Hotel in Ludwigsburg

Ganz in Weiß mit gekapptem Mansarddach

Das baden-württembergische Ludwigsburg mit seinen knapp 100.000 Einwohnern und Einwohnerinnen ist eine alte barocke Residenzstadt. Davon zeugt heute noch ein Schloss, einst Sitz des Kurfürsten Eberhard Ludwig von Württemberg. Nicht weit davon entfernt, in einem bahnhofsnahen Entwicklungsgebiet, hat das Architekturbüro VON M ein Hotel entworfen, das als das erste CO2-neutrale Hotel der Stadt gilt.

Der schlichte Fünfgeschosser des Stuttgarter Architekturbüros VON M mit gekapptem Mansarddach lehnt sich in seiner Gestalt und Konstruktionsweise an Wohnhäuser aus dem 18. Jahrhundert an, ohne sie zu imitieren.
Die Gebäudehülle besteht aus Faserzementschindeln an den Fassaden sowie Aluminium-Trapezblechen im Dachbereich.
Die Fenster sind fassadenbündig, im 3. OG ragen sie senkrecht über die Traufe hinaus.

Der Standort war für die Planenden eine Herausforderung, denn der Ort ist geprägt von einer wechselhaften Baugeschichte, die nicht gerade einladend wirkt für den Neubau eines Hotels. Was auf den Bildern nicht zu sehen ist: Genau gegenüber des Grundstücks befindet sich das Marstall-Center, ein Konglomerat aus Einkaufszentrum und Wohnhochhäusern aus den 1970er-Jahren. Der zunehmende Leerstand im in die Jahre gekommenen Gebäudekomplex wirkte sich zusehends auf die Nachbarschaft aus, sodass 2010 die Kommunalverwaltung eingriff und es zum Teil des Sanierungsgebietes „Untere Stadt" erklärte. 2013 übernahm ein Hamburger Immobilienunternehmen die Anlage und begann mit der Neugliederung des Centers und der Sanierung der Gebäudehülle. Gleichzeitig ließ die Stadtverwaltung Straßen, Stützmauern und Tunnel im Umfeld zurückbauen. 2014 lud sie sechs Architekturbüros ein, Vorschläge dafür zu entwickeln, wie auf der ehemaligen Tunnelrampe sowohl ein öffentlicher Platz, die sogenannte „Ludwigsburger Stadtterrasse“, als auch ein Hotelneubau verwirklicht werden könnte. Von den unterschiedlichen Entwürfen wurde schließlich der des Stuttgarter Teams VON M realisiert.

Holzmodulbau in strahlend weißer Hülle

Dass sich die Planenden mit der schwierigen Topografie des schmalen Grundstücks konfrontiert sahen, fällt heute angesichts der ruhigen, symmetrischen Kubatur des fünfgeschossigen Neubaus zunächst nicht auf. Das Terrain ist nach Osten hin leicht abschüssig und fällt auf der Nordseite steil ab. Auf dieser Seite befindet sich nun ein ebenerdiger Zugang zu dem halb im Hang eingegrabenen Untergeschoss. Im Osten schließt sich die sogenannte Stadtterrasse an. Zu dieser orientieren sich alle öffentlichen Bereiche des Hotels, etwa der Bistro- und Barbereich. Sie sollen auf diese Weise den neuen Platz beleben.

Trotz Bezügen bei der speziellen Dachform spricht das Hotel eine deutlich modernere Architektursprache als die umliegenden Häuser aus dem 18. Jahrhundert. Besonders ist die monochrome, in strahlendem Weiß gehaltene Außenhaut, gedeckt mit Faserzementschindeln an den Fassaden und  Aluminium-Trapezblechen auf den Dachflächen. Während die Fenster in den unteren Geschossen fassadenbündig ausgeführt wurden, ragen sie im dritten Obergeschoss über die Traufkante hinaus. Von außen ist nicht erkennbar, dass hinter dieser Gebäudehülle ein modularer Holzbau steckt. Dieser ruht auf einem Sockel in Massivbauweise, in dem sich das Unter- und das Erdgeschoss befinden. Auch der Treppenhausturm mit Aufzug wurde in Stahlbeton ausgeführt. Um diesen Turm, der für die Aussteifung des Gebäudes sorgt, gruppieren sich die vorgefertigten Raummodule. Sie wurden aus Brettschichtholz von einer Vorarlberger Zimmerei vorgefertigt, sodass die Montage vor Ort nur fünf Tage dauerte.

Erschlossen werden die Hotelzimmer über zentrale, in Längsrichtung des Gebäudes verlaufende Flure. Im Gebäudeinnern zeigt sich als prägendes Material neben Beton und lackiertem Metall der Werkstoff Holz, vom dem insgesamt 440 Kubikmeter verbaut wurden. Helles Holz für die Decken, Wände und Böden sorgt in den 55 Zimmern des 2.000 Quadratmeter großen Hotels für eine angenehme, wohnliche Atmosphäre. Schreibtische, Betten und Kofferregale folgen dabei einer reduzierten formalen Ästhetik, die von den Fenstern aufgegriffen wird. Diese wirken von innen wie eingeschobene Boxen und verfügen über eine sehr tiefe, mit Stoff bezogene Fensterbank, wo sich gut sitzen und sich nach draußen blicken lässt.

Dach: gekapptes Mansarddach mit großen Dachfenstern

Bei dem Dach handelt es sich nach Angaben des Planungsbüros um ein gekapptes Mansarddach, lehnt sich in seiner Gestalt und Konstruktionsweise an die entlang der Straße vorhandenen Wohnhäuser aus dem 18. Jahrhundert an, ohne diese jedoch zu imitieren. Es wurde mit ausgeformten Holzmodulen konstruiert und mit lichtgrau beschichteten Aluminium-Trapezblechen gedeckt. Große Dachfenster sorgen für viel Licht im Innern des Dachgeschosses.

Dachaufbau (von außen nach innen):

  • Trapezprofilblech, 40/100 mm
  • GFK-Systemhalterungen Hutprofilstahl
  • Wärmedämmung, 160 mm
  • Gipsfaser-Platte, 15 mm
  • Brettsperrholz mit Dampfsperre, 100 mm
Das Hotel wurde mehrfach prämiert, so etwa mit einer Auszeichnung beim Deutschen Architekturpreis 2021, der Hugo Häring Auszeichnung des BDA 2020, dem AIT Award 2020 und dem best architects award 21.

Bautafel

Architektur: VON M, Stuttgart
Projektbeteiligte: Jo Carle Architekten, Stuttgart (Bauleitung); merz kley partner, Dornbirn (Statik); Kurz + Fischer, Wimmenden (Bauphysik); Ingenieurbüro Staudacher, Ulm (Gebäudetechnik); Halfkann + Kirchner PartGmbB, Stuttgart (Brandschutz); Karl Wildermut Bauunternehmen, Bietigheim-Bissingen (Gebäudehülle); Wolf, Schönaich (Vorhangfassade); Schurig, Bönnigheim (Innenausbau); Kaufmann Bausysteme, Reuthe (Holzkonstruktion); Flaschnerei Bosch, Albstadt (Metalldach); Rauh SR Fensterbau, Zapfendorf/Sassendorf (Fensterbau); Pfeiffer Schlosserei + Metallbau, Sachsenheim (Schlosserarbeiten)
Bauherr/in: Fedor Schoen, Korntal-Münchingen
Fertigstellung: 2019
Standort: Bauhofstraße 4, 71634 Ludwigsburg
Bildnachweis: Brigida González, Stuttgart

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