der an drei Seiten von Starßen gesäumt ist. Hier zeigt sich die Fassade besonders dynamisch

Der Mediathek wurde auf einem quadratischen Grundstück errichtet, das an drei Seiten von Straßen eingefasst ist. Auf der vierten, nordwestlichen Seite grenzen Stellplätze an das Gebäude. Hier liegen hinter einer raumhohen Verglasung die Büros der Verwaltung und Technikräume; die Fassade ist kaum merklich geschwungen. Deutlich dynamischer ist ihre Ausprägung entlang der Straßenfronten. Die größten Wölbungen finden sich zu beiden Seiten des Haupteingangs im Osten.

Die organische Form des Gebäudes ist im Grundriss am deutlichsten ablesbar. Fast scheint es, als wollten sich Vesikel aus einem überdimensionalen Einzeller lösen. Die ineinander verschlungenen Formen entsprechen der hierarchielosen Überlagerung der verschiedenen Nutzungsbereiche. An der Südostseite umschlingt die teils transparente, teils geschlossene Außenhaut inselartige Zonen, die Literatur für Erwachsene befindet sich zentral in der Gebäudemitte. Dazwischen sind verstreut kleine abgeschlossene Raumzellen angeordnet, wo die Besucher sich zu Videospielen, Filmvorführungen oder zum Vorlesen treffen können. In anderen Zellen sind Besprechungsräume und ein Sprachlabor untergebracht. Für Lesungen und Veranstaltungen, die sich an ein größeres Publikum wenden, stehen zwei akustisch abgetrennte Säle unterschiedlicher Größe zur Verfügung. Im zentralen Eingangsbereich gibt es außerdem ein Café, an das ein geschützter Innenhof anschließt. Eine Rampe führt von dort hinauf aufs Dach, wo Sitzgelegenheiten und eine Sommerbar zum Verweilen einladen.

Im gesamten öffentlich zugänglichen Bereich der Mediathek gibt es kaum eine gerade Linie oder Kante. Selbst der Boden gleicht an vielen Stellen einer gestalteten Landschaft. Die Verweigerung des orthogonalen Rasters erstreckt sich bis in die Tragkonstruktion. Scheinbar willkürlich sind die Stützen im Raum angeordnet. Tatsächlich wurden sie genau dort positioniert, wo es die statische Belastung erforderte.

Glas

Hinter dem wellenartig geschwungenen Betonband sind die transparenten Fassadenflächen als Pfosten-Riegel-Konstruktion ausgebildet. Die T-förmigen Pfostenquerschnitte bestehen aus spiegelpoliertem Edelstahl. Die Anpressleisten für die Befestigung der Verglasungen sind mit einem Hutprofil ausgebildet, die Zwischenräume wurden mit Silikon gefüllt, sodass der Eindruck einer Structural Glazing Fassade entsteht.

Die Größe der 2-fach Isolierverglasungen passt sich dynamisch dem beschriebenen Fassadenverlauf an. Während die Fassadenverglasungen in Bereichen kleiner Krümmungen noch polygonal angeordnet sind, erforderten stärkere gekrümmte Bereiche die Verwendung von thermisch gebogenem Glas. Die zylindrischen Verglasungen weisen dabei unterschiedlichste Abmessungen auf, sodass es sich wie bei den ebenen Gläsern überwiegend um Modellgläser handelt. Durch ihre nahezu nahtlose Aneinanderreihung wirken sie extrem homogen.

Der Glasaufbau der Isolierverglasungen besteht aus thermisch entspanntem Floatglas, das für beide Scheibenpakete zu Verbundsicherheitsglas weiterverarbeitet wurde.

Bautafel

Architekt: Dominique Coulon & Associés, Straßburg
Projektbeteiligte: Batiserf Ingénierie, Faontaine (Tragwerksplanung); Ertcm Industries, Épinac (Metallbau); Isola Facade, Roppe (Fassade); Euro Sound Project, Straßburg (Akustik)
Bauherr: Ville de Thionville
Standort: 1 place Malraux, 57100 Thionville
Fertigstellung: 2016
Bildnachweis: Eugeni Pons, Lloret; David Romero-Uzeda, Straßburg

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