Klinikapotheke mit Rechenzentrum in Mannheim

Gebäudehülle gesichert durch EMA, spezielle Anforderungen für Reinräume

Die schnelle Versorgung mit einwandfreien Medikamenten gehört zu den wichtigen Vorraussetzungen für ein modernes Krankenhaus. Weil der vorhandene Apothekenbetrieb der Universitätsklinik Mannheim auf dem halbkreisförmigen Areal am nördlichen Neckarufer veraltet war, wurde ein Wettbewerb für einen Neubau ausgeschrieben. Bayer & Strobel Architekten aus Kaiserslautern erhielten mit ihren Plänen für einen hellen, weitläufigen Flachbau den ersten Preis. Dieser vereint nun im Norden des Klinikgeländes Herstellung und Logistik, aber auch Beratung und Information zu Arzneimitteln für verschiedene Stationen unter einem Dach. Integriert in das ein- bis zweigeschossige Gebäude, ist außerdem ein neues Rechenzentrum, das die gesamte EDV-Infrastruktur zur Patientenversorgung enthält.

Arzneimittellager: Die Medikamente vor Ort herzustellen, hat ökonomische Vorteile und ermöglicht die spezifische Versorgung bestimmter Patienten
Die Dachfläche ist als Benediktinischer Klostergarten gestaltet
Dachgarten als Ergänzung der Parkanlage auf dem Klinikgelände

Die Medikamente vor Ort herzustellen, hat ökonomische Vorteile und ermöglicht die spezifische Versorgung bestimmter Patienten. Dafür müssen die Betriebsabläufe innerhalb der Klinikapotheke genau aufeinander abgestimmt und bis ins Detail reibungslos, zügig und hygienisch organisiert sein. Dies gilt insbesondere für die Bereiche mit Produkten, die steril, also keimfrei gehalten werden müssen.

Das Rechenzentrum übernimmt eine ganz wesentliche Funktion im Krankenhaus, denn ohne moderne IT-Systeme wäre der gesamte Betrieb lahmgelegt. Die elektronische Verwaltung von Patienten, die Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Sektoren und die zunehmende Einbindung von EDV in die Medizintechnik erfordern den ständigen Aus- und Umbau der IT-Infrastruktur.

Das Gebäude erstreckt sich in Ost-West-Richtung auf einem beinahe 100 m langen Grundriss mit zwei unterschiedlichen Tiefen. Sämtliche Räume zur Herstellung, zur Lieferung und Logistik der Medikamente sind im Erdgeschoss angeordnet, um die Transportwege einfach und kurz zu halten. Der Eingang befindet sich etwa mittig an der Südseite zwischen den aneinandergereihten Büros, die sich mit durchgängigen Fensterbändern nach außen orientieren. Im Osten des Erdgeschosses ist die nahezu quadratische Halle für Lieferung und Logistik angelegt, eingefasst durch Nebenräume für Kühlung und Lagerung. Die Zubereitung der Arzneimittel (u.a. Zytostatika, also die Zellteilung hemmende Medikamente für Krebspatienten sowie Parenteralia, d. h. sterile Mittel für Injektionen, Infusionen oder Implantationen) mit Reinräumen unterschiedlicher Klassen und Schleusen für Personen und Medikamente erfolgt im westlichen, weniger tiefen Teil des Erdgeschosses. Dessen Gebäuderückseite ist weitgehend verglast, sodass auch die Labore Tageslicht und Aussicht ins Freie erhalten. Durch die unterschiedlichen Gebäudetiefen entsteht ein Innenhof für die Mitarbeiter, nördlich begrenzt durch einen grünen Wall. 

Weil alle wesentlichen Funktionen der Apotheke auf einer Ebene organisiert sind, ergibt sich eine große Dachfläche. Diese ist als benediktinischer Klostergarten gestaltet und ergänzt die südlich gelegene, bestehende Parklandschaft. Besucher und Patienten erreichen den Dachgarten über großzügige Freitreppen an drei Seiten des Gebäudes. In einem aufgesetzten Baukörper an der Nordseite befindet sich das Rechenzentrum, an der Westseite ist die Lüftungszentrale aufgestockt. Der Dachgarten wird auf diese Weise vom rückwärtigen Straßenraum abgetrennt, die übrigen Seiten sind von Mauern umfasst (ausgebildet als hochgeführte Attika). Das Kellergeschoss bietet Platz für Umkleiden, Lager- und Technikräume.

Sicherheit
Das gesamte Gebäude ist mit einer Einbruchmeldeanlage (EMA) der VdS-Klassifizierung C ausgestattet. Das heißt, dass sämtliche Glasflächen und Türen in der Gebäudehülle auf Durchbruch bzw. Öffnung und Verschluss überwacht werden. Arzneimittelherstellung und -logistik, Rechenzentrum und primäre Technikräume sind als separate Verschlussbereiche ausgeführt. Die Scharf-/Unscharfschaltung der EMA erfolgt an den dazugehörigen Haupteingängen über eine kombinierte Zutrittskontrolle aus Transponder und der Eingabe eines Zahlencodes. Im Inneren der Türen sind Bedieneinheiten installiert, auf deren Display alle anstehenden Meldungen angezeigt werden. Weitere Türen innerhalb des Gebäudes sind mit einem unverkabelten mechatronischen Schließsystem ausgestattet und lassen sich mit Transpondern über Funk öffnen bzw. schließen.

Die Medikamente werden in der Halle für Lieferung/Logistik sortiert, verpackt und anschließend über eine automatische Warentransportanlage (AWT-Anlage) durch ein weitverzweigtes, unterirdisches Tunnelsystem an die jeweiligen Stationen oder OPs verschickt. Im Keller der Klinikapotheke befindet sich ein AWT-Bahnhof, der über einen Aufzug mit dem Lager verbunden ist. Bei Scharfschaltung der EMA ist der Aufzug blockiert.

Für die Betriebsräume der Apotheke, insbesondere die Reinräume zur Herstellung der Medikamente, gelten strenge Anforderungen hinsichtlich der Qualitätssicherung (Richtlinien nach GMP = good manufacturing practice). Sämtliche Reinräume werden im Betrieb über ein Monitoringsystem hinsichtlich Luftdruck, -feuchte und -temperatur sowie Partikelzahl überwacht. So können die Apotheker jederzeit nachweisen, dass ein Medikament unter regulären Bedingungen hergestellt wurde. Die Reinräume sind in verschiedene Klassen eingeteilt; für die sensibelsten Bereiche (Reinraumklasse B) müssen zwei Personenschleusen inklusiv strenger Bekleidungs- und Hygienevorschriften durchlaufen werden. Auf diese Weise soll die Kontamination der Räume durch Partikel und Mikroorganismen minimiert werden. So gelten auch bestimmte Verhaltensregeln: Beispielsweise ist das Tragen von Make-up, Puder, Wimperntusche oder Nagellack verboten. Bartträger müssen einen Bartschutz tragen (am besten wird der Raum nicht unrasiert betreten), das Personal darf sich nur ruhig und gleichmäßig bewegen und leise sprechen. Das Verzehren von Speisen und Getränken, auch Kaugummis, ist verboten. Handys und andere persönliche Gegenstände wie Ringe oder Uhren sind in den Reinräumen nicht zugelassen, die Schleusentüren dürfen nur sehr kurz geöffnet werden. Zum Einschleusen von Materialien dienen spezielle Materialschleusen, jeder Gegenstand muss gereinigt und desinfiziert werden. Für die Personenschleusen sind sämtliche Aktionen bzw. Handgriffe der Beschäftigten in einer vorgegebenen Abfolge im Detail geregelt. Neben Mundschutz und Handschuhen sind auch die Overalls und Überziehstiefel des Personals sterile Einwegware. -us

Bautafel

Architekten: Bayer & Strobel Architekten, Kaiserslautern
Projektbeteiligte: Gerd Paul Koch Bauingenieure, Mannheim (Tragwerksplanung); FC Ingenieure, Heidelberg (HLS/MSR/Fördertechnik); Schad-Hölzel & Partner, Mörfelden-Walldorf (Elektroplanung); Carpus + Partner, Aachen (Medizin- und Labortechnik); Micheller + Schalk, Landschaftsarchitekten (Landschaftsplanung)
Bauherr: Universitätsmedizin Mannheim
Fertigstellung: 2012
Standort: Theodor-Kutzer-Ufer 1-3, 68167 Mannheim
Bildnachweis: Bayer & Strobel Architekten, Kaiserslautern

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