Max-Aicher-Arena in Inzell

Ausgeklügeltes Kühl-, Heiz- und Lichtkonzept

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts gilt das kleine bayerische Örtchen Inzell am Rande der Chiemgauer Alpen als Mekka des Eisschnelllaufs. Bereits 1960 fanden hier auf dem nahegelegenen Frillensee die bayerischen und deutschen Meisterschaften unter freiem Himmel statt. Fünf Jahre später erhielt Inzell sein eigenes Eisstadion mit einer 400 Meter langen Kunsteisbahn am südlichen Ortsrand und entwickelte sich zum Austragungsort von Weltcup-Rennen und zahlreichen Meisterschaften.

Das ehemalige Freiluftstadion ist dank Überdachung und Glasfassade zu einer Eisschnelllaufhalle geworden
Im Winter verschmilzt das weiße Hallendach mit der verschneiten Landschaft
Die Mitte der Halle ist eisfrei ausgeführt, hier können sich die Sportler aufwärmen

In den vergangenen Jahren hat sich der Eisschnelllauf aufgrund der verbesserten Bedingungen zu einer Indoor-Sportart entwickelt. Ohne ein Hallendach hätte das Inzeller Eisstadion im internationalen Wettbewerb nicht standhalten können und deshalb erhielt die ehemalige Freiluftanlage eine markant geschwungene, weiße Überdachung, die sich im Winter beinahe nahtlos in die weiße Schneelandschaft einfügt. Eine neue Tribüne aus Stahlbeton umfasst die Laufbahn und bietet bis zu 7.000 Zuschauern Platz. Eine gläserne Fassade umschließt die gesamte Sportanlage – aus dem ehemaligen Stadion ist eine Halle und die Max-Aicher-Arena geworden. Geplant wurden diese Maßnahmen durch eine Zusammenarbeit der Büros Behnisch Architekten und Pohl Architekten.

Die neue Dachkonstruktion wird von einer weißen Kunststoff-Membran überspannt. Sie erstreckt sich über eine Fläche von rund 17.000 m² und ist im Innenraum stützenfrei ausgeführt. Wegen des schlechten Baugrunds kam nur ein Tragwerk für die Dachkonstruktion infrage, das keine Horizontallasten auf den Auflagern erzeugt. Die Architekten entschieden sich für eine Fachwerkkonstruktion aus Stahl und Holz. Die gekrümmten Fachwerkträger sind an ihrer höchsten Stelle neun Meter hoch und haben eine Spannweite von 82,5 m. Beidseitig kragen sie bis zu 11,50 m aus. An den Rändern der Halle fangen 40 unterschiedlich hohe Stahlbetonstützen die anfallenden Lasten ab. Die Verbindung zwischen Trägern und Stützen erfolgte schwimmend wie beim Brückenbau.

An manchen Stellen ist der Rand des Daches angehoben. Neben dem Haupteingang werden in diesen Bereichen doppelgeschossige Räume überdacht. Sichelförmige Sheddächer ragen aus der Dachhaut heraus und dienen der natürlichen Belichtung der Wettkampfstätte. Umkleide- und Nebenräume sowie die großen Technikbereiche sind seitlich unterirdisch angeordnet. Bestehende Gebäude um die Halle herum wurden saniert und konnten ihren ursprünglichen Charakter bewahren.

Gebäudetechnik
Eisschnelllaufhallen verbrauchen extrem viel Energie zum Kühlen der Eisfläche und zur gleichzeitigen Beheizung der Zuschauerränge. Zudem kann sich durch eine zu hohe Luftfeuchte Kondensat bilden, welches nicht nur die Eisqualität, sondern auch das Tragverhalten der Dachkonstruktion gefährdet. Um dies zu vermeiden, wurde in der Arena eine adsorptive Luftentfeuchtung installiert, welche die Raumluft trocknet. Die aufwendig entfeuchtete Luft wird direkt über dem Eis in die Halle geblasen. Die weniger stark aufbereitete Zuschauerluft gelangt als Quellluft über Tribünenhohlräume in den Zuschauerraum, wobei die enormen Abwärmemengen des Kühlprozesses zur Beheizung genutzt werden. Durch die Trennung der Volumenströme ist der Primärenergiebedarf rund 30% niedriger als bei herkömmlichen Eisschnelllaufhallen.

Das Eis der Laufbahn wird konstant auf -3 bis -5°C temperiert, wobei sich durch Kältestrahlung auch die Holzoberflächen des Dachtragwerkes stark abkühlen. An den kalten Oberflächen kondensiert normalerweise die Raumluft: Es bildet sich ein feuchter Film und die Dachkonstruktion wird durchfeuchtet. Um diesen Vorgängen entgegenzuwirken, wird in anderen Hallen Warmluft auf die betroffenen Oberflächen geblasen. Die Max-Aichner-Arena hingegen ist raumseitig mit einem textilen Kälteschirm unterspannt, der die Kältestrahlung des Eises reduziert. Die dünne Membran besteht aus einem metallisch beschichteten Silikonglasgewebe und erstreckt sich über das gesamte Tragwerk. Außerdem verteilt sie das natürliche Tageslicht im Innenraum und dient zugleich als Schallabsorber. So lässt sich die Halle in der eisfreien Zeit als Ort für Konzerte und andere Sportereignisse nutzen.

Über die durchgängige Glasfassade wird die Arena natürlich belichtet. Mehr als 70 % der Fassade sind mit einem aufgedruckten Punktraster versehen, das eine direkte Sonneneinstrahlung verhindern bzw. mindern soll. 17 Sheddächer filtern blendfreies Nordlicht in die Arena. Sie sind mit dreilagigen, lichtdurchlässigen ETFE-Kissen verschlossen, die den Wärmedurchgang verringern. Aus diesem Grund können die (Sport-) Veranstaltungen in der Halle größtenteils ohne den Einsatz von Kunstlicht stattfinden.  Weite Dachauskragungen verhindern zum Schutze des Eises eine direkte Sonneneinstrahlung durch die Fassaden.

Bautafel

Architekten: Behnisch Architekten, München und Pohl Architekten, Erfurt
Projektbeteiligte: Köppl Ingenieure, Rosenheim (Tragwerksplanung); Haumann & Fuchs, Traunstein (Fassade); Grossmann Bau, Rosenheim (Ausführung Hallendach); Bartenbach Lichtlabor, Innsbruck (Lichtplanung); Transsolar Energietechnik, München (Energetische Planung)
Bauherr: Gemeinde Inzell
Fertigstellung: 2011
Standort: Reichenhaller Straße 79, Inzell
Bildnachweis: Meike Hansen, Hamburg; David Matthiessen, Stuttgart und Inzeller Touristik, Inzell

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