Krematorium in St. Gallen

Innen und außen Sichtmauerwerk aus Wasserstrichziegeln

Der Tod ist kein leichtes Thema, dementsprechend sind Bauten wie Krematorien keine einfache Bauaufgabe. Formal bedarf es einer würdevollen und Schutz bietenden Atmosphäre für die Hinterbliebenen, funktional müssen zeitgemäße Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Wie man beides bestmöglich vereint, zeigt das Büro Andy Senn mit dem Neubau eines Krematoriums auf dem Friedhof Feldli in St. Gallen. Der zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtete Vorgängerbau war in die Jahre gekommen und konnte den heutigen Ansprüchen nicht mehr genügen.

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Der Neubau befindet sich auf einem Plateau im Nordwesten der Friedhofsanlage. Er wird auf drei Seiten von einer öffentlichen Straße eingefasst und im Osten durch einen friedhofsinternen Weg begrenzt. Die Architekten positionieren den Bau parallel zur nördlichen Böschungskante, an der entlang ein offener Pfeilergang sowohl zum Eingang des Krematoriums als auch zum Friedhof führt. Zusammen mit dem L-förmigen Gebäudekörper umschließt er einen Innenhof.

Der Wandelgang bietet Schutz und rahmt gleichzeitig die Aussicht auf die Landschaft ringsum. Nach dem vierten Pfeiler lenkt eine Wandscheibe aus Lochmauerwerk schließlich den Blick Richtung Eingang. Der Empfang ist offen gestaltet, über raumhohe Fenster zum Innenhof fällt Tageslicht herein. Die zwei an der Nordwand gelegenen Aufbahrungsräume erhalten hingegen einzig über ein schachtartig in die Decke eingelassenes Fensterband Licht von oben. Der Andachts- und der Kultraum mit den drei Ofenlinien sind an der Ostseite, Richtung Friedhof, platziert. Letztgenannter ist religionsneutral gestaltet, sodass er von Personen verschiedener Glaubensrichtungen genutzt werden kann. Das vor die raumhohe Fensterfront gesetzte Lochmauerwerk filtert das einfallende Tageslicht und lässt eine sakrale, dem Anlass angemessene, Atmosphäre entstehen. Der Raum mit den drei Verbrennungsöfen befindet sich im Zentrum des Krematoriums. Er erstreckt sich zweigeschossig über das Unter- und Erdgeschoss und bildet sich auch nach außen ab, indem er aus dem Baukörper herauswächst. Noch darüber hinaus ragt der Kamin.

Im südlichen Gebäudeflügel, der dem Kolonnadengang gegenüber liegt, sind die Büros und der Besprechungsraum für die Mitarbeiter untergebracht. Alle sind mit raumhohen Fenster zum Innenhof ausgestattet. In diesem Gebäudeteil befindet sich auch die Anlieferung mit direktem Zugang zum Kühlraum, im Untergeschoss sind Technik- und Lagerräume angeordnet.

Mauerwerk
Die Fassaden des Krematoriums sind als zweischalige Wandkonstruktionen mit Wärmedämmung und Luftschicht ausgeführt. Wie das außen liegende Sichtmauerwerk wurde auch das tragende Hintermauerwerk aus Ziegelsteinen erstellt und blieb unverkleidet. Für beide Wandschichten wählten die Planer einen dunklen, rötlichbraunen Wasserstrichziegel im Normalformat mit den Maßen 24 x 11,5 x 7,1 cm. Die Wärmedämmschicht besteht aus Mineralwolle. Die Ziegel wurden im Flämischen Verband als Wechselsortierung vermauert, sodass teilweise die Rückseiten der Ziegelsteine sichtbar sind, was die Fassaden zusätzlich belebt.

Für das Lochmauerwerk im Bereich des Kolonnadengangs, vor dem Kultraum sowie an der Süd- und Westfassade wurde jeweils auf den Binder im Flämischen Verband verzichtet. Das aus der Kubatur des Erdgeschosses nach oben herausgeschobene Volumen des Ofenraums sowie der obere Abschluss des Kamins sind mit einem Zierverband versehen, bei dem einzelne Klinker stark hervortreten.

Bautafel

Architekten: Andy Senn, St. Gallen
Projektbeteiligte: Martin Rytz, St. Gallen (Projektleitung); Thomas Krähemann, St. Gallen (Bauleitung); Gruner Wepf, Teufen (Statik); etb Elektroplanung, Amriswil (Elektroplanung); Ch. Keller Design, St. Gallen (Lichtplanung); Mettler Landschaftsarchitektur, Gossau SG (Freiraumplanung); Rheder Klinker- u. Fassadenbau, Rhede (Klinkerarbeiten); Deppe Backstein-Keramik, Uelsen-Lemke (Klinker)
Bauherr: Stiftung Krematorium St. Gallen des St. Galler Feuerbestattungsvereins
Fertigstellung: 2016
Standort:
Hätterenstrasse 10, 9000 St. Gallen
Bildnachweis: Martin Duckek, Ulm

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